Sandra Newman
Himmel
Aus dem Englischen von Milena Adam
Für Howard
Inhalt
1
Ben lernte Kate auf einer Party kennen. Die Gastgeberin war reich, er kannte sie nicht persönlich. Es war eine dieser Partys, wo niemand die Gastgeberin kannte. Er war mit einer Arbeitskollegin der Cousine der reichen Gastgeberin gekommen, die er im Gedränge sofort verloren hatte. Ursprünglich war ein Abendessen geplant gewesen, doch die Einladungen hatten sich verselbstständigt, waren wie eine Epidemie von Freunden an Freunde weitergereicht worden, und schließlich gab es an die hundert Zusagen. Also öffnete die reiche Gastgeberin beide Etagen, machte Bowle statt Risotto und bestellte bei einem chinesischen Restaurant tausend Teigtaschen. Es war August, und man musste den Dingen ihren Lauf lassen. Das war jedenfalls ihre Einstellung, denn sie alle waren damals in ihren Zwanzigern.
Auf der Party wurde hauptsächlich Französisch gesprochen, ruhiges Geplauder erfüllte die Räume; es war eine Party mit in die Nacht hinaus geöffneten Fenstern, mit Leuten, die auf dem Boden saßen und sich unterhielten. Die Festbeleuchtung bestand überwiegend aus kleinen solarbetriebenen Lichtern, die die reiche Gastgeberin den ganzen Tag über zum Aufladen an die Feuertreppe gehängt hatte, um sie dann an den Wänden anzubringen. Das Licht spiegelte sich weich in den schweren Gläsern, in die der Wein geschenkt wurde. Es gab noch nicht einmal Musik. Die reiche Gastgeberin sagte, sie bekäme Alpträume davon. New York City – alle machten gerade ein Praktikum bei Condé Nast oder irgendeinem Fernsehsender oder der UN. Alle waren ein bisschen verliebt ineinander; wir schreiben das Jahr 2000 im wohlhabenden Westen.
Ben sprach an jenem Abend mit einem Dutzend junger Frauen. Er war nicht ernsthaft auf Partnersuche. Er hatte einen Job und promovierte, insofern hatte er keine Zeit für emotionale Anstrengungen. Trotzdem war es nett, hier und da ein bisschen zu flirten, die Macht zu spüren, die damit einherging, attraktiv und über eins achtzig groß zu sein. Ein Abend der aufgeschlossenen Körperhaltungen und geöffneten Lippen; eine so wohlige Seligkeit, als würde man auf einer Treppe in die Lüfte emporsteigen.
Um ein Uhr morgens stieg er in den Aufzug, um Zigaretten zu holen. Kate stand draußen auf der Eighty-Sixth Street, mit dem Hund der reichen Gastgeberin, der Gassi gehen musste. Sie trug ein locker sitzendes Kleid, das nicht wie ein Partyoutfit aussah; zunächst war er sich nicht sicher, ob sie zur Party gehörte. Dann erkannte er den Hund, Terriermischling mit einem Hauch Dackel, langgestreckt und zottelig. Süß. Ben blieb stehen, um den Hund zu streicheln.
Er ging los und kaufte seine Zigaretten. Als er zurückkam, stand Kate noch immer an derselben Stelle. Er blieb stehen, um zu rauchen. Fünf Minuten lang redeten sie zusammenhangsloses Zeug, dann war es, als würde ein Schalter umgelegt. Der Straßenlärm verstummte. Sie lächelten einander wortlos an. Schon in diesem Moment begann das seltsame Gefühl.
Kate sagte: »Wie heißt du?«
»Pedro«, sagte Ben.
Sie lachte. »Ach, ich hab dich schon gefragt, oder? Du hast was anderes gesagt.«
»Nein.« Er lächelte albern. »Ich glaube nicht, dass du mich gefragt hast.«
»Doch, aber ich weiß nicht mehr, was du gesagt hast.« Sie nickte dem Hund zu. »Ihren Namen habe ich auch vergessen. Wenn wir jetzt die Stadt verlassen, irgendwo hinfahren, wo niemand uns kennt, dann hättet ihr beiden keine Namen.«
»Ich könnte Pedro sein.«
»Nein, ich weiß, dass du nicht Pedro bist.«
»Ich könnte Rumpelstilzchen sein.«
»Abgemacht.«
Er lachte, sie jedoch nicht. Sie stand einfach da, lächelte ihm ihre Zuneigung entgegen. Er rauchte seine Zigarette zu Ende. Dann hätte er zurück zur Party gehen sollen, was er aber nicht konnte. Es war sonderbar.
Und sie unterhielten sich eine Weile über den Hund und darüber, wie es wäre, nach Südamerika durchzubrennen, über das Boot, auf dem sie leben und die Schmuggler, denen sie begegnen würden, und die Sonnenuntergänge über dem türkisfarbenen Meer mit seinen Stränden voller Blaukrabben, und es fühlte sich an, als wären sie noch jünger als ohnehin, als hätten sie noch keine Jobs.
Kate hatte