Bernt Danielsson

Die Diskette


Скачать книгу

erinnerte ich mich an die ochsenblutfarbenen, frischgeputzten Schuhe, die ich beim Hereinkommen gesehen hatte. Sie standen auf jeden Fall nicht mehr da, wo sie gestanden hatten, da standen statt dessen eine Paar durchweichte Wildlederslipper.

      „Gehören die dir?“ fragte ich und deutete auf die Schuhe.

      Schröder hörte sofort mit dem Suchen auf und starrte sie an.

      „Mir! Spinnst du? Die sind ja höchstens Größe 35. Ich habe gedacht, die gehören dir.“

      „Nein, meine stehen da drüben.“

      „Dann sind es ...“

      Und es gab gar keinen Zweifel. Es waren Rashmals durchnäßte Wildlederslipper.

      „Das darf doch wohl nicht wahr sein“, jaulte Schröder und hieb die Fleischeraxt mit großer Kraft in den Fußboden, wo sie mit einem unangenehmen Geräusch steckenblieb. „Zum Teufel auch“, brummte er bekümmert und versuchte, sie wieder herauszuziehen. „Was ist nur mit den Leuten los? Einfach hereinkommen und Schuhe klauen! Und die alten dalassen. Was? Ich werde sofort den Einwanderungsminister anrufen! Das geht doch einfach nicht ...Uuupps!! Verfluchte Hacke!!“ brüllte er, weil die Schneide der Fleischeraxt sich gelöst hatte und er wie eine Kanonenkugel nach hinten fuhr. Er wurde sehr wirkungsvoll vom gleichen Stapel mit Bildern aufgehalten wie ich. Die Rahmen knackten und man hörte ein ritschendes Geräusch. Er lehnte sich an die Wand und schaute traurig herab.

      „Meinst du, daß er Lena kennt?“ fragte ich, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. „Ich meine Rashmal. Wir können sie ja fragen, wenn sie kommt.

      „Rashmal? Pah! Ich wette, daß er nicht mal Rashmal heißt. Das hat er bestimmt nur erfunden“, sagte er und inspizierte den Rahmen des obersten Bildes. „Schau, was du gemacht hast“, sagte er. „Ich habe genau gesehen, daß du dich daran festgehalten hast.“

      „Das wollte ich nicht“, sagte ich.

      „Das will ich hoffen. Lernt ihr denn in der Schule nicht mehr, ein bißchen achtsamer zu sein. Verdammt, alles kostet doch Geld!“

      „Mopeds beispielsweise“, sagte ich säuerlich, aber ich glaube nicht, daß er die Spitze verstand, denn er zuckte nur mit den Schultern und seufzte.

      „Hast du gesagt, daß er nach einer gewissen Linda gefragt hat?“

      „Ja, aber es könnte ja auch Lena gewesen sein, das ist ja ziemlich ähnlich.“

      „Ziemlich ähnlich? Lena und Linda? Das ist ja wohl nicht ähnlicher als Leningrad und Lidköping. Dieser verdammte Curryknilch! Hat der meine Schuhe geklaut! Die waren scheißteuer! Extra bestellt, nach Maß von Hand genäht. Direktimport aus den Rocky Mountains. Was für ein Tag, kann ich nur sagen!“

      „Wann wollten Lena und Norling denn kommen?“

      „Psst!“ zischte Schröder plötzlich.

      „Aber wollte sie nicht bloß ...“

      „Halt die Klappe, Kevin“, knurrte er.

      Da wurde ich ärgerlich, weil ich nicht fand, daß es nötig war, so grob mit mir umzugehen. Ich protestierte lautstark, aber Schröder warf sich auf mich und hielt mich mit festem Griff am einen Oberarm fest. Als ich versuchte, mich zu befreien, drückte er so fest zu, daß es richtig weh tat.

      „Psst!“ zischte er noch einmal und schaute mich durchdringend an. „Hörst du es nicht?“

      Und da hörte ich es auch – schleichende Schritte vor der Haustür.

      4

      Bogarts Kidnapping

      Die Schritte kamen näher bis direkt vor die Haustür. Das sind bestimmt Norling und Lena, dachte ich und versuchte, Schröders Hand über meinem Mund wegzuschieben. Aber er drückte nur noch fester zu und starrte auf die Türklinke. Sie bewegte sich nach unten, weil jemand vorsichtig prüfte, ob die Tür verschlossen war.

