R.L. Stine

Fear Street 56 - Die Wette


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zu. „Er wohnt direkt neben mir. In der Fear Street.“

      Dennis sah mich mit offenem Mund an. „Was? Du wohnst direkt neben Northwood?“

      Ich nickte. „Kannst du es glauben? Ich sehe ihn ständig. Er hängt dauernd in seinem Garten herum, sogar im Winter. Es ist ... es ist, als hätte man einen Spitzel aus der Schule als Nachbarn. Ich habe immer das Gefühl, von ihm beobachtet zu werden. Klar weiß ich, dass das nicht sein kann. Aber trotzdem ...“

      Ich merkte, dass ich ins Schwafeln geriet. Wahrscheinlich war ich einfach zu erleichtert darüber, dass Mr Northwood unsere teuflischen Pläne, wie wir ihn um die Ecke bringen könnten, nicht gehört hatte.

      Und außerdem fühlte es sich gut an, sich Dennis anzuvertrauen.

      Normalerweise bin ich Jungs gegenüber eher schüchtern. Aber plötzlich hatte ich das Gefühl, offen mit Dennis reden zu können. Es war, als hätten wir dieselbe Wellenlänge.

      „Northwoods Nachbarin. Seltsam“, murmelte Dennis, während er den Reißverschluss seiner graubraunen Schuljacke hochzog. „Echt seltsam.“ Krachend schlug er die Tür seines Spinds zu und schulterte seinen Rucksack.

      „Es ist schon seltsam genug, in der Fear Street zu wohnen“, murmelte ich.

      Er kicherte. „Glaubst du diese Geschichten etwa? Die Gerüchte über Gespenster und unheimliche Gestalten, die sich in der Fear Street herumtreiben sollen?“

      „Mr Northwood ist die unheimlichste Gestalt, die ich jemals dort gesehen habe!“, witzelte ich.

      Wir lachten beide.

      Jetzt gingen wir nebeneinander auf den Ausgang zu, der zum Parkplatz führte. Ein paarmal berührten sich sogar unsere Schultern.

      Es war ein kribbelndes Gefühl für mich. Sehr aufregend.

      „Dennis ist echt ein Supertyp“, dachte ich. „Er sieht so gut aus mit dem schwarzen Haar über der breiten Stirn und den funkelnden grünen Augen.“

      Ich muss zugeben, dass es toll war, mit einem der beliebtesten Jungs den Flur der Schule entlangzugehen. Plötzlich wünschte ich mir, dass der Gang nicht leer wäre. Es wäre mir viel lieber gewesen, wenn alle mitgekriegt hätten, dass Dennis und ich zusammen die Schule verließen.

      Wir traten aus dem Gebäude hinaus in den düsteren grauen Nachmittag. Die Luft war feucht und schwer.

      Dennis betrachtete die tief hängenden Wolken. „Sieht nach Schnee aus. Ich bin froh, dass der Coach das Training für heute abgesagt hat.“ Er steuerte den Parkplatz an, und ich folgte ihm.

      „Vielleicht trinkt er noch eine Cola mit mir“, dachte ich hoffnungsvoll.

      Vor meinen träumerischen Augen tauchte folgendes Bild auf: Dennis und ich sitzen uns in einem Café in einer Nische gegenüber, halten Händchen und schauen uns tief in die Augen.

      Was für ein Wunschbild!

      Ich holte tief Luft und nahm all meinen Mut zusammen, um ihn zu fragen, ob er noch Lust auf eine Cola hätte. „Äh ... Dennis ...?“

      Als ich sah, in welche Richtung Dennis ging, brach ich jedoch ab.

      Er lief direkt auf das kleine rote Auto zu, das am Parkplatzausgang mit laufendem Motor wartete.

      Auf Carols kleinen roten Zweisitzer.

      Ich konnte sie hinter dem Steuer erkennen. Sie lächelte und winkte Dennis zu, während wir uns dem Wagen näherten.

      Schließlich drehte Dennis sich zu mir um. „Sorry“, sagte er. „Ich würde dir ja gern anbieten, dich nach Hause zu fahren, aber es ist leider kein Platz mehr.“ Er zuckte die Schultern und ging zur Beifahrertür, um einzusteigen.

