das ihnen bei ihren Ermittlungen deutlich weiterhalf. Bei ein paar Tannen, die in einem durch einen Zaun von der Koppel abgetrennten Bereich der Wiese standen, lag etwas Dunkles. Es war eine kleine Tasche.
„Hey, Karla, ich glaube, ich habe einen wichtigen Anhaltspunkt“, rief sie und hielt ihrer Freundin das Fundstück unter die Nase.
„Mach es auf, ich will wissen, was darin ist. Hoffentlich hilft uns das weiter.“ Karla rieb sich gespannt die Hände.
Die Tasche war nass und matschig, schien aber aus einem Material zu sein, das wasserundurchlässig war. Was auch immer sich darin befand, es war durch den Regen der vergangenen Nacht nicht beschädigt worden. Julia öffnete vorsichtig den Verschluss der Tasche und zog ... einen Fotoapparat heraus.
„Du hattest recht“, staunte Karla, „wer auch immer gestern Nacht hier war, hatte einen Fotoapparat dabei und hat ihn in der Hektik verloren, als er flüchten wollte.“
„Gut möglich“, stimmte Julia zu.
Doch noch mehr ins Staunen kamen die beiden, als sie sahen, was das Display der Digitalkamera zeigte. Zuerst hatten sie nichts darauf erkennen können, da die Sonne sehr hell schien und sie blendete. Doch als sie genauer hinschauten, entdeckten sie, dass das zuletzt geschossene Bild zu sehen war, das eindeutig in der Nacht geknipst worden war, denn das Foto war extrem dunkel. Trotz alledem konnten sie doch das Objekt erkennen, das der Fotograf mit der Linse eingefangen hatte. Aufgeregt klickte Karla ein Bild zurück, um auch die anderen Fotos zu begutachten, die von dem Unbekannten aufgenommen worden waren. Alle Bilder, die sich auf der Speicherkarte des Apparats befanden, zeigten nur ein Motiv.
„Das ... das ist ja ... Karamba!“, stammelte Karla verwirrt. Warum hatte man ihr Pferd bei Nacht fotografiert, noch dazu so oft? Morgan le Fay, die nicht wirklich anders aussah als ihr Bruder, war hingegen kein einziges Mal geknipst worden. Was hatte das alles zu bedeuten?
Ratlos blickten sich Julia und Karla an. Keine der beiden konnte auch nur ahnen, auf wessen Fährte sie gerade gestoßen waren.
*
Wer ist der Unbekannte?
An den Kotflügeln des schwarzen Sportwagens klebten mehrere überdimensional große Matschbrocken und über den Rest des eigentlich noblen Autos waren die Spritzer von ein paar gewaltigen Pfützen verteilt. Der Besitzer lehnte sich an sein Gefährt und machte sich prompt seinen schwarzen Pullover schmutzig. Das bemerkte er allerdings nicht, denn in diesem Moment war der Tank seines Autos wieder voll und er konnte den Zapfhahn herausnehmen. Er machte sich eilig auf den Weg zur Kasse, bezahlte und kaufte sich gleich noch ein mit Schinken und Salat belegtes Brötchen, in das er wenig später herzhaft hineinbiss, während er den Motor seines Schlittens startete. Sobald er sich auf der Landstraße befand, beschleunigte er das Tempo und drehte das Radio auf volle Lautstärke.
Eine Weile fuhr er so dahin, doch dann kamen ihm Zweifel und er bog in einen Feldweg ein und hielt an. Mit einem Griff auf die Rückbank vergewisserte er sich, dass der dunkelblaue Rucksack noch da war. Zur Kontrolle holte er ihn hervor und kippte den gesamten Inhalt auf den Beifahrersitz. Die Verpackung eines Schokoriegels kam zum Vorschein. Eine Dose Hustenbonbons, zwei Päckchen Zigaretten und ein etwas altmodisches Handy, das schon einiges erlebt zu haben schien, denn es war stark verkratzt und die Knöpfe waren kurz davor, sich aus ihrer Verankerung zu lösen. Doch das, was er suchte, befand sich nicht in seinem Gepäckstück. Ungläubig schüttelte er den Rucksack, nur um festzustellen, dass auch das nichts half.
Wo war der Fotoapparat? Er musste hier drin sein. Die Bilder, die er geschossen hatte, waren wichtig. Wenigstens ein paar hatte er machen können, bevor das Gewitter ihm einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Nervös fuhr er sich mit der Linken, an der er eine breite, fleischige Narbe hatte, durch die kurzen schwarzen Haare und stopfte die Sachen in den Rucksack zurück.
Karla hatte gerade ihre Augen aufgeschlagen, als ihre Mutter am nächsten Morgen das Zimmer betrat. „Aufstehen, Karla, du musst in die Schule“, meinte sie fröhlich, woraufhin ihre Tochter den Kopf einzog und wieder unter der Bettdecke verschwand.
