Emile Zola

Das Paradies der Damen


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er nicht, kam Frau von Boves zur Tür des kleinen Salons.

      »Man verlangt nach Ihnen, Herr Mouret«, sagte sie. »Es ist gar nicht höflich von Ihnen, sich so in einen Winkel zu verkriechen und von Geschäften zu sprechen.«

      Er machte gute Miene zum bösen Spiel, die beiden Herren erhoben sich und begaben sich in den Salon.

      »Ich stehe Ihnen ganz zu Diensten, meine Damen«, sagte Mouret mit einem Lächeln auf den Lippen.

      Lautes Rufen empfing ihn. Er mußte näher herankommen, die Damen machten ihm Platz in ihrer Mitte. Herr von Boves und Vallagnosc standen am Fenster und unterhielten sich, während Herr Marty, der eben erst gekommen war, offenbar äußerst bestürzt dem Gespräch der Damen über ihre Toilettensorgen folgte.

      »Bleibt es dabei, daß der Sonderverkauf am nächsten Montag stattfindet?« fragte Frau Marty.

      »Gewiß«, erwiderte Mouret mit schmelzender Stimme, einem Tonfall, den er immer annahm, sowie er mit Frauen sprach.

      »Wir gehen nämlich alle hin«, bemerkte Henriette. »Man erzählt sich, daß Sie wahre Wunder vorbereiten.«

      »Wunder?« meinte er mit geheuchelter Bescheidenheit. »Ich bin nur bestrebt, mich Ihres Vertrauens würdig zu erweisen.«

      Nun drangen sie mit Fragen in ihn. Frau Bourdelais, Frau Guibal und selbst Blanche wollten Näheres wissen.

      »Erzählen Sie uns doch etwas darüber«, wiederholte Frau von Boves eindringlich. »Wir sterben vor Neugierde.«

      Sie umringten ihn, als Henriette bemerkte, daß er noch keinen Tee bekommen habe. Alle waren untröstlich; ihrer vier auf einmal wollten sie ihn bedienen, nur unter der Bedingung allerdings, daß er ihre Neugierde befriedige. Henriette goß den Tee ein, Frau Marty hielt die Tasse, während Frau von Boves und Frau Bourdelais sich um die Ehre stritten, ihm Zucker zu geben. Er weigerte sich, Platz zu nehmen, und trank seinen Tee stehend; sie nahmen ihn in die Mitte, er war gefangen im engen Kreis ihrer Röcke. Mit leuchtenden Blicken und lächelndem Mund sahen sie zu ihm auf.

      »Was ist mit Ihrer Seide, mit Ihrem ›Pariser Glück‹, von dem alle Zeitungen sprechen?« fragte Frau Marty ungeduldig.

      »Oh, das ist etwas Außerordentliches!« erwiderte er. »Ein festes und doch überaus schmiegsames Gewebe ... Sie werden ja sehen, meine Damen ... Sie finden den Stoff nur bei uns, denn wir haben das Alleinverkaufsrecht erworben.«

      »Wirklich? Eine schöne Seide zu fünf Franken sechzig!« rief Frau Bourdelais begeistert. »Es ist kaum zu glauben!«

      Seit das Lob dieser Seide durch die Reklame in alle Winde getragen wurde, nahm sie im Leben der Damen einen bedeutenden Platz ein. Sie sprachen nur davon, und in der geschwätzigen Neugierde, mit der sie den jungen Mann bestürmten, zeigte sich jede einzelne von ihnen in ihrer unverwechselbaren Eigenart: Frau Marty, die in ihrer Leidenschaft fürs Geldausgeben im »Paradies der Damen« wahllos alles zusammenkaufte; Frau Guibal, die stundenlang darin herumspazierte, ohne etwas zu kaufen, schon zufrieden mit der Augenweide; Frau von Boves, die ewig in Geldverlegenheiten war und mit gierigen Blicken die Waren verschlang, die sie sich nicht leisten konnte; Frau Bourdelais mit ihrem bürgerlich vernünftigen und praktischen Sinn, die nur auf die günstigen Angebote losging und auch in den großen Warenhäusern die Besonnenheit und das Geschick der guten Hausfrau zur Geltung brachte; endlich Henriette, die in allen Dingen Wert auf höchste Eleganz legte und im »Paradies der Damen« nur bestimmte Dinge kaufte, wie ihre Handschuhe, Wollwaren und einfachere Wäsche und dergleichen.

