John Maynard Keynes

Krieg und Frieden


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und unter dem Titel Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrages im Frühsommer 1920 im Verlag von Duncker & Humblot veröffentlicht. Zeitgleich erschienen Ausgaben der Economic Consequences in dänischer, flämischer, schwedischer, italienischer, spanischer, rumänischer, russischer, japanischer und chinesischer Sprache. Wie schon beim englischen Original trug Keynes die Kosten für Drucklegung und Übertragung in allen Fällen selber. Daß er dies auch für die deutsche Ausgabe tat, kann daher nicht, wie wiederholt behauptet wird, als ein Ausweis besonderer Germanophilie gelten.

      In Großbritannien und den USA werden die Economic Consequences bis heute umstandslos in voller Länge nachgedruckt. Für eine Kürzung sprach indes die Tatsache, daß insbesondere die beiden Kapitel zum Friedensvertrag und zur Wiedergutmachung für den heutigen Leser allzu minutiöse Darstellungen der Versailler Friedensbedingungen enthalten. Was seinerzeit als notwendige Aufklärung über weitgehend Unbekanntes willkommen geheißen wurde und noch bis ins Detail interessierte, wirkt im Abstand von rund hundert Jahren für ein allgemeines Lesepublikum teilweise übergenau. Um Keynes’ Kritik zu würdigen, müssen wir beispielsweise nicht der Frage nachgehen, ob die Nichtberücksichtigung der »Versenkung von 675 Fischereifahrzeugen mit 71765 Bruttotonnen oder die Beschädigung und Belästigung von 1885 Fahrzeugen mit 8007967 Tonnen« bei der Berechnung der Erstattungskosten für durch feindliche Handlungen verlorene »2479 englische Fahrzeuge ausschließlich Fischerboote mit einer Gesamtzahl von 7759090 Bruttotonnen« bei einem Kostensatz von 600 Mark »den vielleicht überhohen Betrag der Erstattungskosten wieder ausgleichen«27 mag. Der prinzipiellen Argumentation des ansonsten glänzend geschriebenen Buches tut der Verzicht auf diese Passagen keinen Abbruch.

      Hinzu kommt, daß einige der von Keynes präsentierten Zahlen, die zumeist auf Schätzungen und Unterlagen des britischen Schatzamts aus den Jahren 1916 bis 1919 beruhten, überholt sind. Dies ist nicht erst heute so. Schon die Übersetzer Carl Brinkmann und Moritz J. Bonn verspürten 1920 »die Versuchung, durch kleine Abänderungen […] das Buch in jeder Hinsicht mit den Tatsachen der jüngsten Gegenwart in Einklang zu bringen«28, ließen aber schließlich Keynes’ Angaben stehen. Dabei war sich Keynes des oft unausweichlich Spekulativen seiner eigenen Ziffern, das damals aufgrund mangelnder Statistik genauso für die von anderer Seite angesetzten Zahlen galt, im übrigen vollkommen bewußt. So schrieb er etwa im Anschluß an eine zehnseitige Diskussion des Umfangs der deutschen Förderverluste an Steinkohle durch die Gebietsabtrennungen des Versailler Vertrags: »Die Bedeutung des Gegenstands hat mich zu einer etwas ausführlichen statistischen Zergliederung veranlaßt. Es ist klar, daß den dadurch erreichten Zahlen nicht allzu viel Bedeutung beizulegen ist, weil ihre Richtigkeit nur angenommen und zu zweifelhaft ist, aber der allgemeine Charakter der Tatsachen tritt unwiderstehlich hervor.«29 In einer langen Fußnote widmete er sich anschließend noch der Frage, inwieweit die deutsche Braunkohlenerzeugung, die in seinen Berechnungen nicht enthalten sei, als denkbares zukünftiges Substitut für Kohlenverluste möglicherweise mitgezählt werden solle. Der Wiederabdruck derartiger Abschnitte, die bereits von Keynes mit zahlreichen Fußnoten oft auch technischer Art versehen worden sind, hätte somit einen weiteren und umfangreichen Anmerkungsapparat erfordert, den allenfalls ein kleiner Kreis von Spezialisten goutieren würde.

