Diverse Autoren

Apache Cochise Staffel 1 – Western


Скачать книгу

      »Ich bin für Frieden, Bleichgesicht. Für jeden Weißen, den wir töten, treten zehn, hundert, tausend andere an seine Stelle. Wir Indianer sind wie Inseln in einem Meer von Weißen.«

      John Haggerty gab keine Antwort. Er wußte von alledem und rechnete mit dem Untergang der roten Rasse. Durch die Auflehnung der Indianer wurde er aufgehalten, aber nicht aus der Welt geschafft. Im Norden kämpften sie gegen die Armee und die weißen Eindringlinge, im Süden gegen die expandierenden Mexikaner. Ein hoffnungsloser Kampf.

      »Was kann ich für dein Volk tun, Jefe?« fragte John Haggerty mit einem Würgen in der Kehle.

      »Nichts«, antwortete der Häuptling. »Du allein bist zu schwach.« Er stand auf, streifte Haggerty noch

      einmal mit einem kurzen Blick und ging zum Hüttenausgang. Dort blieb er stehen und sagte über die Schulter: »›Sanfter Wind‹ wird sich von dir mit zwei Pferden verabschieden. Nehmt euch in acht, Bleichgesichter!«

      Und weg war er.

      Was er zurückließ, war der bittere Geschmack der Hilflosigkeit auf Johns Zunge. Der Scout stand neben dem Feuer, den Kopf gesenkt, die

      Augen halb geschlossen. Ein Frosthauch lief über seinen Rücken, und die Kälte, die da heraufkroch, nahm auch Besitz von seinem Denken und Fühlen.

      Das Wummern der großen Trommeln hallte wieder durch die Nacht. Es brach ab, begann von neuem, um dann vom scharfen Keckern der Rasseln und Kürbiskerne kurz unterbrochen zu werden.

      Bill Harwig schlich zum Eingang, lüftete die Decke etwas. Ihm verschlug es die Sprache.

      »Allmächtiger!« stöhnte er. »Jesusmariaundjoseph! Hast du so was schon gesehen, John? Das ist Höllenphantasie, eine Ausgeburt des Jenseits, eine – eine… Mensch, mir verschlägt’s die Sprache.«

      »Was ist los?«

      »Komm her und sieh dir das an!«

      John ging hin, starrte auf eine Szene, die dem Inferno von Dante entnommen sein konnte.

      Zwischen den Hütten brannte ein riesiges Feuer. Um die Flammen tanzte eine Kriegerhorde, halbnackt, die Oberkörper mit Fett eingerieben. Stahl blitzte im züngelnden Flammenschein. Kalter Stahl, mit Bärenfett eingerieben und an einem Sandstein geschärft.

      Ein Heulen und animalisches Brüllen brauste durch das Tal, daß die beiden Weißen glaubten, die Erde berste, und die Hänge glitten donnernd und brausend den aufgestülpten Erdmassen entgegen.

      Die Nacht war keine Nacht mehr, sie wurde zu einem grellbeleuchteten Winkel von Luzifers Reich, zu einem Inferno von Flammen und Heulen. Satans Horden waren losgelassen und steigerten sich durch den Kriegstanz in eine ekstatische Raserei, für die es nicht genügend Worte gab, um sie zu beschreiben.

      »Großer Gott«, flüsterte Bill Harwig entsetzt. »Wenn die über uns herfallen…«

      John sprach mit leiser, drohender Stimme.

      »Sie sollen uns ja vom Hals bleiben, oder der alte Spinner da vorn hat eine Kugel in seinem feisten Wanst.«

      »Wer ist der alte Geißbock?«

      »Einer ihrer Schamanen, was weiß ich. Er schürt zum Krieg gegen die Weißen, Bruderherz. Das kann uns beiden das Leben kosten, noch ehe der Zauber zu Ende geht.«

      »Um Gottes willen, John«, murmelte Bill wie gelähmt. »Ich habe ja schon mehr als einmal erlebt, daß sie uns an den Kragen wollten, aber so doch noch nicht.«

      John Haggerty grinste.

      »Bis jetzt hatten wir immer Schwein gehabt. Wird schon weiterhin klappen.«

      Draußen schnaubte ein Pferd. Es klang von der Rückseite der Hütte. Ein Huf stampfte, ein zweiter. Das kurze Schnaufen klang aus, eine Gebißkette klirrte.

