den Gedanken kommt, meine Glitzersteinchen zu stehlen.“
Der Koffer wurde feierlich geöffnet. Was ihnen entgegenstrahlte, war märchenhaft. Es waren nur wenige Einzelstücke, aber es war keines darunter, das weniger als hunderttausend Dollar wert war. Das meiste stammte von Tiffany in New York, dem berühmtesten Juwelier des Landes.
Sophie Tucker hatte durchaus Geschmack, aber sie fühlte sich nicht angezogen, wenn nicht an jedem Ohrläppchen etwas Taubeneigroßes funkelte. Um den Hals gedachte sie ein Perlenkollier zu legen. Der Name Tucker bürgte dafür, daß keine einzige Zuchtperle darunter war. Alles war echt. Rötliche, besonders auserlesene Perlen. Und da Sophie einen beträchtlichen Halsumfang hatte, war in das Kollier ein Dutzend Perlen mehr als üblich verarbeitet worden.
Der Rest waren kleinere Stücke. Ein Armband aus Brillanten, Brillantringe, eine brillantenbesetzte Uhr und eine Brosche aus dem gleichen kohlenstoffhaltigen Material. Alles in allem eine runde halbe Million.
Durch den Kleopatra-Film angeregt, hatte Mrs. Tucker vorübergehend mit dem Gedanken gespielt, sich auch etwas Glitzerndes um das Fußgelenk zu legen. Es war aber ihrem Juwelier gelungen, ihr diesen Gedanken auszureden.
„Alles vollzählig, Madam“, sagte der Direktor. „Wollen Sie sich bitte überzeugen?“
Sophie warf nur einen kurzen Blick in den Kasten und nickte dann.
„Alles in Ordnung. Warten Sie bitte mit Ihren Leuten draußen. — Hemlock“, wandte sie sich an ihren Mann, „würdest du mir bitte helfen, den Schmuck anzulegen? Mit diesen neumodischen Verschlüssen komme ich nie zurecht.“
Hemlock gehorchte. Bewundernd ließ er die kostbaren Stücke durch die Finger gleiten. Für ihn, der er beim Geruch von sauren Heringen aufgewachsen war, bedeutete das alles doch eine ganze Menge. Hemlock war nie richtig mit seinem Schicksal fertig geworden. Jeden Morgen entdeckte er von neuem, daß seine Bettdecke aus Seide war, und kam darüber ins Schwitzen.
Wenig später gingen sie nach unten.
*
Fünfhundert Gäste hatte Sophie Tukker eingeladen. Einer kam ohne Einladung.
Der Mann war mittelgroß und hager. Seine Gesichtshaut erinnerte an gegerbtes Leder. Die Frisur war auf Länge eines Streichholzkopfes gekürzt. Es war genau die Art Frisur, die in den Gefängnissen und Zuchthäusern des Landes verpaßt wurde.
Er trug einen flotten Einreiher — zu flott für einen Gentleman, und er fuhr einen unauffälligen Wagen, einen Chevrolet 58. Daß die Mühle einen frisierten Motor hatte und jedem Polizeiauto zwischen Hudson River und Mississippi davonfuhr, sah man ihr nicht an. Unauffälligkeit war ein Prinzip, das der Mann bis zur Perfektion entwickelt hatte. Die Rostflecken an seinem Wagen waren ebenso gepflegt wie das drehbare Nummernschild. Man hätte die Nummerntafel übrigens drehen können soviel man wollte, es wäre immer eine falsche Nummer herausgekommen.
Der Gentleman, der keiner war, hatte New York am frühen Nachmittag verlassen. Gemächlich bummelte er über die Küstenstraße in Richtung Atlantic City. Er hatte Zeit. Nichts verabscheute er so sehr wie Zeitdruck. Unter Zeitdruck handeln, bedeutete ein zusätzliches Risiko eingehen, das bedeutete einen vermeidbaren Luxus. Das fand er unelegant. Der Gentleman liebte die Eleganz.
Er erreichte Atlantic City um fünf Uhr nachmittags. Das bedeutete, daß er noch fünf Stunden Zeit hatte, um die letzten Einzelheiten seines Planes auszufeilen.
Über eine Stunde verwandte er darauf, den Wagen zu überprüfen. Er ging sehr pedantisch vor. Er überprüfte die Zündanlage, Spritzufuhr, Batterie und Reifendruck, kontrollierte den Ölstand und überzeugte sich davon, daß das Nummernschild vom Wageninneren aus reibungslos gewechselt werden konnte. Große Coups waren schon an viel unbedeutenderen Details gescheitert.