Da betrat Cindy den Raum und machte kurzen Prozess, indem sie Karla einfach die Decke wegzog. Diese sah nun ein, dass Widerstand zwecklos war, und stand auf. Wieder schien die Sonne vom wolkenlosen Himmel und es war vermutlich schon recht warm draußen. Karla durchforstete ihren Kleiderschrank nach einem T-Shirt, zog eine knielange Jeans an und frühstückte. Dann holte sie ihre Schultasche aus ihrem Zimmer, verabschiedete sich von Cindy und ihren Eltern und holte ihr Fahrrad aus dem Abstellraum. Glücklich schwang sie sich aufs Rad und machte sich auf den Weg in die Schule. Erste Stunde: Mathematik!
Die Sonne, die schon vor ein paar Stunden aufgegangen war, stand jetzt knapp über einem Bergrücken und tauchte die Welt in ein orangegelbes Licht. In den Bäumen sangen bereits die Vögel und ein paar hübsche Blumen blühten am Wegesrand. Karla genoss die Fahrt. Es war nicht weit bis zu ihrer Schule. Nur etwa zehn Minuten mit dem Rad.
Als Karla ihr Mountainbike in den Fahrradständer schob, kam ihr schon Emma entgegen. Sie lehnte sich lässig gegen die Wand des Schulgebäudes und wartete geduldig, bis ihre beste Freundin das Fahrradschloss an ihrem Bike angebracht hatte.
„Ich muss dir was erzählen“, meinte Karla, nachdem sie ihr Rad gesichert und ihren Fahrradhelm an einer Schlaufe ihrer Schultasche befestigt hatte. „Vorgestern Nacht bei dem Gewitter hat Julia eine Person oben an der Koppel beobachtet. Wir haben ein bisschen Detektiv gespielt und einen Fotoapparat gefunden.“
„Hey, das passt exakt zu Julias Vermutung mit dem Auto!“
„Sieht eigentlich so aus, aber ... auf dem Display der Kamera war das zuletzt geschossene Bild zu sehen und das passte eindeutig nicht zu Julias Theorie. Das Foto zeigt nämlich keine Blitze oder Wolken, sondern Karamba. Wir haben weitergeklickt und herausgefunden, dass sich auf dem Apparat ausschließlich Bilder von meinem Pferd befinden. Und von Morgan kein einziges. Komisch, oder? Warum schießt jemand mitten in der Nacht Bilder von Karamba, das verstehe ich nicht!“
Emma überlegte eine Weile, doch ihr fiel keine plausible Erklärung ein. „Wirklich mysteriös, aber kein Grund zur Panik. Es wird sich sicherlich alles aufklären.“
Ja, das sollte es, aber nicht so harmlos, wie die Mädchen zunächst vermuteten.
Auf dem Weg zum Klassenraum trafen die beiden auf Joel, Karlas Freund. Sie begrüßte ihn freudig und berichtete ihm kurz von den Geschehnissen am Wochenende.
„Ich habe tolle Nachrichten“, berichtete Joel ebenfalls aufgeregt. „Ich werde die ganzen Sommerferien auf Teneriffa verbringen. Meine Eltern haben gestern gebucht. Richtig cool, den ganzen Sommer mit Sonne, Strand und warmem Wetter zu verbringen.“
Karla freute sich für ihren Freund, war allerdings auch ein bisschen enttäuscht, da sie gehofft hatte, in den Sommerferien Zeit mit Joel verbringen zu können. Diese Hoffnung war gerade zerplatzt.
Die beiden Mädchen schlenderten zum Klassenzimmer, wo sie ihre Schultaschen vor der Tür abstellten und sich auf den Weg zum Vertretungsplan vor dem Lehrerzimmer machten. Dort trafen sie Ronja und deren beste Freundin Sarah. Ronja, genannt Ronny, kam aus einer steinreichen Familie. Ihr Vater war der Chef einer Schmuckfirma und verdiente dementsprechend viel. Ronja bewohnte mit ihren Eltern eine große weiße Villa am Stadtrand, an die ein sorgfältig angelegter und gut gepflegter Privatpark grenzte, in dem auch ihre beiden Englischen Vollblüter Sunday und Cloony Lynn Cora mit ihrem nun fast einjährigen Fohlen Littlefoot, das Ronja Sarah geschenkt hatte, untergebracht waren. Sie behausten einen weißen, noblen Stall mit geräumigen Boxen und allerlei Luxus, an den ein großer Springplatz angrenzte. Ronja war eine exzellente Springreiterin und hatte schon an einigen großen Turnieren erfolgreich teilgenommen.
Sarah, ein eher unscheinbares Mädchen, wich nicht von Ronnys Seite. Die Luxusvilla ihrer Freundin war so etwas wie ihre zweite Heimat. Man hätte sagen können, die beiden seien wie Schwestern, auch wenn das vielleicht etwas übertrieben gewesen wäre.
Anfangs konnten sich Ronja und Emma nicht ausstehen,