      „Das macht nichts, Dennis“, erwiderte ich mit einem teuflischen Grinsen. „Ich werde schon genügend Platz schaffen.“

      Ich riss die Fahrertür auf und packte Carol mit einer Hand am Arm. „Raus hier“, befahl ich ihr.

      „Spinnst du?“ Carols dunkle Augen weiteten sich vor Schock. „Was?“

      „Verschwinde!“, schrie ich.

      Ich umklammerte ihren Arm noch fester. Dann griff ich mit der anderen Hand in ihr dunkelbraunes Haar und packte ein dickes Büschel.

      Sie wehrte sich, als ich anfing, an ihren Haaren zu zerren.

      Doch ich war zu stark für sie.

      Ich zog sie an den Haaren aus dem Auto, stieß sie zu Boden und verpasste ihr einen so heftigen Fußtritt, dass sie bewusstlos wurde.

      Dann setzte ich mich ans Steuer, schlug die Autotür zu und fuhr mit Dennis an meiner Seite davon.

      Er starrte mich voller Staunen und Bewunderung an.

      Kapitel 5

      Danach wurde Dennis klar, dass wir zusammengehörten. Er ließ Carol wie eine heiße Kartoffel fallen, und wir lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende unserer Tage.

      Könnt ihr das glauben?

      Nie im Leben.

      Natürlich zerrte ich Carol nicht wirklich aus ihrem Auto heraus.

      Natürlich spielte sich diese kleine wilde Szene nur in meinem Kopf ab.

      In Wirklichkeit stand ich da und schaute zu, während Dennis in das Auto stieg. Carol tat so, als würde ich nicht existieren.

      Dann fuhr sie mit Dennis weg. Dennis drehte sich noch nicht einmal um.

      Und ich blieb allein zurück. Nur in meiner Fantasie rächte ich mich an Carol.

      Warum habe ich bloß solche gewalttätigen Tagträume?

      Warum stelle ich mir dauernd vor, ich würde anderen einen Kinnhaken verpassen und sie Treppen oder Felsvorsprünge hinunterstoßen?

      Warum male ich mir ständig aus, wie ich die allerschrecklichsten Schandtaten begehe?

      Wahrscheinlich, weil ich im wahren Leben so ein erbärmlicher Feigling bin.

      Eine Woche später blieb im Geschichtsunterricht ein Stuhl frei. Dennis war mit seiner Familie auf die Bahamas gereist.

      „Armer Dennis“, dachte ich verbittert. „Er versäumt morgen die Zwischenprüfung. Das wird hart für ihn, wenn Mr Northwood seine Meinung nicht ändert.“

      Ich saß in der hintersten Reihe neben Melody. Sie hielt einen Taschenspiegel hoch und bürstete ihr perfektes blondes Haar.

      Ich hatte das ganze Schuljahr über neben Melody gesessen, und dennoch hatte sie kaum zwei Worte mit mir geredet. Jeden Nachmittag setzte sie sich auf ihren Stuhl, legte ihr Heft auf den Tisch und kämmte sich das Haar.

      Was für eine arrogante Zicke! Melody war immer perfekt gestylt. Sie trug französische Designer-Jeans, die stets frisch aus der Reinigung kamen. Und auch fast all ihre T-Shirts und Pullover waren von irgendwelchen teuren Marken.

      Einmal sah ich, wie sie sich weiße Socken für den Sportunterricht anzog, und sogar ihre Socken waren von einem Designer! Designer-Tennissocken!

      Melody hatte einen perfekten kleinen Kussmund, eine perfekte kleine Stupsnase und eine perfekte reine Haut. Alle Jungs standen voll auf sie. Ich hielt sie nur für eine eingebildete Kuh.

      Jedenfalls saßen wir an diesem trüben grauen Nachmittag in der hintersten Reihe. Ich dachte an Dennis. Wahrscheinlich war er in diesem Augenblick bei strahlendem Sonnenschein am Strand und schwamm im glitzernd blauen Meer.

      Vorne im Klassenzimmer schaltete Mr Northwood seinen kleinen Kassettenrekorder an und stellte ihn auf die Ecke seines Pults. „Wisst ihr, warum ich den Unterricht aufnehme?“, fragte er. „Weil ich ihn mir hinterher nochmal zu Hause anhöre.“

      Dann räusperte er sich, und sein großer Adamsapfel hüpfte unter dem grauen Rollkragenpullover auf und