David Lowe

Prinzessin Arschloch


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ich eigentlich nach Hause gekommen?, grübelt Anna vor sich hin. Plötzlich vernimmt sie eine kichernde Frauenstimme aus der anderen Ecke der Wohnung. Alex? Während sie über den Verbleib ihrer Freundin sinniert, wird die Zimmertür von Alex‘ Mitbewohner aufgerissen und eine hübsche, fröhlich wirkende Blondine betritt den Raum. Sie wirft einen kurzen Blick auf die zerknirschte Anna in ihrem Einhornpyjama. Ohne ihr weitere Beachtung zu schenken, verlässt sie daraufhin die Wohnung. „Hallo, ich bin die Anna“, flüstert der wandelnde Kopfschmerz der Blondine hinterher, während die Wohnungstür ins Schloss fällt.

      Anscheinend ist der Einhornhype an dieser sympathischen Dame vorbeigegangen, seufzt Anna vor sich hin. Gerade als Anna sich erneut von der Couch erheben möchte, hört sie Schritte aus dem Zimmer von Alex‘ Mitbewohner. Die Tür springt auf und heraus kommt ein mit Handtuch bedeckter junger Mann. Offensichtlich gerade aus der Dusche kommend, bedeckt ein weißes Baumwollhandtuch seinen Unterbau, das jedoch nicht das gebräunte Sixpack verstecken kann. Mit einem weiteren Handtuch rubbelt er sich wild durchs Gesicht, um seine dunklen Haare abzutrocknen. Ob ihm wohl bewusst ist, dass er nicht alleine ist?

      Meter für Meter nähert er sich Anna, ohne ihre Anwesenheit zur Kenntnis zu nehmen. Um zu vermeiden, dass das laufende Sixpack sich aus Unwissenheit komplett entkleidet, startet sie einen erneuten Versuch des Vorstellens. „Hallo, ich bin die An-na“, gibt Anna leicht stotternd von sich, während ihre Augen das Sixpack fixieren. Erschrocken reißt sich der leicht bekleidete junge Mann das Handtuch vom Gesicht und erblickt den unbekannten Gast.

      „Entschuldigung, ich wollte dich nicht…“, fängt Anna den Satz freundlich an, um kurz darauf erstaunt zu verharren. Moment mal. Dieses Gesicht kommt ihr doch bekannt vor, verrät Anna ihre lange Leitung.

      „Nee! Prinzessin Arschloch. Was machst du denn hier?“

      „Oh nein, der Mitternachtsmacho“, erwidert Anna und ein Großteil des Abends kehrt in ihr Gedächtnis zurück. „Du bist so ein Penner!“, schießt es aus Anna hervor, während sie ein Knacken aus dem Türschloss vernimmt und Alex die Wohnung betritt. „Ah, ich sehe, ihr habt euch schon vorgestellt.“

      „Alex, was macht diese Psychofrau hier?“, wendet sich Tom leicht angesäuert an Alex.

      „Wieso Psychofrau? Spinnst du? Das ist meine gute alte Schulfreundin aus Untermoscheln. Ich hatte dir doch erzählt, dass ich mein Zimmer untervermieten wollte, während ich in London bin. Und ich habe beschlossen, mein Zimmer für die Zeit Anna zu überlassen. Also solltet ihr zwei euch lieber vertragen.“

      „Du, Alex, sei mir nicht böse, aber ich glaube, das ist doch keine gute Idee“, gibt Anna daraufhin kleinlaut zurück.

      „Was ist denn bitte in so kurzer Zeit passiert, dass ihr zwei euch dermaßen anstellt?“ In ihren Worten schwingt die Enttäuschung deutlich mit. „Wobei, wartet – ich will es gar nicht wissen. Tom, das ist mein Zimmer. Klar musst du einverstanden sein, aber ich versichere dir: Was auch immer war, Anna ist eine Spitzenperson. Ich kenne sie seit meiner Kindheit. Wir sind zusammen durch dick und dünn gegangen und jetzt braucht sie nunmal meine Hilfe. Und du, Anna. Die Stadt wird dir guttun und Tom ist echt in Ordnung. Also gebt euch bitte die Hände und gut ist.“

      Ohne auf Alex‘ Predigt in irgendeiner Art einzugehen, begibt sich Tom Richtung Küche. Dort tauscht er das Handtuch, mit dem er sich kurz zuvor die Haare abgetrocknet hat, gegen eine heiße Tasse Kaffee.

      Zurück im Wohnzimmer, steht er nun mit einer Tasse Kaffee in der einen und mit einem das Gemächt verdeckenden Handtuch in der anderen Hand vor den beiden. Er nippt an der Tasse und scheint mit sich zu hadern. Doch am Ende siegen Alex‘ Argumente. „Ja, okay. Wird schon klappen“, gibt er noch leicht schmollend von sich.

      „Danke, Tom. Du bist eine Wucht. Anna?“

      Schon wieder diese Rehaugen, denkt Anna sich. Denen konnte sie schon damals nichts abschlagen. Sie erinnert sich an eine Szene, als beide noch relativ frisch befreundet waren. Da hatte sie aufgrund der Rehaugen ein Snickers gegen Alex‘ Apfel getauscht. „Ja, okaaay“, ist alles, was Anna zögerlich über die Lippen kommt.

      „Super, das hätten wir geschafft. So, und du, Tom, zieh dir endlich mal was an untenrum. Wir sind hier nicht in der Sauna. Apropos Anziehen, Anna – du hast mein Oberteil und deinen BH in die Deckenleuchte im Treppenhaus gepfeffert. Da habe ich sie zumindest gerade gefunden.“ Mit diesen Worten hält sie das Beweismaterial unter Annas Nase. „Hast du einen spontanen Striptease hingelegt oder hast du sonst etwas zu beichten?“ Bei den Worten kann sich Alex das Grinsen nicht verkneifen.

      Somit klärt sich für Anna zumindest der Verbleib ihrer Kleidung und ihre morgendliche Nacktheit. Ach du Scheiße, was hab ich denn da bitte gemacht, denkt sich Anna und schaut auf ihre Füße. Dabei beißt sie sich verlegen auf die Unterlippe.

      Sichtlich vergnügt über Annas vergeblichen Versuch, im Boden zu versinken, verabschiedet sich Tom in Richtung seines Zimmers: „Kein Wunder, so voll wie die Prinzessin war.“ Anscheinend denkt Tom, dass Anna und Alex taub oder ohne Ohren auf die Welt gekommen sind. Denn sein Nuscheln war mehr als deutlich zu verstehen. Nun platzt Anna endgültig der Kragen. Instinktiv ergreift sie das Nächste, was sie finden kann und feuert die Fernbedienung in Richtung des halbnackten Tom. Ohne darüber nachzudenken, was die bessere Entscheidung ist, fängt Tom diese mit der Hand, mit der er vorher den Gemächtvorhang gesichert hat. Splitterfasernackt, aber dafür mit einer Fernbedienung und einer Tasse Kaffee in den Händen, steht Tom nun mitten im Sichtfeld von Alex und Anna.

      Nun kann auch Anna endlich lachen und selbst die Kopfschmerzen verderben ihr nicht dieses Ereignis. Alex geht es ähnlich, sie kann nicht mehr an sich halten vor Lachen und prustet los. „Glückwunsch Tom, du hast es geschafft. Nun hat wirklich jede Frau in Berlin dein bestes Stück gesehen.“

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