      Danach war es eine Weile still, und dann schepperte die Klingel, die oben im Flur angebracht war. Chandler bellte laut und kam in vollem Galopp die Treppe runter. Schröder ließ mich los und hob die Fleischeraxt auf.

      „Still“, sagte er zu Chandler und machte das Licht vor der Haustür an, bevor er mit ziemlicher Mühe die Tür öffnen konnte.

      Im letzten Moment bekam ich Chandler am Halsband zu fassen und konnte ihn zurückhalten.

      Es waren auch jetzt nicht Lena und Norling, aber es waren auf jeden Fall zwei. Der eine war in Schröders Alter, hatte Jeans an und eine dufflecoatähnliche Jacke, die ziemlich teuer aussah. Er hatte kurze Haare und ansonsten so ein Aussehen, das man sich nie merken kann.

      Den anderen dagegen würde man jederzeit wiedererkennen, denn er hatte extrem abstehende Ohren und graue, fast weiße Haare, die sich im Nacken lockten. Das Gesicht war braungebrannt und ziemlich zerfurcht – er sah ungefähr wie eine Morchel aus. Er war über fünfzig, trug einen häßlichen, grauen Mantel, ein schmuddeliges weißes Hemd und einen fettigen schwarzen Schlips.

      Beide schauten unruhig den knurrenden Chandler an. Der zog und zerrte am Halsband, um loszukommen und sie anspringen zu können.

      „Ähm ... guten Abend“, sagte der jüngere. Sein Blick wanderte zu Schröders „Never-stop-the-action-Schürze“ und dann weiter zu der großen Fleischeraxt. „Wir kommen von der Polizei in Täby. Entschuldigen Sie, daß wir stören, aber wir würden gerne wissen, ob Sie möglicherweise in der letzten Zeit Besuch hatten von ...“

      „Da können Sie Gift drauf nehmen!“ rief Schröder aus. „Ein verrückter Schuhdieb hat meine Mountaineers gestohlen!“

      „Ha-ha-haben Sie einen Ausweis?“ stotterte ich mit zittriger Stimme und dachte dabei an einen unangenehmen Typ mit einem Walroßschnurrbart, der auch behauptet hatte, von der Polizei zu sein, und den wir auch nach dem Ausweis hätten fragen sollen.

      Die Morchel mit den Elefantenohren schien unsicher zu werden und wollte etwas sagen, aber der Kurzhaarige machte eine beruhigende Geste und schaute mich freundlich lächelnd an.

      „Selbstverständlich“, nickte er. „Wir haben sie unten im Auto. Wir wollen nicht lange stören. Es geht um eine Ausweisung, wir sind von der Einwanderungsabteilung, und es könnte sein, daß derjenige, der Ihre ... ähm, Ihre ...“

      „Mountaineers!“ blökte Schröder.

      „War er vielleicht dunkelhäutig und ziemlich klein?“

      „Genau!“ Schröder nickte eifrig. „Er hatte eine rote Pudelmütze auf und einen Persianer an. Verfluchter Weihnachtswichtel aus New Delhi. Er kann noch nicht so schrecklich weit sein.“

      Ein wütendes Telefonklingeln aus dem Schlafzimmer brachte ihn völlig durcheinander, und er schaute sich verwirrt um. Die beiden Polizisten schauten sich erstaunt an und schienen auch nicht zu wissen, was sie machen sollen.

      „Nun geh schon rauf, und nimm ab!“ sagte Schröder zu mir.

      „Still, Chandler!“

      Chandler wehrte sich und knurrte, als ich ihn die Treppe hochzog, aber als wir oben waren, schien er alles zu vergessen. In Schröders Schlafzimmer ließ ich das Halsband los, und da sprang er völlig beruhigt auf das ungemachte Bett und legte sich zurecht.

      Das durchdringende altmodische Klingeln des Telefons hörte nicht auf. Ich betrachtete das unglaubliche Chaos auf dem Schreibtisch, und es dauerte eine Weile bis ich das graue Telefon gefunden hatte. Es war versteckt hinter einer großen Olivettischreibmaschine, die gekrönt wurde von einem Teller mit zwei vertrockneten Salamischeiben und einem trockenen, dunklen Stück Brot, dessen Ränder sich hochgebogen hatten.

      „Ja, hallo?“ sagte ich unsicher.

      „Kevin?“

      Es war Lena.

      Ich mußte schlucken.

      „Hallo?“ sagte sie erstaunt.

      „Doch,