kam fast flehend, während die Fürsorgerin einen verzweifelten Blick über das Haus gleiten ließ.
Olsen wollte antworten, er hätte nun fast doch die Wahrheit gesagt. Sie standen nun wieder vor der Haustür.
In diesem Augenblick brauste ein schnittiger Sportwagen auf das Haus zu, und heraus sprang eine hübsche junge Dame, die sogleich auf Olsen zueilte.
»Henry. Du Scheusal! Warum läßt du nichts von dir hören? Oh! Wie ich sehe, bist du nicht allein in deiner Eremitenklause. Willst du mich nicht vorstellen?«
Dabei musterte die junge Dame Fräulen Krümel von Kopf bis Fuß.
»Nun, Doris, das ist eine Fürsorgerin. Fräulein Krümel von der Familienfürsorge in Hannover.« Und zu der Fürsorgerin gewandt: »Doris von Ulstett, eine Bekannte.«
Dabei machte Henry Olsen eine mürrische Miene, die der jungen Dame ein helles Lachen entlockte.
»Von der Fürsorge? Hoffentlich hast du nichts ausgefressen, lieber Henry.«
Olsens Stirn rötete sich. »Laß den Unsinn, Doris!« murmelte er beklommen, denn Fräulein Krümel setzte eine höchst abweisende Miene auf.
»Ich glaube, die Kinder befinden sich tatsächlich nicht mehr hier, Herr Olsen«, meinte sie kühl. »Entschuldigen Sie bitte meine Aufdringlichkeit. Ich will Ihre Zeit jetzt nicht länger in Anspruch nehmen.«
Damit wandte sie sich rasch um und ging wieder zu ihrem Wagen.
»O bitte, bitte!« rief Olsen ihr ärgerlich hinterher, obwohl er sich seinen aufsteigenden Ärger selbst nicht erklären konnte.
Nachdenklich starrte er auf die kleine Karte in seiner Hand, bis Doris von Ulstett lächelnd meinte: »Sag mal, Henry, du hast wohl Feuer gefangen bei der netten Person?«
Olsen fuhr auf: »Was? Du bist wohl verrückt geworden! Wieso ist das eine nette Person?« Seine Hand wies zum Wagen.
Doris von Ulstett hob ironisch die Brauen.
»Ich dachte immer, du habest ein Auge für wirklich anziehende Frauen. Nun, mir soll’s recht sein. Aber nun sag’ mir um Himmels willen, warum bist du nicht zum verabredeten Termin nach Hamburg zurückgekehrt?«
Olsen warf ihr einen ungeduldigen Blick zu und entgegnete schroff: »Weil ich etwas Besseres zu tun habe. Ich komme vorerst überhaupt nicht nach Hamburg zurück, meine Liebe. Du wirst dir einen anderen Tennispartner suchen müssen, fürchte ich.«
Darauf verschlug es der jungen Dame zunächst einmal die Sprache, ehe sie tonlos hervorstieß: »Also doch Feuer gefangen bei der aparten Fürsorgerin!«
Seufzend hob Olsen die Schulter und schüttelte den Kopf.
»Kind, das ist eine Amtsperson. Ich wette, du weißt gar nicht, was das bedeutet.«
Doris zog einen Schmollmund, und weil Olsen das nicht mit ansehen konnte, legte er den Arm um ihre Schultern und zog die schlanke Gestalt leicht an seine Brust.
»Sei ein nettes Mädchen und mache ein freundlicheres Gesicht! Ich will etwas mit dir besprechen.«
*
In der Diele schmiegte Doris von Ulstett sich enger an Olsens Brust, wobei sie zärtlich zu ihm aufblickte.
»Willst du mir nicht erst einen Begrüßungskuß geben, du schrecklich kühler Mann?« neckte sie und bot ihm die zartroten, äußerst anziehenden Lippen zum Kuß.
»Aber doch nicht hier!« Henry Olsen schob die schlanke Gestalt ein wenig von sich und warf einen raschen Blick zur Galerie hoch.
»Warum nicht? Wir sind doch allein. Was ist heute bloß mit dir los, Henry? Wenn ich dich nicht so gut kennen würde, müßte ich annehmen, du habest ein schlechtes Gewissen. Aber das hast du eigentlich nie, mein Lieber, weil du niemals etwas falsch machst.«
Seufzend hob Doris von Ulstett die Schultern, denn Henrys Miene zeigte eine ihr fremde Strenge, und sein Griff um ihr Handgelenk lockerte sich nicht im mindesten, als er sie ins Wohnzimmer führte.
