Danny King

MORDSJOB - The Hitman Diaries


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ihn beim Einkaufen oder im Pub oder beim Squash oder wie er mit einer Bande Verlierer im Pfadfinderheim rumhängt und mit Modelleisenbahnen spielt. Man lernt seine Gewohnheiten kennen, findet heraus, wann er am angreifbarsten ist und schlägt genau in dem Moment zu. Je besser man jemanden kennt, desto weniger bleibt dem Zufall überlassen. Einmal bin ich einem Typen drei Wochen lang auf Schritt und Tritt gefolgt, bevor ich ihn erledigte. Ich lernte ihn so gut kennen, dass es sich fast anfühlte, als würde ich einen Freund umlegen. Diesen Luxus hatte ich bei Alan Carpenter allerdings nicht. Ich konnte ihn nur ein paar Tage lang observieren, bevor ich handeln musste. Es war also extrem wichtig, dass wir unsere gemeinsame Zeit sinnvoll verbrachten. Dass er eines natürlichen Todes sterben sollte, machte die Sache nicht einfacher, weil ich dafür ein bestimmtes Zeitfenster brauchte. Andererseits gab es im Fall Alan Carpenter auch eine Reihe von Umständen, die sich zu meinen Gunsten auswirkten: Erstens war er Mitglied des Stadtrates, zweitens war er schwul und drittens hatte er eine Katze. Vielleicht versteht ihr nicht auf Anhieb, wie diese drei Dinge ihn zu einem leichteren Ziel machten, also lasst es mich erklären.

      Erstens war er als Ratsherr höchstwahrscheinlich ein Arschloch. So ein typischer paragraphenreitender, gestärkte Unterhosen tragender, Präzedenzfälle zitierender Vollidiot, der streng nach Vorschrift lebte und seine Nachbarn anzeigte, sobald sie auch nur ein Vogelhäuschen ohne Baugenehmigung aufstellten. Dieser Verdacht bestätigte sich schon, als ich ihm zwei Tage lang gefolgt war und Carpenter bei seinem Nachbarn anschellte, um ihn zu fragen, warum er am dritten Tag nach der Leerung noch immer nicht seine Mülltonne hereingeholt hatte.

      »Ich wollte nur mal gucken, ob alles in Ordnung ist«, sagte er mit vorgetäuschter Besorgnis.

      »Warum lassen Sie mich nicht einfach in Ruhe?«, kam die Antwort.

      Zweitens war er als Schwuler wahrscheinlich niemand mit einem Haus voller Familie. Vielleicht hatte er einen Liebhaber, der bei ihm wohnte, oder eine Reihe männlicher Besucher, die jeden Abend erst an seine Vorder- und dann an seine Hintertür klopften, aber bestimmt keine Kinder. Er hatte mehr Freiheiten, würde mehr Zeit mit sich selbst verbringen und es schallte nicht das fröhliche Lachen kleiner Augenzeugen durchs Haus. Wie sich herausstellte, hatte Alan Carpenter keine feste Beziehung, was einerseits praktisch war, andererseits die Gefahr spontaner Unternehmungen mit sich brachte. Das Letzte, was man braucht, wenn man jemanden umbringen will, ist, dass er sich eine Horde Typen aus dem Park für eine Pyjamaparty mit nach Hause bringt. Für den Fall der Fälle hatte ich mir von Logan einen Lieferwagen geliehen.

      Als Letztes war da noch die Katze. Dieses hübsche kleine Wesen, das mir schnurrend um die Füße strich und durchs Haus hinterherlief, während ich alles für Alan vorbereitete, wollte jeden Abend gefüttert werden. Stadtrat Carpenter musste nach Hause kommen.

      Ich liebe Katzen. Sie sind großartig: intelligent, anschmiegsam, liebenswert, und diese war ganz besonders niedlich, weshalb es mir schwerfiel, sie hochzunehmen und ihr ein paar Klapse zu geben. Leider war es notwendig. Seht ihr, wenn man sich bei jemandem im Gästezimmer versteckt hat und darauf wartet, dass er nach Hause kommt, kann man keine Katze brauchen, die miauend vor der Tür steht und unbedingt zu einem hereinwill, weil man sie den ganzen Tag gestreichelt hat. Ein bisschen Schütteln und Anknurren reicht normalerweise aus, damit sie um das Gästezimmer und den furchtbaren Kerl darin für den Rest des Abends einen weiten Bogen macht.

      Da war ich also an einem Freitagnachmittag. Weniger als eine Woche, nachdem ich von Alan Carpenters Existenz auf dem Planeten erfahren hatte, wartete ich in seinem Gästezimmer darauf, dass er von der Arbeit nach Hause kam und ich dieser Existenz ein Ende bereitete. Alle Vorbereitungen waren getroffen. Da es eine natürliche Todesursache werden sollte, war ich sicherheitshalber ein oder zwei Stunden vor Stadtrat Carpenters Dienstschluss eingebrochen, um die Lage zu sondieren und alle Vorkehrungen zu treffen, damit ich ihn ohne viel Stress und Theater ausschalten konnte. Nur ein Kratzer auf seinem pausbäckigen Gesicht oder ein Schrei in der Nacht, und die Theorien um das Dahinscheiden unseres Lieblingsverwaltungsbeamten würden sich nicht mehr nur um sein schwaches Herz drehen.

