Kelly Stevens

Fesselnde Spiele


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      »Bei den Themenzimmern stehen immer ein paar Stichworte dabei, was sich darin an Spielzeug befindet. Hier beispielsweise der Bock und verschiedene Schlaginstrumente.« Ich tippe mit dem Zeigefinger auf das Schild neben der Tür. »Die Helligkeit im Raum und die Lichtquellen kann man einstellen. Viele Gäste bevorzugen es dunkler.«

      »Und hier könnte ich jetzt einfach reingehen?«

      »Grundsätzlich ja, wobei auch hier gilt, dass du immer um Erlaubnis bitten musst. Der Top entscheidet, ob er dir Zutritt gewährt oder nicht, für wie lange, und ob du nur zusehen oder eventuell auch mitmachen darfst. Die Entscheidung des Tops ist endgültig und sofort zu befolgen. Ohne Diskussion.« Das hatten wir hier nämlich auch schon. Noch ein Nachteil, wenn plötzlich so viele neugierige Anfänger im Club rumschwirren, die die Regeln nicht kennen oder sie nicht ernst nehmen. Es gibt hier nicht umsonst so viele Regeln. Sie dienen nicht nur dem Schutz der Subs, sondern auch der Doms, selbst, wenn das Viele nicht verstehen wollen. Manche Spielarten hier sind nicht ungefährlich, deshalb muss man sich jederzeit und hundertprozentig darauf verlassen können, dass alle die Regeln kennen und einhalten.

      Daniel blickt immer noch durch das Fenster. Ich schnippe wieder mit den Fingern, um seine Aufmerksamkeit zu mir zurückzuholen. Nach einigen Sekunden folgt er mir.

      Ein paar Meter weiter ist eine Tür geöffnet. »Dieses Zimmer ist gerade leer.« Ich winke ihn herein. »Eins unserer Bondage-Zimmer. Du kannst unsere Seile benutzen oder deine eigenen mitbringen. Wenn du unsere benutzt, rolle sie hinterher genau so auf, wie du sie vorgefunden hast. Wenn du dazu nicht in der Lage bist …«, am liebsten würde ich sagen »dann lass die Finger davon«, beende meinen Satz aber mit: »… dann sag bitte in der Bar Bescheid, damit sich jemand schnellstmöglich darum kümmern kann. Die Zimmer werden nach jeder Session aufgeräumt und die Geräte gereinigt, aber die große Putzkolonne kommt erst am Vormittag. Also verlasse einen Raum am besten so, wie du ihn vorfinden möchtest.«

      Daniel nickt. Braver Junge. Ich hoffe, er meint es auch so.

      Auf dem Rückweg kommen wir an einer Tür vorbei, die mit ‚privat‘ gekennzeichnet ist. »Oben sind Frankies Privaträume, hier haben Gäste keinen Zutritt.« Selbst ich war noch nicht dort. Ich weiß, dass sein Büro oben ist, und ich vermute, dass ab und zu die eine oder andere Dame dort nächtigt, aber letztendlich geht es mich nichts an.

      Im Erdgeschoss zeige ich Daniel noch die Duschen, die perfekt bestückt sind, sodass man selber nichts mitbringen muss, bevor ich auf die Treppe zeige, die abwärts führt. »Zu den Verliesen geht es dort lang.«

      Er folgt mir fast ein bisschen zu eifrig. Sollte das sein geheimer Fetisch sein? Eine Frau in einen Käfig sperren und mit nachgemachten mittelalterlichen Folterwerkzeugen quälen?

      Hier unten ist alles offener gehalten, man hat weniger Privatsphäre als in den Spielzimmern im ersten Stock. Aber selbst, als wir an stöhnenden Pärchen und schreienden Frauen vorbeigehen, verzieht Daniel keine Miene. Komischer Kunde. Oder schon so abgestumpft, dass ihn das alles nicht mehr anregt? Dabei sieht er noch so jung aus.

      Im letzten Kerker steht eine rothaarige Frau, vor der ein Mann kniet, dem ein Plug im Anus steckt. Ich lächele anzüglich. »Dies ist Madame Xenia, sie ist eine der wenigen Dominas hier im Club. Und dies dort ist ihr Hund. Falls du auf so etwas stehst.«

      »Petplay? Nein, danke.« Daniel ist nicht aus der Ruhe zu bringen. Und er scheint doch mehr Ahnung von der Szene zu haben, als ich dachte. Verdammt. Ich mag es nicht, wenn ich nicht die Kontrolle habe.