Zwischen sechs und sieben, als der Verkehr am dichtesten war, fuhr er mehrmals eine bestimmte Route ab. Sie begann stets am Shelton-Hotel und endete an der Einfahrt zur US-Route 18, die von Atlantic City aus in östlicher Richtung führte. Die Straßen waren so belebt, daß er sicher sein konnte, nicht aufzufallen.
Auf einen Besuch im Shelton verzichtete er. Er wollte um jeden Preis verhindern, daß es Zeugen gab, die sich später womöglich an ihn erinnern würden. Außerdem hatte er die Anatomie des Shelton-Hotels genau im Kopf. Er war auch genau über jede Einzelheit der geplanten Sophie-Tucker-Party informiert.
Um acht Uhr parkte sein Wagen auf einem einsamen Platz am Strand, zwei Meilen nördlich von Atlantic City. Reglos, bleigrau lag das Meer vor ihm. Nur einzelne Wellen leckten müde am Sand. Die Sonne stand schräg über dem Festland; der Wagen warf einen langen Schatten, fast bis ans Wasser.
Der Mann war bereit.
*
Kurz nach zehn Uhr — der aufgehende Mond hing daumenbreit über dem Horizont — kam Leben in die regungslose Gestalt. Er startete die Maschine und schaltete die Standlichter ein. Fast lautlos beförderte der Elefant unter der Haube das schwere Gefährt auf die Straße.
Elf Minuten später hatte er das Shelton-Hotel erreicht.
Der massige Hotelblock, unmittelbar am Wasser gelegen und fünfzehn Stockwerke hoch, warf sein strahlendes Licht in die Nacht. Aus dem Erdgeschoß kamen Musikfetzen. Der riesige Parkplatz vor dem Hotel war überfüllt.
Der Besucher ohne Einladung stellte seinen Wagen so ab, daß er, mit dem Kühler zur Straße, unmittelbar an der Ausfahrt parkte und in Sekundenschnelle zu erreichen war. Der Mann stieg aus, überquerte mit abgewandtem Gesicht den erleuchtèten Vorplatz und erreichte den Side Walk. Das ist ein breiter Weg aus Holzplanken, der sich in Atlantic City den ganzen Strand entlangizieht. Die Hotels, die unmittelbar am Wasser stehen, haben alle einen eigenen unterirdischen Zugang zum Strand, der unter dem Side Walk hindurchführt.
Der Mann wählte diesen Weg, weil er die einzige Möglichkeit bot, ungesehen das Hotel zu erreichen.
Fünf Minuten später stand er im gekachelten Keller des Shelton-Hotels. Das Türschloß hatte seinem Spezialdietrich so wenig Widerstand entgegengesetzt, daß es die Mühe nicht lohnt, ihn zu erwähnen.
Der Mann ging rasch und zielbewußt vor. Jeder Handgriff war genau geplant. Er passierte die Tür mit der Aufschrift „Nur für Angestellte“ und erreichte über eine Wendeltreppe das Erdgeschoß. Zwei Minuten später stand er vor dem Office des Hoteldirektors. Bisher war ihm niemand begegnet. Sophie Tuckers Party hielt das Personal in Atem.
Der Mann langte in die Schulterhalfter und zog eine Luger heraus. Er versah die Waffe mit einem Schalldämpfer. Dann brachte er einen abgeschnittenen Damenstrumpf zum Vorschein und zog ihn sich über den Kopf.
Der Mann zögerte keine Sekunde. Er stieß die Tür auf und war mit einem Satz im Office.
Der Hoteldirektor an seinem Schreibtisch riß die Augen auf.
„Hände hoch!“ rief der Maskierte halblaut. „Keine Bewegung oder es knallt!“ Er drückte die Tür hinter sich zu.
„Was, in aller Welt —“, ächzte der Direktor verstört.
„Schön ruhig bleiben. Nimm die Finger von der Alarmanlage, du getünchtes Grab“, sagte der Maskierte scharf. Er trat vor den Mann und drückte ihm die Luger auf die silbergraue Krawatte. „Den Schlüssel zum Safe!“ knurrte er.
„Ich verstehe nicht, was Sie wollen? Da sind um diese Zeit keine fünfhundert Dollar drin.“
„Den Schlüssel“, wiederholte der andere.
Der Hotelmanager schielte auf die Waffe und zog es vor, nichts mehr zu sagen. Wortlos rückte er den Schlüssel heraus.
„Jetzt stell die Kombination ein. Los, Mann, beeil dich. Ich habe einen ziemlich nervösen Zeigefinger.“
Der Direktor beeilte sich, dem Befehl zu folgen. Es klickte leise, als die Zahlen in die richtige Kombination einrasteten. Dann klappte die Stahltür des Wandsafes auf.
Der Gangster handelte rasch. Er trat von hinten an den Hoteldirektor heran und hieb ihm die umgedrehte Waffe über