Sie mir etwas bringen wollen, obschon ich selbst nicht wusste, dass ich heute hier sein würde, weil ich mich erst heute ganz früh dafür entschieden habe?«
Kelly wurde rot, weil dieser Mann sie einfach irritierte. »Nun, ich wollte es nicht Ihnen bringen, sondern nur auf das Grundstück, genau gesagt, ich wollte es gegenüber der Terrasse deponieren, genau gegenüber der Treppe mit dem eingelassenen Metallschild.«
Er blickte sie an, ihr stockte der Atem.
»Jetzt wird es immer mysteriöser. Mir gehört zufällig dieses Haus, und glauben Sie mir, ich kenne hier jeden Stein.
Von einer Metallplatte müsste ich etwas wissen. Was soll denn darauf stehen?«
»Kelly und Gordon forever«, sagte sie, was bei ihm eine Lachsalve auslöste.
»Sagen Sie, wer sind Sie? Eine Romanschriftstellerin, deren Fantasie gerade mit ihr durchgeht? Gäbe es so etwas, dann wüsste ich es. Kelly und Gordon MacCready sind zufälligerweise meine Urahnen.«
»Ich weiß«, sagte Kelly, »aber ich habe diese Inschrift sofort entdeckt, vielleicht, weil ich sensibilisiert war, denn ich …«, sie zögerte kurz, »ich habe den Grabstein dieser Kelly in meinem Auto.«
Natürlich sagte er jetzt sofort, und das war nachvollziehbar, dass das unmöglich sei, weil der Friedhof vollkommen zerstört worden war.
Sie ließ ihn ausreden, noch ein wenig Dampf ablassen, dann ging sie zu dem Kofferraum ihres Autos, öffnete ihn, legte den Stein frei, dann sagte sie ihm, wer sie war und dass sie den Stein am Strand gefunden hatte.
Und weil ein Stein finden nicht all das auslösen konnte, was hinterher geschehen war, sprach sie auch über die Gemeinsamkeiten mit seiner Urahnin Kelly, sprach über das, was geschehen war.
Über den Traum sprach sie nicht, auch nicht darüber, dass sie sich da als seine Braut gesehen hatte – was jetzt, da sie ihm gegenüberstand, ein noch verlockenderer Gedanke war.
Sie hatte davon gehört, es für unmöglich gehalten, jetzt wusste Kelly es …, sie hatte der Blitzschlag der Liebe getroffen, und für einen Moment bedauerte sie, kein Mann zu sein, denn in solchen Fällen ergriffen immer die Herren der Schöpfung die Initiative.
Sie war eine sehr emanzipierte Frau, traute sich vieles, doch einen Mann anzumachen, das traute sie sich nun nicht.
Doch wie war das noch mit den sich selbst erfüllenden Prophezeiungen?
Sie hatte von ihm geträumt, sie war seine Braut gewesen, und sie war jetzt da und würde sich so schnell nicht vertreiben lassen.
Das bedeutete doch, dass sie ganz gute Karten hatte, oder?
*
Mit Bradley MacCready war eine Veränderung vor sich gegangen. Kelly hatte das Gefühl, dass er sie zum ersten Malt bewusst wahrnahm und anblickte.
Dann wandte er sich ab, kam die Steinstufen herunter, stellte sich neben ihr Auto, und dann sah er den Grabstein.
»Es ist unglaublich, es ist wirklich unglaublich«, murmelte er, doch Kelly hatte nicht das Gefühl, dass er zu ihr sprach, sondern mit sich selber, und dass seine Gedanken in ganz weiter Ferne waren.
Er strich über den Stein, ähnlich behutsam, wie sie es bereits mehr als nur einmal getan hatte, und dabei fiel Kelly auf, dass er sehr schöne Hände hatte.
Nach einer Weile, in der sie unschlüssig neben ihm gestanden hatte, sagte er plötzlich: »Zeigen Sie mir bitte die Stelle, wo Sie den Stein aufstellen wollen, und natürlich interessiert mich auch diese Metallplatte. Was soll da noch gleich draufstehen?«, erkundigte er sich.
Er wusste es, er wollte sie nur provozieren, Kelly war sich sicher, nicht, um sie zu verletzen, sondern aus einer Unsicherheit heraus, weil es da etwas bei ihm gab, was er erst noch verarbeiten musste.
»Kelly und Gordon forever«, wiederholte sie, dann ging sie einfach los, und er hatte Mühe, ihr zu folgen, weil sie so schnell lief.