      Sinnvoller erschien es daher, Keynes’ Buch um die genannten, in ihrem Zahlenwerk allzu detailfreudigen oder überalterten Passagen zu kürzen und mit Krieg und Frieden den bis heute gültigen argumentativen Kern sowie die eindrücklichen atmosphärischen Schilderungen zu präsentieren. Legitim erschien dieses Verfahren nicht zuletzt deshalb, weil bereits Keynes selbst sowohl kurze Zusammenfassungen der Economic Consequences veröffentlicht als auch einzelne Kapitel und Abschnitte an anderer Stelle publiziert hat.30

      Bezogen auf die Seitenangaben der englischsprachigen Ausgabe von 200731 enthält Krieg und Frieden im einzelnen die folgenden Auszüge: Seite 1–36, 75–84, 104–105, 112–117, 127–143, 147–164 und 168–169.

      D. H.

      VORBEMERKUNG DES ÜBERSETZERS

      Der Stil des Ökonomen John Maynard Keynes ist in dem hier vorliegenden Werk durchaus eigenartig. Es herrscht ein fast singuläres Ineinander von urbanem Sarkasmus, anekdotischen Erzählungen (die romanhaften Zügen der Zeitgeschichte faszinierten diesen homme de lettres) und dem Versuch, streng argumentativ und mit statistischer Empirie den Wahnwitz bestimmter politischer Strategien aufzuweisen und zu bekämpfen. Dieses Zusammenspiel von Trockenheit und unruhigem Zorn läßt einen Mann erkennen, der eigentlich Schmähungen und apokalyptische Warnungen ausstoßen möchte, sich aber zur Ruhe zwingt und zu geordneten Darlegungen. Der Text ist dementsprechend charakterisiert durch gewisse Widersprüchlichkeiten, die sich nun einmal ergeben, wenn ein kluger, leidenschaftlich engagierter und angesichts der Torheit seiner Zeitgenossen vor Ungeduld vergehender Mann versucht, einen komplizierten Zusammenhang sachlich zu erläutern.

      Die widersprüchlichen Züge des Buches – dicht nebeneinander große Verknappung und eine gewisse Redundanz, Neigung zu einer traditionellen Rhetorik neben lakonischer Sachlichkeit – machen es paradox lebendig. Es gehört trotz seines wissenschaftlichen Anspruchs offen in die Tradition des Pamphlets. Die immer wieder hervorbrechenden Beschwörungen der ersehnten Großherzigkeit und Menschlichkeit in der Politik und im Umgang der Völker miteinander haben etwas Bewegendes: Sie zeigen den lange Zeit (in der Tat gerade etwa ein Jahrhundert lang) ideologiekritisch verhöhnten Humanismus, einen Humanismus, der den Nachweis führen will, daß er recht hat, in ohnmächtiger Größe. Diese Verbindung von Emotionalität, Ironie und soziologisch-ökonomischer Trockenheit gibt dem Buch seinen besonderen Reiz. Bei der Übersetzung wurde deshalb vermieden, die Friktionen zwischen den verschiedenen Elementen irgendwie zu mildern.

      Die Geldsummen, die Keynes fast ausschließlich in Dollar angibt, werden (dem Beispiel der nützlichen zeitgenössischen deutschen Übersetzung von Bonn und Brinkmann aus dem Jahr 1920 folgend) mit wenigen gekennzeichneten Ausnahmen hier in Reichsmark ausgedrückt. Jene Übersetzung wurde für die deutsche Ausgabe im Berenberg Verlag 2006 verwendet; an ihre Stelle tritt nun die vorliegende Neuübertragung.

      J. K.

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