angelegt werden. Ich stehe Ihnen dafür, es wird auch reichlich Zinsen tragen und seiner Zeit wieder ersetzt werden. Was eine solche Reise kostet, übersteigt freilich das Vermögen eines Privatmannes. Allein ich habe mir die Sache so ausgedacht: Es versteht sich, daß Anton nicht ganz auf fremde Kosten reise. Er muß selbst etwas verdienen. Indes braucht er doch immer ansehnlichen Zuschuß; denn er muß auch für sich noch freie Zeit behalten, um in der Kunst weiter zu kommen. Was nun mich betrifft, so werde ich das meinige redlich dazu beitragen. Ich habe es mir, von Ihrem Beispiele ermuntert, nun einmal in den Kopf gesetzt, den Anton umsonst zu einem Maler zu bilden. Seine Arbeiten, die er bisher lieferte, sind mir sehr gut bezahlt worden. Dieses Geld habe ich zurückgelegt, und werde es zu seiner Reise verwenden. Allein es reicht bei weitem nicht zu. Wären Sie nun geneigt, das noch Fehlende, das freilich eine nicht geringe Summe betragen kann, daraufzulegen? Ein gutes Werk, das man angefangen hat, muß man auch vollenden.« Er bot dem Förster die Hand hin, erwartend, er werde einschlagen. Der Förster hatte an Antons Wohlverhalten und seinen Fortschritten in der Kunst hohe Freude. Er besaß ein ziemliches Vermögen. Er blickte seine Hausfrau an. Sie nickte. Der Förster schlug ein und sagte: »Nun wohl, wenn die Summe mein Vermögen nicht übersteigt, so will ich sie ausbezahlen.« Er wurde ein Überschlag gemacht, was die Reise kosten könnte, und einmütig beschlossen, Anton solle künftigen Frühling die Reise antreten.
Der Maler fuhr am nächsten Morgen mit Anton im Schlitten zurück in die Stadt. Der Förster und die Försterin machten aber den Winter über Anstalten zu Antons bevorstehender Reise. Der Förster kaufte Tuch ein, um seinen Pflegesohn hinreichend mit wohlanständiger Kleidung auszustatten. Auch suchte er seinen eigenen Reisekoffer hervor, und ließ ihn mit Rehfell neu überziehen. Die Försterin und ihre zwei Töchter nähten und strickten sehr emsig, den Anton reichlich mit Leinenzeug und Strümpfen zu versehen. Zu Anfang des Frühlings mußte Anton noch einige Tage bei seinen Pflegeeltern zubringen. Sein Pflegevater gab ihm in dieser Zeit noch viele gute Ermahnungen und Klugheitslehren, und war gegen ihn ganz ungemein liebreich. Der gute Mann nahm sich selbst die Mühe, den Koffer zu packen. So oft ihm die Försterin ein neues Kleidungsstück hinreichte, wurde Anton aufs neue gerührt. »Ach wie vieles – wie gar so vieles tun Sie an mir!« sagte er. »Meine eigenen Eltern, wenn sie noch lebten, könnten nicht mehr für mich tun!« Der Koffer wurde an einen berühmten Maler, dem der Herr Riedinger den Anton empfohlen hatte, vorausgeschickt. Denn Anton wollte die ganze Reise zu Fuß machen. Christian, Antons Herzensfreund, hatte aber noch für ein kleines Felleisen gesorgt, in dem Anton das Notwendigste zum täglichen Gebrauche mitnehmen konnte.
Endlich kam der Abschiedstag; Anton wollte nach Tische zu Herrn Maler Riedinger in die Stadt gehen, und von da aus dann weiter reisen. Die Försterin bereitete ein Abschiedsmahl, und alle speisten noch einmal miteinander zu Mittag. Es war ein freundliches, rührendes Familienfest. Der Förster blickte in dem kleinen Kreise umher. Es herrschte eine wehmütige Stille. »Nicht doch, meine Söhne und Töchter«, sprach er, »seid nicht so traurig; und auch du, gute Mutter, trockne diese Träne da ab. Es ist nun einmal so! Die Söhne, zumal wenn sie bereits erwachsen sind, müssen hinaus in die Welt; und auch ihr, meine Töchter, seid bald in dem Alter, wo ihr vielleicht das väterliche Haus verlassen werdet. Doch, wenn uns auch Berg und Tal dem Leibe nach trennen, im Geiste bleiben wir immer vereinigt. Und so traurig der Abschied auch sein mag, das Wiedersehen, das uns hier oder dort nie ausbleibt, ist dann desto freudiger!« Der edle Mann wußte durch fröhliche Gespräche alle wieder zu erheitern. Er ließ eine Flasche guten Wein bringen, von dem er sonst nur an Festtagen trank. Er schenkte der Mutter und den beiden Töchtern, obwohl alle drei sich weigerten, davon ein. »Den Traurigen gib Wein!« sagte er lächelnd. Anton und Christian boten ihre Gläser her, ohne sich lange nötigen zu lassen. Am Ende der Mahlzeit nahm der Förster sein Glas und sagte: »Nun, Anton, stoß an – auf eine glückliche Wanderschaft und ein fröhliches Wiedersehen!« »Das gebe Gott!« sagte die Försterin, stieß an und trank ein klein wenig. Christian, Katharine und Luise stießen auch mit an. Allen standen die Tränen in den Augen. Anton war am gerührtesten. Er konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten und sagte: »O meine liebsten Eltern, wie vielen Dank bin ich Ihnen schuldig! Was wäre ich ohne Sie! Ach, ewig kann ich es Ihnen nicht vergelten, was Sie an mir getan haben. Gott wolle Ihr Vergelter sein! Er wolle mich einst instandsetzen, für das unaussprechlich viele Gute, das Sie an mir taten, Ihnen und meinen lieben Geschwistern meinen Dank durch die Tat zu bezeigen.«