»Komm, Mädchen, nicht so vorlaut, ja? Jeder Mensch kann mal einen Fehler machen, auch ich! Wahrscheinlich mache ich im Augenblick den größten Fehler meines Lebens. Dennoch!«
Henry Olsen packte Doris nun an den Schultern und drehte sie ein wenig dem Fenster zu, um ihr eindringlich in die Augen zu blicken.
»Wie steht’s eigentlich mit deinem sogenannten guten Ruf, Liebling?«
Zunächst war die junge Dame völlig sprachlos, dann kicherte sie belustig.
»Sag mal, Henry, ist dir da vielleicht was zu Ohren gekommen? Du bist doch nicht etwa eifersüchtig, mein Lieber? Weißt du, das fände ich einfach süß.«
Abrupt gab Olsen ihre Schultern frei, während er zornig knurrte: »Kann man mit dir denn niemals ernsthaft reden?« Mit der rechten Hand zauste er flüchtig sein volles braunes Haar, ließ dabei keinen Blick vom Gesicht des Mädchens und fragte ziemlich deprimiert: »Also keinen besonders guten Leumund?«
Hilflos, mit tausend Spotteufelchen in den rehbraunen Augen, gab Doris von Ulstett zurück: »Was hast du erwartet, Henry? Wer sich mit dir einläßt, nimmt leicht Schaden an seiner Seele. Wenn ich da an die letzte Eskapade im ›Del Rio‹ denke, als uns plötzlich einige Herren vom Glücksspieldezernat frisch von der Bühne weg verhafteten wegen angeblichen Glückspiels. Dabei hatten wir keine blasse Ahnung, daß im ›Del Rio‹ so was überhaupt betrieben wird. Und das ist nur eine deiner tollen Geschichten, mit denen du die Boulevardblätter fütterst. Natürlich sind deine jeweiligen Gespielinnen auch stets im Gespräch. Aber mir ist das egal, Henry, ich mag dich so, wie du bist.«
Damit trat Doris von Ulstett dicht an Olsen heran und blickte ihn verlangend an.
»Du bist ein faszinierender Mann, der seine Stärke beim weiblichen Geschlecht ausnutzt. Na ja! So was spricht sich herum.«
Old Henry vergaß zunächst einmal seine Sorgen um zwei Waisenkinder und neigte sich tiefer den verlockenden Lippen zu.
Aber heute wollte bei ihm so recht kein Feuer auflodern, und so schob er Doris nach einigen Minuten sanft von sich.
»Schade«, meinte er mit echtem Bedauern und trat zur Hausbar, »wirklich schade, Liebling, aber ohne guten Leumund wird nichts draus. Nimmst du auch einen Whisky? Einen wirst du dir doch genehmigen dürfen. Oder?«
»Was ist schade?« Doris nahm das Glas aus seiner Hand und sah fragend zu Olsen auf. »Daß ich nicht unbedingt als Tugendapostel gelte? Mein Lieber, das überlasse ich den armen Mädchen. Die habe ja nichts anderes als ihren guten Ruf. Ich hingegen werde gestützt durch die Millionen meines alten Herrn. Und wenn ich allzu tugendsam wäre, hättest du mich vermutlich mit keinem Blick gewürdigt. O Henry!«
Lachend hob Doris von Ulstett ihr Glas, leerte es und gab es dem Mann zurück, der ziemlich ratlos in sein Glas starrte. Das bemerkte nun auch Doris, und es machte sie schlagartig ernst.
»Das… das vorhin, Henry, war das ein Heiratsantrag?«
Voll blickten sie sich in die Augen, wobei Olsen ruhig entgegnete: »Ja, das hätte einer sein können, aber es geht nicht. Bitte, sieh mich nicht so an, Liebling, sonst bekomme ich noch den Moralischen. Zum Glück bist du ein sehr vernünftiges Mädchen, das außerdem nichts mehr liebt als seine Freiheit.«
Doris von Ulstett war unter ihrem Make-up blaß geworden.
»Du bist doch nicht krank, Henry? Meine Güte, du wolltest doch niemals heiraten. Was hat dich denn so plötzlich umgestimmt?«
Behutsam legte sie ihre gepflegte Hand auf Olsens Arm.
Seufzend füllte dieser sein Glas nach und sagte dann eigentümlich ernsthaft:
»Ich brauche schnellstens eine grundsolide Frau, weil… weil ich zwei Kinder zu adoptieren beabsichtige. Mein Anwalt ist der Meinung, es führe kein Weg an einer Heirat vorbei, sonst stünden meine Chancen gleich Null.«
Verwundert