Ihr Herz wurde wieder weit, als sie um die Ecke bog, und sie war froh darüber, noch immer sicher zu sein, dass dieser Platz beim Ginsterbusch genau der richtige war.
Sie zeigte ihm beides.
Er sagte zunächst nichts, sah sich den Platz für den Grabstein an, dann blieb er lange vor dem kleinen Metalltäfelchen stehen, starrte darauf.
Und wieder war sie der Meinung, dass er mit seinen Gedanken ganz woanders war, irgendwo, was ihn sehr irritierte.
Als er sich ihr zuwandte, hatte er einen ganz weichen Gesichtsausdruck.
»Tut mir leid, dass ich Sie vorhin so angeranzt habe. Mir nicht, und auch sonst niemandem von der Familie, ist diese Tafel jemals aufgefallen. Zumindest wurde sie nie erwähnt. Es ist schon sehr erstaunlich, dass Sie …«, er hielt inne, verlor sich in etwas, um letztendlich zu sagen: »So erstaunlich auch wieder nicht.«
Natürlich hätte sie jetzt gern erfahren, was er damit gemeint hatte, doch dazu ließ er es nicht kommen, er wandte sich ab.
»Okay, bringen wir den Stein hierher. Mit dem Auto herzufahren geht nicht. Aber ich habe eine Schubkarre im Schuppen, die können wir holen.«
Ohne sich weiter um sie zu kümmern, lief er weg, und Kelly stolperte hinter ihm her.
Sie war vollkommen durcheinander, weil das jetzt, nach allem, was geschehen war, die Krönung war … Bradley MacCready …, sie musste sich zusammenreißen, um sich nicht in seine Arme fallen zu lassen.
War das noch normal?
Sie ging zu ihrem Auto, denn aus dem musste der Grabstein schließlich herausgeholt werden, und das wusste Bradley, deswegen brauchte sie ihm nicht wie ein kleines Hündchen bis zu seinem Schuppen nachzulaufen.
Sie legte ihre rechte Hand auf den Grabstein, und merkwürdigerweise beruhigte sie das, und sie hatte auf einmal das Gefühl, dass alles so auf ihren Weg hatte kommen müssen.
Es war kein Zufall, was sie sich immer wieder einzureden versucht hatte, es war eine Fügung des Schicksals, und sie musste es loslassen, durfte nicht versuchen, daran zu drehen.
Bradley kam mit der Schubkarre, hob mit erstaunlicher Kraft, die sie ihm überhaupt nicht zugetraut hätte, den Stein auf die Karre, und da bemerkte Kelly, dass er auch eine Schaufel dabei hatte.
Er lief los, sie ihm hinterher, das kannte sie jetzt schon. Und es stimmte im übertragenen Sinne auch, sie lief ihm hinterher, weil sie ihn wollte.
Sie hatten beizeiten ihr Ziel erreicht, er begann geschickt mit der Schaufel zu hantieren, und sehr bald stand Kellys Grabstein an dem Ort, den sie dafür vorgesehen hatte, und er stand da, als sei er niemals woanders gewesen.
Es fühlte sich gut an, und der Gedanke, dass Kelly MacCready durch diesen alten Grabstein wieder nach Hause zurückgekommen war, machte die lebende Kelly Mortimer so richtig sentimental.
Wäre sie jetzt allein, dann würde sie ganz bestimmt ein paar Tränen der Rührung weinen.
In seiner Gegenwart wäre ihr ein solcher Gefühlsausbruch peinlich, den er vermutlich auch überhaupt nicht verstehen würde.
Schließlich wurde von ihr hier nicht ein naher Angehöriger beerdigt, sondern man hatte lediglich einen adäquaten Platz für einen alten Grabstein gefunden.
Kelly warf ihm einen verstohlenen Blick zu.
Berührte ihn das alles hier überhaupt nicht?
Schließlich ging es um jemanden aus seiner Familie, der durch diesen Stein wieder in die Erinnerung gerufen wurde.
Sie konnte es nicht beurteilen. Doch wieder wurde sie das Gefühl nicht los, dass ihn etwas intensiv beschäftigte, nicht nur das, was ihn sogar beunruhigte.
Kelly gäbe jetzt wirklich gern mehr als nur einen Penny für seine Gedanken. Kelly hätte nicht zu sagen vermocht, wie lange sie einfach so nebeneinander dagestanden hatten, sich so nah und doch so fern.
Er