      Wie geht man also vor? Nun, es gibt diverse Möglichkeiten, jemanden ruhigzustellen, aber ich finde die einfachste am besten: Schlaftabletten im Wasserkocher.

      Wie ich schon sagte, hatte ich Alan seit Tagen beobachtet, und mit das Erste, was er am Feierabend tat, war, sich eine schöne Tasse Tee aufzubrühen, die er vor dem Fernsehen zu den Nachrichten schlürfte. Vier oder fünf extra starke Schlaftabletten ins »Teekesselchen«, wie Logan es zu nennen pflegte, sollten also dafür sorgen, dass er selig in seinem Lieblingssessel einschlummerte, reif für die Ernte.

      Und genauso geschah es. Alan Carpenters letzter Eindruck von unserer reichhaltigen bunten Welt war eine Reportage über die Anzahl der Beschäftigten im staatlichen Gesundheitswesen sowie den Einfluss expandierender privater Unternehmen auf Neueinstellungen, also vermute ich, dass er als glücklicher Mann starb. Ungefähr eine Stunde nachdem er aufgehört hatte, sich zu bewegen, schlich ich nach unten und fand ihn schlafend wie einen Toten – entschuldigt das Wortspiel. Zuerst spülte ich seine Tasse und den Wasserkocher gründlich aus. Schließlich sollte Alans Arzt nicht nach dem Unterschreiben der Sterbeurkunde in die Küche schlendern und den Nachbarn zusammen mit ein paar Bullen bewusstlos um den Tisch versammelt finden. Da würden bestimmt die Alarmglocken losgehen.

      Nachdem das erledigt war, machte ich mich daran, Stadtrat Carpenter die Treppe hochzuwuchten. Er war ein schwerer Kerl und ich musste all meine Körperbeherrschung aufwenden, damit ich ihm nicht am Geländer den Kopf einschlug. Das ging nur, indem ich seine Arme nahm, ihn nach vorne auf mich rollte und ihn auf meinem Rücken hinaufschleppte wie einen Sack Kohlen. Als ich endlich oben war und ihn aufs Bett fallen ließ, war ich völlig erschöpft. Zum Glück hatte ich noch reichlich Zeit und konnte mich für einen Moment hinsetzen und zu Atem kommen, bevor ich weitermachte.

      Die Katze steckte ihren Kopf zur Tür herein, um mal nachzusehen, was ich so trieb. Ich streichelte sie versöhnlich, kraulte sie unterm Kinn und schon waren wir wieder Freunde. »Sorry noch mal«, murmelte ich und nahm mir vor, eine Dose Whiskas für sie zu öffnen, bevor ich das Haus verließ.

      Jetzt, wo er auf dem Rücken lag, schnarchte Alan wie eine Kreissäge. Ich zog ihm die Kleidung aus, faltete alles ordentlich zusammen und legte es auf den Stuhl am Fußende des Bettes. Die Katze spielte mit, indem sie mit den Krallen nach seiner grauen Flanellhose schlug, als die an ihrem Kopf vorbeikam.

      Alan lag bald im Adamskostüm vor mir und sah darin so richtig scheiße aus.

      »Diese Schwulen haben wirklich kein Niveau, stimmt’s?«, flüsterte ich der Katze zu. »Ich meine, sieh dir ihn an und dann sieh dir mich an, aber ich wette, er steckt öfter einen weg als ich.«

      Die Katze hatte nicht wirklich eine Meinung zu dem Thema, obwohl sie mich ansah, als ob sie sagen wollte: »Na gut, hier ist deine Chance, nur zu!«

      Ich holte die Spritze aus meinem Köfferchen und zog die Plastikschutzhülle ab. Insulin. Das war der Inhalt der Spritze. Wir alle haben es von Natur aus im Körper und wir brauchen es zum Überleben, aber wenn man zu viel davon hat, kommt man in ziemliche Schwierigkeiten. Diabetiker können selbst kein Insulin produzieren, deswegen müssen sie sich das Zeug täglich spritzen, um ihren Blutzucker im Griff zu behalten. Für einen Diabetiker bedeutet eine Insulinspritze Leben, für einen Nichtdiabetiker bedeutet sie den Tod. Schon seltsam, oder? Mutter Natur hat einen echt ironischen Sinn für Humor.

      Wenn ihr jetzt daran denkt, das zu Hause auszuprobieren, solltet ihr wissen, dass überhöhte Insulinwerte bei einer Obduktion auf jeden Fall ans Licht kommen. Die Zeiten von mysteriösen fernöstlichen Toxinen, vergifteten Pfeilen und Agatha Christie sind lange vorbei, falls es sie überhaupt je gegeben hat. Beim heutigen Stand der Wissenschaft ist es so gut wie unmöglich, jemanden auf eine Weise zu töten, die nicht nachgewiesen werden kann, und das ist der Grund, warum der Tod so inszeniert werden muss, dass erst gar kein Verdacht aufkommt.

      Daher gibt es keine Kratzer, blauen Flecken oder Abschürfungen. Die Kleidung ist ordentlich gefaltet. Er liegt in seinem Schlafanzug im Bett – was, ob ihr es glaubt oder nicht, der Ort ist, an dem die meisten von uns auschecken werden. Die Katze ist gefüttert. Er ist ein großer, träger Fettsack. Man muss kein Genie sein, um zu dem Schluss zu kommen, dass er im Schlaf einen Herzinfarkt