James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper


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Benny und ich – nein, ich und Benny; hol’ mich der Teufel, wenn ich weiß, wie es ist, aber einer von uns soll nach einer Ladung von Biberhäuten ausfahren, seht Ihr, und so haben wir den Karren gepreßt, um sie heimzuschiffen. Ich sage Euch, Meister Kirby, Ihr führt ein erbärmliches Ruder – Ihr handhabt ein Ruder, Junge, fast wie eine Kuh eine Muskete oder wie ein Frauenzimmer einen Marlpfriem.«

      Billy war über den Zustand des Hausmeisters bald im klaren und ging eine Weile sinnend neben dem Karren her, worauf er Benjamin, der auf das Heu zurückfiel und bald eingeschlafen war, die Geißel aus der Hand nahm und sein Vieh die Straße hinab über die Brücke nach einer Lichtung im Gebirge trieb, wo er des nächstens Tages arbeiten sollte, ohne auf seinem Weg durch etwas anderes als durch einige hastige Fragen von Seiten der hin und her ziehenden Konstabler unterbrochen zu werden.

      Elisabeth stand wohl eine Stunde am Fenster ihres Zimmers, wo sie die Fackeln der Nachsetzenden an den Seiten des Gebirges hinziehen sah und das Rufen und den Lärm der Verfolger hörte. Nach Ablauf dieser Zeit kehrte jedoch die letzte Abteilung, müde und ohne etwas ausgerichtet zu haben, zurück, und das Dorf wurde wieder so ruhig, wie es bei ihrem Gang nach dem Gefängnis gewesen war.

       Inhaltsverzeichnis

      »Ich könnte weinen –« sang in wildem Ton

       Der Häuptling der Oneidas – »doch der Sohn

       Des tapfern Vaters darf die Totenklage

       Nicht so entweihn, wie sehr der Schmerz auch nage.«

      Gertrude von Wyoming

      Am andern Morgen in aller Frühe begaben sich Elisabeth und Luise besprochenermaßen nach Monsieur Le Quois Laden, um sich der gegen Lederstrumpf eingegangenen Verpflichtung zu entledigen. Die Leute gingen bereits an die Geschäfte des Tages, obschon es noch zu früh für ein eigentliches Gedränge war, weshalb die Damen in dem Laden niemand als den höflichen Franzosen, Billy Kirby, eine Kundin und den Jungen vorfanden, der das Amt eines Helfers oder Kommis versah.

      Monsieur Le Quoi durchlas eben mit augenscheinlichem Entzücken ein Paket Briefe, während der Holzfäller, die eine Hand in seiner Brust, die andere in der Tasche seiner Jacke, mit einer Axt unter dem rechten Arme dastand und mit gutmütiger Teilnahme den freudigen Bewegungen des Franzosen zusah. Das freimütige Benehmen, das in den neuen Ansiedlungen herrschte, glich gewöhnlich alle Rangunterschiede und damit auch häufig die Ansprüche der Erziehung und des überlegenen Wissens aus. Die Damen traten, von dem Eigentümer des Etablissements unbemerkt, ein, als dieser eben zu Kirby sagte:

      »Ah, Monsieur Bihl, diese Brief machen mich zu der glücklichste Mensch. A! ma chère France! Ich werden dich wiedersehen.«

      »Ich nehme Anteil an allem, Monsieur, was zu Ihrem Glück beiträgt«, begann Elisabeth, »hoffe übrigens, daß wir Sie nicht ganz verlieren werden.«

      Der höfliche Kaufmann erzählte nun Elisabeth schnell in französischer Sprache, daß er Hoffnung habe, in sein Vaterland zurückkehren zu dürfen. Die Gewohnheit hatte jedoch die Manieren dieses schmiegsamen Mannes so weit verändert, daß er fortfuhr, den Holzfäller zu bedienen, der etwas Tabak begehrte, während er den Frauenzimmern mitteilte, welcher glückliche Wechsel in den Anordnungen seines Heimatlandes stattgefunden hätte.

      Der Inhalt seines Berichtes lief darauf hinaus, daß Herr Le Quoi, der mehr aus Schrecken, als weil er den Gewalthabern von Frankreich verdächtig geworden wäre, sein Vaterland verlassen hatte, endlich die Zusicherung erhielt, daß man von seiner Rückkehr nach Westindien keine Notiz nehmen würde. Der Franzose, der sich mit soviel Ergebung in die Rolle eines Landkrämers gefügt hatte, war nun im Begriff, aus seiner Dunkelheit wieder zu der Höhe, die er früher in der Gesellschaft eingenommen, aufzutauchen.