      Bevor sich die beiden Weißen umdrehen konnten, ratschte etwas durch die dünnen Zweige der hinteren Wand und teilte sie. Eine Hand winkte. Diese Hand trug einen weißen Verband. John lief hin, sprang über das inzwischen erkaltete Feuer und – starrte in Tlainas Gesicht. Große Augen sahen ihn an.

      »Komm«, hauchte das Mädchen, »komm schnell!«

      John war verwirrt. Die drängende Stimme verriet höchste Gefahr.

      »Schichobe«, fragte sie, »alter Freund, erkennst du mich?«

      Er nickte. Bill drängte an ihm vorbei, war schon draußen, als John immer noch im Jacale stand und dem mörderischen Gebrülle lauschte.

      »Sikisn«, sagte John leise. »Ich bin dein Bruder.«

      Sie nickte, ergriff seine Hand, zerrte ihn heraus. Als er sie streifte, fühlte er ihre festen Brüste unter der Felljacke. Die Nacht war kalt und dunstig. Den tanzenden Chiricahua schien das nichts auszumachen. Als John Haggerty aufblickte, sah er die gesattelten Pferde vor sich. Ihre eigenen Pferde.

      ›Sanfter Wind‹ drängte sich an ihn, schob ihre gesunde Hand unter sein Hemd. Ihre Finger berührten das Amulett. Sie lächelte und schien befriedigt.

      »Komm!« hauchte sie. »Du mußt fort. Sie betrinken sich mit Tizwin, Cochise wird sie nicht lange zurückhalten können.«

      Das war es. John Haggerty hatte es gewußt. Etwas war eingetreten, was die Rothäute völlig aus dem Häus­chen trieb.

      Die Dunkelheit nahm sie auf und hängte ihren mitleidigen Umhang vor die grausige Szene beim Feuer. Halbblind tappte John in die Finsternis und betete still in sich hinein, daß bald der Mond aufgehen möge.

      ›Sanfter Wind‹ sprach ein leidliches Spanisch. Ihre Stimme klang wie das Geläut von Glocken in einem Kirchenstuhl. Sie drängte weiter, weg von dem unheimlichen Platz.

      Ein schmaler Canyon nahm sie auf, der auf die Mesa führte. Nach einer halben Stunde waren sie oben und rangen schweißgebadet nach Luft. Das Mädchen stand so nahe neben dem Scout, daß er ihren Herzschlag fühlte.

      »Du mußt nach Westen, immer nach Westen, Schichobe. Werden wir uns wiedersehen?«

      Er drehte sich zu ihr herum, nahm ihre Oberarme zwischen seine Hände. Sanft zog er sie an sich.

      Eine elementare Gewalt ging unvermittelt von ihr aus. Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken und küßte ihn.

      John Haggerty fühlte sich plötzlich in den Mittelpunkt ungewollter Geschehnisse gerissen, die ein heftiges Verlangen in ihm auslösten, ein Verlangen nach diesem schönen Indianermädchen. Sie küßten sich wieder und wieder, während Bill grinsend aber diskret sich abwandte und die Pferde mit blinkenden Augen zusahen.

      Als sie beide Atem schöpfen mußten, hielt der Scout das Mädchen von sich ab.

      »Wir sehen uns wieder, das verspreche ich. Ich habe dir und Naiche mein Leben zu verdanken, dafür erhaltet ihr…«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Nicht mir und Naiche, sondern Cochise. Danke ihm, nicht uns.«

      »Wie kann ich das?«

      »Indem du den Krieg verhinderst.«

      »Großer Gott, dafür bin ich nicht der richtige Mann«, sagte er in bescheidener Selbsteinschätzung.

      »Du mußt reiten, Schichobe. Schnell reiten. Der Große Geist sei mit dir.«

      Plötzlich war sie fort, als hätte der Erdboden sie verschluckt. John wollte ihr folgen, sie noch einmal in seine Arme schließen, ihren Herzschlag, ihre Lippen spüren. Aber Bills Zuruf hielt ihn zurück.

      »Benimm dich nicht wie ein balzender Auerhahn, Mensch. Ein Squaw­man hat in diesem Land noch nie viel gegolten. Los, reiten wir!«

      Sie schwangen sich in die Sättel und stoben in die Nacht hinein.

      *

      Santa Magdalena kurz vor Mitternacht. In den beiden führenden Bars stieg die Stimmung auf den Höhepunkt und schien mehr und mehr auszuufern, zu