Circumlocution Office unangetastet gelassen und die Sache nie berührt hätte. Dann faßte er einen Wagenlenker oder Diener von dem Circumlocution Office ins Auge, der hinter der Schranke saß, und schmetterte den ehrenwerten Gentleman mit dem Bericht des Circumlocution Office über diese Sache nieder. Und wenn auch immer eines von zwei Dingen der Fall war: nämlich, daß das Circumlocution Office nichts zu sagen hatte und doch etwas sagte oder daß es etwas zu sagen hatte, wovon der edle Lord oder der sehr ehrenwerte Gentleman die eine Hälfte verwischte und die andre Hälfte vergessen hatte: das Circumlocution wurde doch stets durch eine geringfügige Majorität für unschuldig erklärt.
Das Departement, von dem die Rede, war durch eine lange Karriere dieser Art eine solche Pflanzschule für Staatsmänner geworden, daß verschiedene ernste Lords in den Ruf überirdischer Wunder von Geschäftsgewandtheit kamen; bloß deshalb, weil sie an der Spitze des Circumlocution Office Übung darin bekommen: »wie man's nicht machen müsse.« Was die geringeren Priester und Trabanten dieses Tempels betraf, so war das Resultat von alledem, daß sie in zwei Klassen geschieden waren und, bis zu dem jüngsten Boten herab, entweder an das Circumlocution Office als an ein dem Himmel entstammendes Institut glaubten, das ein Recht habe, zu tun, was ihm beliebe, oder zum totalen Unglauben ihre Zuflucht nahmen und es als ein fürchterliches Übel betrachteten.
Die Familie Barnacle hatte längere Zeit das Circumlocution Office verwalten helfen. Die Linie Tite Barnacle glaubte namentlich verbriefte Rechte in dieser Richtung zu haben und nahm es übel auf, wenn eine andere Familie viel darin zu sagen hatte. Die Barnacles waren eine sehr hohe und sehr große Familie. Sie waren über alle Bureaus verbreitet und hatten alle Arten von öffentlichen Stellen im Besitz. Entweder hatte die Nation große Verpflichtungen gegen die Barnacles oder hatten die Barnacles große Verpflichtungen gegen die Nation. Man konnte sich nicht entscheiden, was wirklich der Fall war: die Barnacles hatten ihre Ansicht, die Nation die ihrige.
Mr. Tite Barnacle, der zu jener Zeit, von der die Rede, den Beamten an der Spitze des Circumlocution Office gewöhnlich dirigierte oder festschnallte, wenn das edle oder sehr ehrenwerte Individuum etwas unbequem im Sattel saß, weil irgendein Vagabund in einer Zeitung eine Lanze mit ihm gebrochen, war reicher an Wut als an Geld. Als ein Barnacle hatte er seine Stelle, und zwar eine ziemlich bequeme; und als ein Barnacle hatte er natürlich auch seinen Sohn Barnacle junior im Bureau untergebracht. Aber er hatte sich mit einem Zweige der Familie Stelzenfuß verschwägert, die im Punkte des Blutes gleichfalls vermögender war als im Punkte des Grundbesitzes und des beweglichen Eigentums. Aus dieser Ehe waren Barnacle junior und drei junge Damen entsprossen. Was die patrizischen Anforderungen von Barnacle junior, den drei jungen Damen, Mrs. Tite Barnacle, einer geborenen Stelzenfuß, und ihm selbst betrifft, so fand Mr. Tite Barnacle den Zeitraum zwischen Quartal und Quartal weit länger, als er hätte wünschen mögen; ein Umstand, den er stets der Sparsamkeit des Landes in die Schuhe schob.
Es war die fünfte Nachfrage nach Mr. Tite Barnacle, die Mr. Arthur Clennam eines Tages auf dem Circumlocution Office machte. Er hatte den Gentleman zuvor nacheinander in einer Halle, einem Glassalon, einem Wartezimmer und einem feuerfesten Durchgang erwartet, die in dem Geschäftskreise des Bureaus zu liegen schienen. In diesem Augenblick war Mr. Barnacle nicht wie sonst mit dem edlen Wunder an der Spitze des Departements beschäftigt, er war abwesend. Barnacle junior dagegen wurde als ein geringerer, aber am Horizonte der Anstalt sichtbarer Stern angekündigt.