      Wir übergehen die Höflichkeiten, die bei dieser Gelegenheit gegenseitig ausgetauscht wurden, und erlauben uns auch nicht zu wiederholen, wie oft der entzückte Franzose seinen Schmerz ausdrückte, daß er in Zukunft eine so angenehme Gesellschaft wie die Miss Temples entbehren müsse. Elisabeth benutzte während des Gesprächs eine Gelegenheit, um sich von dem Knaben, der Jonathan hieß, das Pulver auswiegen zu lassen. Ehe sie sich jedoch trennten, erbat sich Monsieur Le Quoi, der glauben mochte, noch nicht genug gesagt zu haben, die Ehre einer Privatunterredung mit der Erbin, was er mit einer Feierlichkeit in seiner Miene tat, die bekundete, daß er etwas höchst Wichtiges auf dem Herzen hatte. Nachdem ihn Elisabeth zu diesem Ende auf eine günstigere Gelegenheit verwiesen hatte, verließ sie den Laden, in dem jetzt, wie gewöhnlich, die Landleute einzusprechen begannen und auch mit der gleichen Aufmerksamkeit und bienséance wie früher empfangen wurden.

      Elisabeth und Luise setzten ihren Spaziergang bis an die Brücke in tiefem Schweigen fort; als sie aber dort anlangten, machte die letztere halt und schien etwas sagen zu wollen, ohne jedoch den Mut dazu gewinnen zu können.

      »Sind Sie unwohl, Luise?« fragte Miss Temple. »Wir werden dann wohl besser tun, wenn wir umkehren und eine andere Gelegenheit suchen, um den Wünschen des alten Mannes zu entsprechen.«

      »Ich bin nicht unwohl, aber ich fürchte mich. Ach, ich kann nie, nie wieder auf diesen Berg gehen, wenn wir nicht noch eine weitere Begleitung haben. Ich fühle mich nicht stark genug dazu, nein, ich kann unmöglich weiter.«

      Dies war eine unerwartete Erklärung für Elisabeth, welche, obgleich die eitle Besorgnis vor einer Gefahr, die nicht mehr existierte, ihr fremd war, dennoch das etwas Unweibliche in ihrem Vorhaben recht wohl fühlte. Sie blieb eine Weile in tiefem Nachdenken stehen; in dem Bewußtsein aber, daß es jetzt Zeit zum Handeln und nicht zum Überlegen sei, mühte sie sich, ihre Unschlüssigkeit abzuwerfen, und erwiderte mit Festigkeit:

      »Wohlan denn, so muß ich es allein unternehmen. Ich kann mich niemand als Ihnen anvertrauen, da sonst der alte Lederstrumpf entdeckt würde. Warten Sie am Saum dieser Wälder auf mich, damit man mich wenigstens nicht allein in die Berge gehen sieht. Ich möchte Bemerkungen vermeiden, Luise, wenn – wenn – Wollen Sie auf mich warten, meine Liebe?«

      »Im Angesicht des Dorfes ein ganzes Jahr, Miss Temple«, entgegnete die geängstigte Luise. »Aber ich bitte, verlangen Sie nicht von mir, daß ich mit auf den Berg gehen soll.«

      Elisabeth fand, daß ihre Gefährtin in der Tat außerstande war weiterzugehen, weshalb sie dieselbe an einer Stelle in der Nähe der Straße, wo man das Dorf im Auge hatte, ohne daß die Harrende von den Vorbeigehenden bemerkt werden konnte, verließ und nun ihren Weg allein fortsetzte. – Sie stieg den in unserer Erzählung oft erwähnten Pfad mit elastischen und festen Tritten hinan, besorgend, daß die Verzögerung in Herrn Le Quois Laden und die zum Erreichen des Gipfels erforderliche Zeit sie verhindern möchte, zur bestimmten Stunde einzutreffen. Gelegentlich, wenn sie an einer Öffnung des Gebüsches vorbeikam, machte sie halt, um Atem zu holen oder vielleicht auf einen Augenblick die Reize der Landschaft zu betrachten. Die lange Dürre hatte jedoch das grüne Gewand des Tales in ein düsteres Braun verwandelt, und obgleich die Örtlichkeiten die gleichen waren, so fehlte ihnen doch jetzt der liebliche und erfreuliche Anblick des Frühsommers. Selbst der Himmel schien die Trockenheit der Erde zu teilen; denn die Sonne war durch einen Dunst in der Atmosphäre verhüllt, der wie dünner Rauch ohne eine Spur von Feuchtigkeit aussah, wenn überhaupt ein solcher denkbar wäre. Das blaue Firmament war kaum sichtbar und blickte nur stellenweise durch den Nebel, so daß man von dort aus Massen wogender Dünste am Horizont sich sammeln sah, als mühe sich die Natur, ihre Wasser zu vereinen, um dem Menschen Hilfe zu bringen. Selbst die Luft, die Elisabeth einatmete, war heiß und trocken, und als sie die Stelle erreichte, wo sie die Straße verlassen mußte, fühlte sie sich fast zum Ersticken beengt. Sie eilte jedoch, ohne sich daran zu kehren, um nur ihren Auftrag auszurichten, indem ihr nichts als die Enttäuschung und Hilflosigkeit des alten Jägers vor Augen schwebten, wenn sie ihm nicht ihren Beistand leistete. Auf dem Gipfel des – von dem Richter so genannten – Visionsberges befand sich eine kleine Lichtung, von der aus man das ganze Dorf und das Tal übersehen konnte. Hier mußte sie ihrer Ansicht nach den Jäger treffen, und dahin lenkte sie auch ihre