»Ja, lieber Anton«, sagte der Förster, »ich kann es dir nicht verhehlen, wir tun viel an dir; und wenn ich deine Geschwister hier so ansehe – so möchte ich fast sagen, zu viel. Denn was mich und meine geliebte Hausfrau betrifft, so brauchen wir wohl wenig mehr. Unsere Haare sind bereits grau. So lange wir noch leben, haben wir wohl noch Brot. Allein, mein lieber Anton, wenn eines oder das andere deiner Geschwister einmal in Not kommen sollte, so vergiß nicht, wie wir dir aus der Not geholfen haben, und laß sie nicht in der Not stecken. Gib mir die Hand darauf, Anton! Nicht wahr, du verlässest deine Geschwister nicht?« »O lieber Vater!« rief Anton, indem er dem Förster die Hand reichte, »ich müßte ja der undankbarste Mensch von der Welt sein, wenn ich Ihrer Wohltaten je vergessen könnte. O gewiß! Ihre Liebe ist mir ewig unvergeßlich. Meine größte Glückseligkeit auf der Welt soll es sein, Ihnen, lieber Vater, meiner besten Pflegemutter oder meinen lieben Geschwistern Gutes erweisen zu können.«
»Ich glaube dir, Anton«, sagte der Förster; »doch – nun ist es Zeit, daß wir scheiden.« Er stand auf und sprach: »Knie nieder, lieber Sohn, damit ich dir noch den väterlichen Segen gebe.« Anton kniete nieder. Der Förster erhob seine Augen zum Himmel; es war etwas Ehrwürdiges und Feierliches in seinem Angesichte und seiner Gestalt. Er segnete den Jüngling und sprach: »Gott begleite dich auf allen deinen Wegen, bewahre dich vor Sünde, und führe dich gut und unverdorben wieder in unsere Arme zurück.« Die Mutter und die Kinder standen alle mit gefalteten Händen und weinenden Augen andächtig umher, und sagten mit gerührtem Herzen: »Amen!« Der Förster hob den Anton auf, schloß ihn in die Arme und sagte: »Nun – zieh hin und Gott sei mit dir! Habe ihn stets vor Augen – und vergiß nicht, daß sein allsehendes Auge dich überall sieht. Halte dich für zu gut, Böses zu tun. Die Güter und Lüste dieser Welt sind es nicht wert, daß wir ihretalben unser Gewissen beschweren. Gedenke, daß wir nicht für diese kurze Zeit, die wir auf Erden zu leben haben, geschaffen sind, und daß eine Ewigkeit sei. Meide nicht nur das Böse, sondern auch jede Gelegenheit Böses zu tun. Besonders fliehe solche Menschen, die über den frommen Glauben unserer Voreltern spotten und sich über reine Sitten lustig machen. Noch einmal – lebe wohl und Gott sei mit dir.«
Die Försterin sagte mit Augen voll Tränen: »Anton! Sieh diese meine rotgeweinten Augen, diese meine nassen Wangen! Um dieser Tränen willen bleibe Gott ergeben, gut und rechtschaffen. Gedenke dieser Tränen, wenn du in Versuchung kommst, Böses zu tun. Bisher hast du uns nur Freude gemacht; betrübe uns nie. So herzlich ich jetzt weine, so fühle ich dabei doch vielen Trost! Aber wenn wir je etwas Unrechtes von dir hören sollten, dann würden ich und wir alle, die bittersten Tränen weinen. Vergiß unserer treuherzigen, väterlichen und mütterlichen Ermahnungen – und der letzten Ermahnungen deiner seligen Mutter – in deinem Leben nicht, und nun lebe wohl.«
Die ganze Familie begleitete den tief gerührten, traurigen Jüngling noch eine weite Strecke Weges, fast bis zu Ende des Waldes. Endlich sagten sie ihm alle noch einmal Lebewohl! Anton ging – sie aber blieben stehen. Er sah noch sehr oft um, und winkte ihnen mit dem Hute. Der Förster und Christian winkten ihm auch mit ihren Hüten, und die Försterin und die zwei Töchter mit ihren weißen Tüchern, bis er endlich mit seinem Wanderstab in der Hand und seinem Felleisen auf dem Rücken hinter einem waldigen Hügel verschwand.
Fünftes Kapitel
Ein Weihnachtsgeschenk
Der heilige Weihnachtsabend war, seit Antons Abreise bereits das dritte Mal, wieder angebrochen. Der Förster kam heute mit seinem Sohne Christian früher aus dem Walde nach Hause. Es war sehr kalt. Der Abendhimmel strahlte glühendrot durch die Fenster in die Stube. Die runden Scheiben fingen schon an zu gefrieren und schimmerten in dem rötlichen Abendschein wie Edelsteine. Der Förster setzte sich in seinen Lehnsessel neben dem großen Ofen. Er legte mehr Holz zu; denn der Ofen war so eingerichtet, daß man ihn auch in der Stube öffnen konnte. Die Flamme loderte bald hoch auf, verbreitete einen wallenden Schimmer durch die Stube, spiegelte sich