Er gab den Wunsch zu erkennen, mit Barnacle junior zu sprechen, und fand diesen jungen Gentleman, wie er seine Waden an dem väterlichen Feuer wärmte und das Schienbein an den Kaminmantel stemmte. Es war ein komfortables Zimmer, hübsch möbliert wie ein besseres Bureau, und trug den prunkhaften Charakter des abwesenden Barnacle zur Schau. Davon zeugten der dicke Bodenteppich, das mit Leder überzogene Schreibpult, das mit Leder überzogene Stehpult, der große bequeme Stuhl und der üppige Teppich vor dem Kamin, der Feuerschirm, das aufgeschnittene Papier, die Depeschenkapseln mit kleinen Zetteln, die daraus hervorsahen wie Zettel aus Medizinflaschen oder Preiszettel an Wildbret, der vorherrschende Leder- und Mahagonigeruch und das allgemeine betrügerische Gepräge des »wie man's nicht machen müsse.«
Der anwesende Barnacle, der Mr. Clennams Karte in der Hand hielt, hatte ein jugendliches Aussehen und den zartesten Anflug von Backenbart, den man vielleicht je gesehen. Sein nacktes Kinn war so schwach mit Flaum umsäumt, daß es halb flügge schien wie ein junger Vogel. Ein mitleidvoller Beobachter wäre sicher der festen Überzeugung gewesen, daß, wenn er seine Waden nicht gewärmt hätte, er sicher vor Kälte gestorben wäre. Er hatte ein vorzügliches Monokel, das an seinem Hals hing, besaß jedoch unglücklicherweise so flache Augenhöhlen und so schwache kleine Augenlider, daß es nicht festhalten wollte, wenn er es in den Augenwinkel klemmte. Daher baumelte es beständig an seinen Westenknöpfen mit einem Ticktack hin und her, was ihm sehr ärgerlich war.
»Wie gesagt. Sehen Sie! mein Vater ist nicht zugegen und kommt auch heute nicht«, sagte Barnacle junior. »Kann ich Ihnen mit etwas dienen?«
(Tick! Das Augenglas herunter. Barnacle junior war sehr erschrocken und tappte überall umher, konnte es aber nicht finden.)
»Sie sind sehr gütig«, sagte Arthur Clennam. »Ich wünsche Mr. Barnacle selbst zu sprechen.«
»Aber wie gesagt! Sehen Sie, Sie haben keine Bestellung?« sagte Barnacle junior.
(Inzwischen hatte er sein Augenglas gefunden und es wieder eingeklemmt.)
»Nein«, sagte Arthur Clennam. »Das ist's eben, was ich wünschte.«
»Aber wie gesagt. Sehen Sie! Ist es eine öffentliche Angelegenheit?« fragte Barnacle junior.
(Tick! Da hing das Augenglas wieder, und Barnacle war so ganz und gar mit Suchen beschäftigt, daß Mr. Clennam es im Augenblick für unnötig hielt, zu antworten.)
»Betrifft es vielleicht«, sagte Barnacle junior, das braune Gesicht des Fremden ins Auge fassend, »Schiffszoll oder etwas Derartiges?«
(Einen Augenblick auf Antwort wartend, öffnete er sein rechtes Auge mit der Hand und klemmte sein Glas so energisch hinein, daß das Wasser herauszulaufen begann.)
»Nein«, sagte Arthur, »es handelt sich um keinen Schiffszoll.«
»So, so. Ist es eine Privatangelegenheit?« »Ich weiß wirklich nicht genau. Es betrifft einen Mr. Dorrit.«
»Sehen Sie, ich will Ihnen etwas sagen! Sie würden besser tun, wenn Sie zu Hause bei uns vorsprächen, falls Sie etwa der Weg hinführt. Nummer vierundzwanzig, Mews Street, Grosvenor Square. Mein Vater hat einen leichten Anfall von Gicht und muß deshalb das Zimmer hüten.«
Der junge Barnacle, der jetzt offenbar auf der Augenglasseite blind werden mußte, schämte sich jedoch, in seinen peinigenden Anstrengungen wegen des Monokels sich Erleichterung zu verschaffen.
»Ich danke. Ich werde dort vorsprechen. Guten Morgen.«
Der junge Barnacle schien verdutzt, da er nicht erwartet hatte, daß der Fremde gehen werde.
»Sind Sie ganz gewiß«, sagte Barnacle junior, ihm nachrufend, als er zur Tür ging, da er die schöne Geschäftsidee, die er gefaßt, nicht ganz aufgeben wollte: »wirklich gewiß, daß es sich nicht um Schiffszoll handelt?«
»Ganz gewiß.«
Mit dieser Versicherung und nicht besonders begierig zu wissen, was geschehen würde, wenn es sich um Schiffszoll gehandelt hätte, zog sich Mr. Clennam zu weiteren Nachforschungen zurück.
Mews Street, Grosvenor Square war nicht gerade Grosvenor Square selbst, aber es war doch ziemlich nahe dabei. Es war eine häßliche, kleine Straße von einförmigen Mauern, Ställen und Düngerhaufen, mit einem Stockwerk über Wagenschuppen, der von Kutscherfamilien bewohnt wurde. Diese zeigten eine Leidenschaft für Wäschetrocknen und zierten ihre Fensterbänke mit Miniaturschlagbäumen. Der Hauptschornsteinfeger dieses vornehmen Viertels wohnte am einen Ende von Mews Street, und in derselben Ecke befand sich ein in der Dämmerung viel besuchtes Etablissement, worin Wein und Bratenfett verkauft wurde. Die Requisiten zum Kasperletheater pflegten an den Mauern von Mews Street zu lehnen, während deren Direktoren irgendwo speisten;