Joe Barry

Privatdetektiv Joe Barry - In die Pfanne gehauen


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„Nimm Platz, Joe. Mehr kann ich dir nicht anbieten. Bis gestern hatte ich es weitaus komfortabler. Ich habe ganz vergessen, wie es im Gefängnis aussieht. Das letzte Mal, als ich so eine Einrichtung kennenlernte, war es vor fünfzehn Jahren in Fort Myers, als ich den fetten Zahlmeister von der A-Kompanie vermöbelt hatte.“

      „Das war doch der Bursche, der beim Pokern gemogelt hatte?“

      „Richtig — aber damals war es harmlos. Eine Woche Arrest. Ich wünschte, diesmal wäre es genauso harmlos.“

      „Was ist denn passiert?“ fragte Joe ruhig. Er brachte Zigaretten zum Vorschein und bot Grummond eine an.

      „Die Sache mit dem Unglück kennst du ja“, sagte Grummond und inhalierte den Rauch seiner Zigarette tief ein. „Scheußliche Sache. Ich verstehe überhaupt nicht, wie es passieren konnte. Seit ich mein Geschäft betreibe, hat es noch nie Unfälle gegeben. Ich habe immer strikt darauf geachtet, daß die Sicherheitsvorschriften eingehalten werden. Ich habe persönlich einmal einen Mann entlassen, weil der regelmäßig ohne Helm auf der Baustelle erschien.“ „Das Tragseil des Krans ist gerissen“, sagte Joe. „War der Kran überlastet?“

      „Keine Spur. Er ist auf drei Tonnen geeicht, und der Panzerschrank wog nicht einmal zwei Tonnen.“

      „Vielleicht war das Seil defekt.“

      „Das behauptet die Polizei.“

      „Und?“

      „Ich kann es nicht verstehen“, sagte Grummond und stützte das Gesicht in die Hände. „Das Seil war fast neu. Es gibt eine Vorschrift im Staat New York, die besagt, daß Kranseile alle zwei Jahre ausgewechselt und außerdem ständig kontrolliert werden müssen. Mindestens bei jedem Standortwechsel des Krans.“

      „Und?“

      „Ist alles geschehen“, sagte Grummond. „Das Seil war einwandfrei.“ „Vielleicht war es zu schwach.

      „Vielleicht wurde versehentlich ein falsches Drahtseil benützt.“

      „Nein, das sicher nicht.“

      „Wie erklärst du dir dann das Unglück.“

      „Überhaupt nicht“, sagte Grummond.

      „Mit der Antwort wird sich niemand zufriedengeben“, sagte Joe. „Eine Untersuchung des Seils wird zweifelsfrei ergeben, wieso es gerissen ist.“

      „Nein“, sagte Grummond, und etwas in seiner Stimme ließ Joe aufhorchen.

      „Was willst du damit sagen?“ erkundigte er sich.

      „Das Seil ist verschwunden.“

      „Verschwunden? Das soll wohl ein schlechter Witz sein.“

      „Nein“, sagte Grummond, „jemand hat es gestohlen.“

      „Und wer sollte das getan haben?“

      „Die Polizei glaubt, daß ich es war. Ich hätte es auf die Seite gebracht, behaupten sie.“

      Joe stieß einen Pfiff aus.

      „Jetzt begreife ich langsam. Und deshalb haben sie dich eingelocht.“

      „Verdunkelungsgefahr“, sagte Grummond und sog grimmig an seiner Zigarette. „Sie behaupten, ich hätte das Seil verschwinden lassen, um eine Untersuchung unmöglich zu machen — eine Untersuchung, die ergeben würde, daß das Seil defekt war und mir demzufolge grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen wäre.“

      „Hat man denn das Seil nach dem Unglück nicht sofort sichergestellt?“ erkundigte sich Joe.

      Grummond nickte.