      »Kontaktaufnahme vorzugsweise in der Bar. Du kannst auch ohne eigene Sklavin kommen, manche haben nichts dagegen, wenn jemand mitspielt, aber es werden keine fremden Sklavinnen angefasst ohne ausdrückliche Erlaubnis des Herren. Ansonsten gibt es bei kleineren Verstößen eine Verwarnung, bei schwerwiegenden sofort Hausverbot.«

      »Verstanden.«

      »Das Geschäftliche regelt Frankie. Es gibt Probemitgliedschaften und reguläre Mitgliedschaften. Wenn du dich entschließt, Mitglied zu werden, stimmst du zu, dass dein Background gecheckt wird – Erfahrung mit BDSM, Vorlieben und Tabus, Gesundheitszustand, und dass du tatsächlich derjenige bist, der du vorgibst zu sein. Beim BDSM basiert viel auf Vertrauen. Dem Vertrag liegt ein Regelwerk bei, das dem Schutz aller Spielpartner dient.«

      »Selbstverständlich.«

      »Gut. So, Ende der Führung.« Mit aufgesetztem Lächeln komme ich neben der Bar zum Stehen. »Hast du schon etwas gesehen, das dich interessiert?«

      Der Blick, den er mir aus blauen Augen zuwirft, ist plötzlich sehr hart und klar und gar nicht mehr jugendlich-verträumt. »Oh ja, das habe ich.«

      Trotzdem nehme ich es ihm nicht ab. Vielleicht sollte ich ihn gleich warnen, bevor er die schmerzhafte Erfahrung am eigenen Leib macht, Probemitgliedschaft hin oder her. »Tut mir leid, aber glaube mir, das hier ist nichts für dich. Sei klug und bleib diesem Club in Zukunft fern.« Selbst, wenn ich Frankie damit einen Gast vergraule, noch mehr Anfänger, die nicht wissen, was sie tun, kann sich der Club nicht mehr erlauben, oder es geht rapide bergab und Frankie wird sein Lebenswerk verlieren.

      »So, glaubst du?«

      Selbst seine Stimme klingt nicht wie die eines Masters.

      »Daniel, du eignest dich nicht zum Dom. Ich spüre so etwas. Akzeptiere es einfach.«

      Er sieht mich einen Moment lang fast prüfend an, bevor er sanft lächelt. »Wir sehen uns, Katherine.«

      Zuhause

      Auf dem Nachhauseweg kehre ich noch bei dem kleinen Lebensmittelgeschäft um die Ecke ein, das rund um die Uhr geöffnet hat, um mir einen Schokoriegel zu kaufen. Den habe ich nach der Session mit Henry und Ashley sowie der Begegnung mit Daniel wirklich nötig.

      Der indische Ladeninhaber, der mich gut kennt und weiß, dass ich meistens pleite bin, schenkt mir noch zwei übrig gebliebene Gemüsesamosas aus der Warmhaltetheke, die ich direkt esse, genauso wie den Schokoriegel.

      Eine Querstraße weiter schließe ich die Haustür zu dem viktorianischen Reihenhaus aus dunklen Backsteinen in West Kensington auf und gehe leise die Treppe hinauf in den dritten Stock. Die Wohnung teile ich mit Joanna und Nadire, beide wie ich Anfang Zwanzig.

      Das Türschloss klemmt wieder einmal, aber ich bemühe mich, so leise wie möglich zu sein. Insbesondere Joanna, die morgens früh aufstehen muss, ärgert sich, wenn ich sie nachts wecke. Deshalb habe ich bereits im Club geduscht und nicht hier, weil sich ihr Zimmer direkt neben dem Badezimmer befindet.

      In der Hoffnung, dass Joanna nicht aufwacht, stelle ich den Wasserkocher an und mache mir einen heißen Tee. Ein Blick in den Kühlschrank zeigt, dass wir keine Milch mehr haben, und Zucker scheint es auch keinen mehr zu geben.

      Leicht genervt verziehe ich mich mit meinem dampfenden Getränk in mein Zimmer und werfe mich in Klamotten aufs Bett. Inzwischen trage ich Jeans und einen Hoodie, nicht mehr das kurze Lederkleid. West Kensington ist zwar ein einigermaßen ruhiges Pflaster, aber ich will mein Glück trotzdem nicht herausfordern, indem ich nachts in Fetischkleidung alleine durch London laufe.

      Wie gut, dass der Club fußläufig ist, denn um diese Zeit fahren keine U-Bahnen mehr, und die Nachtbusse kommen hier nicht vorbei. Zwanzig Minuten, wenn man nicht gerade in High Heels unterwegs ist. Auch das war ein Grund, mich für diesen Club zu entscheiden.

      Ich seufze und betrachte ein paar Spinnweben an der Decke. Die dazugehörige Spinne muss schon vor Monaten an Altersschwäche gestorben sein, denn ich habe sie noch nie gesehen, und auch die Spinnweben hängen schon lange dort. Inzwischen stören sie mich nicht mehr.

      Zwei Jahre lebe ich jetzt schon in London. Zwei Jahre, und keinen Schritt weiter gekommen. Aus der vielversprechenden Jungdesignerin ist jemand geworden, der in Sexclubs arbeitet und sich ab und zu vorführen lässt, um ihre Miete bezahlen zu können. Immerhin nicht als Prostituierte, sondern als Model und Assistentin. Darauf habe ich bestanden, und Frankie hat zugestimmt, weil er wusste, dass er mich nur zu diesen Bedingungen bekommt: Keinen Sex.