      »Wir haben noch andere erstaunlich schöne und billige Stoffe«, fuhr Mouret mit seiner einschmeichelnden Stimme fort; »so empfehle ich Ihnen unsere ›Goldhaut‹, einen Taft von unvergleichlichem Glanz; dann Phantasieseiden in reizenden Mustern, die unser Einkäufer mit besonderer Sorgfalt ausgewählt hat; und was die Samte betrifft, so finden Sie bei uns ein reiches Sortiment in allen Farben ... Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß man in diesem Jahr sehr viel Wollstoffe tragen wird.«

      Sie unterbrachen ihn nicht mehr. Sie hatten den Kreis um ihn fest geschlossen; mit einem Lächeln auf den halbgeöffneten Lippen standen sie da, das Gesicht gespannt, als strebe ihr ganzes Wesen dem Versucher zu. Er aber fuhr fort, zwischen seinen Sätzen immer wieder einen Schluck Tee zu trinken, und bewahrte die Ruhe eines Eroberers. Angesichts dieser Verführungskunst, die sich selbst zu beherrschen wußte, aber stark genug war, um dermaßen mit den Frauen zu spielen, fühlte Baron Hartmann, der Mouret nicht aus den Augen ließ, seine Bewunderung für den jungen Mann immer mehr wachsen.

      Frau Bourdelais, die ihre Besonnenheit bewahrt hatte, meinte nun:

      »Nicht wahr, der Resteausverkauf ist am Donnerstag? ... Da will ich lieber warten, denn ich habe alle meine Kleinen anzuziehen.«

      Sie wandte sich zu der Dame des Hauses und fragte:

      »Läßt du noch immer bei der Sauveur arbeiten?«

      »Mein Gott, ja«, erwiderte Henriette. »Die Sauveur ist sehr teuer, aber außer ihr gibt es niemanden in Paris, der ein anständiges Kleid zu machen versteht. Und Herr Mouret mag sagen, was er will: man findet bei ihr die schönsten Muster – Muster, die es sonst nirgends gibt. Ich mag es nicht, wenn ich meine Kleider bei allen Leuten wiederfinde.«

      Mouret lächelte geheimnisvoll; dann gab er zu verstehen, daß auch Frau Sauveur ihre Stoffe bei ihm kaufe. Gelegentlich allerdings übernehme sie gewisse Muster, für die sie sich das Alleinverkaufsrecht sichere, direkt vom Fabrikanten; aber ihre schwarzen Seiden beispielsweise beziehe sie ausschließlich beim »Paradies der Damen«. Sie decke sich dort immer wieder erheblich ein und verkaufe ihre Vorräte dann zu doppelten und dreifachen Preisen weiter.

      »Ich bin sicher«, schloß er, »daß ihre Leute auch unser ›Pariser Glück‹ aufkaufen werden. Warum sollte sie denn in der Fabrik für den Stoff mehr zahlen als bei mir? Mein Ehrenwort: wir verkaufen die Seide mit Verlust.«

      Das war der letzte Schlag, den er gegen die Damen führte. Der Gedanke, etwas unter dem Einkaufspreis zu bekommen, stachelte in ihnen alle Leidenschaften der Frau auf, deren Genuß doppelt ist, wenn sie den Kaufmann zu übervorteilen glaubt. Er wußte, sie würden einem billigen Angebot nicht widerstehen können.

      »Bei uns wird alles zu Spottpreisen verkauft!« rief er vergnügt, während er den Fächer von Frau Desforges vom Tischchennahm.

      »Sehen Sie diesen Fächer: ich weiß nicht, was er gekostet hat ...«

      »Die Chantillyspitze fünfundzwanzig Franken, das Gestell samt der Arbeit zweihundert«, sagte Henriette.

      »Schön: die Spitze ist nicht teuer, obwohl Sie bei uns die gleiche für achtzehn Franken bekommen. Was aber die Verarbeitung betrifft, liebe gnädige Frau, so sind Sie abscheulich betrogen worden; ich mache mich anheischig, ein ganz ähnliches Stück um neunzig Franken zu beschaffen.«

      »Ich sagte es ja!« rief Frau Bourdelais.

      »Neunzig Franken!« murmelte Frau von Boves; »da muß man in der Tat eine Bettlerin sein, um sich das zu versagen.«

      Sie nahm den Fächer und betrachtete ihn von neuem, und in ihrem regelmäßigen Gesicht, in ihren großen, schmachtenden Augen spiegelte sich die nur mühsam zurückgehaltene Begierde. Abermals machte der Fächer die Runde unter den Damen. Herr von Boves und Vallagnosc hatten inzwischen das Fenster verlassen. Der Graf war hinter Frau Guibal getreten und starrte mit undurchdringlicher Miene in ihren Ausschnitt. Als er den schmerzlichen Blick auffing, mit dem seine Frau dem Fächer folgte, hielt er es für gut, auch etwas zu dem Thema