      „Die Polizei hat eine Augenscheinnahme durchgeführt, so nennt sie das wohl, gleich nach dem Unglück. Sie haben gesehen, daß es gerissen war. Meines Erachtens ist das unmöglich. Solche Seile bestehen aus neunzig ineinandergeflochtenen Stahldrähten und haben ein Vielfaches der offiziell angegebenen Zugfestigkeit,“

      „Dein Fall ist aber nicht der einzige Fall dieser Art. Denk an das Seilbahnunglück in den Apalachen, vor drei Jahren.“

      „Da war Sabotage im Spiel. Ein hinausgeworfener Angestellter wollte sich rächen.“

      „Und so etwas soll bei dir nicht möglich sein? Denk an den Mann, der den Helm nie tragen wollte.“

      „Nein, nein“, sagte Grummond. Er verbrannte sich die Finger an der Glut seiner Zigarette, ohne es zu merken. „Ich kann es mir nicht vorstellen, beim besten Willen nicht.“

      „Was geschah nach der Augenscheinnahme“, lenkte Joe aufs Thema zurück.

      „Das Seil wurde abgenommen und zusammengerollt. Anschließend wurde es in der Baubaracke eingeschlossen und die Tür versiegelt. Die Polizisten kamen, einige Tage später, um es abzuholen. Du mußt bedenken, daß die Geschichte einen mächtigen Wirbel verursacht hatte.“

      „Das kann ich mir leicht vorstellen“, nickte Privatdetektiv Joe Barry.

      „Das Siegel war beschädigt, und das Seil verschwunden.“

      „Und wer steckt deiner Ansicht nach dahinter?“

      „Keine Ahnung“, sagte Grummond. „Wenn ich das nur wüßte. Der Kerl hätte nichts zu lachen.“

      „Well, nehmen wir mal an, jemand hat das Seil angesägt“, sagte Joe. „Dann wäre es doch nur logisch, daß dieser Jemand das Seil beseitigt. Immerhin ist es das einzige Beweisstück. Vielleicht wollte er dir nur einen Streich spielen und war entsetzt, als er sah, was er angerichtet hat.“

      „Das wäre eine Lösung“, brummte Grummond. „Aber die Polizei zieht eine ander vor. Sie sagt, es sei keine Sabotage, sondern Fahrlässigkeit. Ich hätte versäumt, auf den einwandfreien Zustand des Seils zu achten. Die Cops, die es gesehen haben, behaupten, es hätte ausgesehen wie ein zerrissenes, vergammeltes Seil.“

      „So etwas kann man doch nur durch eine richtige Untersuchung feststellen.“

      „Klar, der Ansicht bin ich ja auch.“

      „Trotzdem — das ganze reicht noch nicht für einen Haftbefehl aus“, sagte Joe. „Es gibt keinen Beweis dafür, daß du es warst, der das Seil gestohlen hat.“

      „Doch“, sagte Grummond, „jedenfalls für die Polizei.“

      Joe sah ihn aufmerksam an.

      „Erzähle“, sagte er.

      „Nachdem die Polizisten das Seil eingesperrt und das Schloß versiegelt hatten, sammelten sie sämtliche Schlüssel zu der Baubaracke ein. Einen hatte Mr. Palmers, der Vormann. Einen zweiten hatte ich.“

      „Und?“

      „Es steht fest, daß der Einbrecher das Yaleschloß mit einem passenden Schlüssel geöffnet hat. Also muß ein dritter Schlüssel existiert haben.“

      „Und wer hatte den?“

      „Ich“, sagte Grummond. „Das ist ja das Dumme. Ich hatte völlig vergessen, daß in meinem Schreibtisch noch ein Schlüssel lag. Die Cops bekamen das schnell heraus. Sie brauchten nur zu der Firma zu gehen, die das Schloß geliefert hatte. Dann kamen sie zu mir. Ich wurde mächtig verlegen, wollte den Schlüssel holen …“

      „Und er war weg.“

      „Ja. Das hat sie verdammt mißtrauisch gemacht. Dazu kam, daß sie meine Fingerabdrücke an der Tür fanden. Aber ist kein Wunder, denn ich hatte dort laufend zu tun — vor dem Unfall, natürlich. Aber mach das mal einem Cop klar.“

      „Für mich sieht die Sache ziemlich eindeutig aus“, sagte Joe. „Jemand von deinen Leuten hat das Seil angesägt, und als er merkte, was er angerichtet hat, verlor er die Nerven. Wer wußte von dem dritten Schlüssel in deinem Schreibtisch?“

      Grumrnond zuckte ratlos die Achseln.

      „Keine Ahnung. Wer achtet denn schon auf so etwas. Ich habe über hundert Arbeiter.“