Edmond Hamilton

Captain Future 09: Jenseits der Sterne


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lag. Merkurianische Männer, Frauen und Kinder, dunkelhäutig und von schwachem Wuchs, die wie betäubt auf den Raumhafen zuschlurften, ihre wertvollsten Besitztümer fest an sich gepresst.

      »Bitte weitergehen«, mahnten uniformierte Planetenpolizisten gedämpft, aber unaufhörlich.

      Die Dahinschlurfenden mit ihren traurigen Augen gaben darauf keine Antwort. Und auch die vielen Merkurianer, die in dichten Pulks die Straßen säumten und die Prozession vorüberziehen sahen, wahrten tiefes, von Qual erfülltes Schweigen.

      »Bitte weitergehen!«

      Die klägliche Parade erreichte den Raumhafen, in dem mehrere gewaltige, zigarrenförmige Raumkreuzer warteten.

      Auf einmal wurde das tiefe, tragische Schweigen unterbrochen. Ein angespannt aussehender Merkurianer, einer der ersten in der Prozession und in Begleitung seiner Frau und zweier kleiner Kinder, blieb urplötzlich stehen und fuhr herum.

      »Warum müssen wir gehen?«, schrie er, die Stimme rau vor Verzweiflung. »Warum müssen ausgerechnet wir unsere Heimatwelt verlassen?«

      Ein alter Mann mit traurigen Augen antwortete ihm.

      »Wir wurden durch die große Lotterie ausgewählt, Than Thabar. Diesmal sind wir es, die nach Ganymed gehen müssen.«

      »Aber warum muss überhaupt irgendwer den Merkur verlassen?«, begehrte Than Thabar störrisch auf. »Wir leben seit Ewigkeiten hier. Wir kennen keine andere Welt als diese. Und doch hält die Regierung des Systems alle paar Monate diese verfluchte Lotterie ab und verurteilt Tausende von uns dazu, fortzugehen nach Ganymed, unseren Heimatplaneten für immer zu verlassen.«

      Ein Planetenpolizist, ein gut aussehender Aphrodit von der Venus, eilte herbei. Mit mitfühlender Miene ermahnte er den Verzweifelten.

      »Sie müssen es so empfinden, das ist mir klar«, sagte er zu ihm. »Aber es geht nicht anders. Sie wissen ebenso gut wie ich, dass es keinen anderen Ausweg gibt als die Umsiedlungen. Wasser und Luft dieses Planeten schwinden dahin, es reicht für immer weniger Menschen.«

      Das stellte Than Thabar jedoch nicht zufrieden. Wütend zeigte er auf einige gewaltige, würfelförmige Gebäude nahe des Raumhafens, aus denen riesige Schlote in den dunklen Himmel ragten.

      »Die Atmosphärewandler funktionieren doch noch!«, rief er. »Seit Generationen bewahren sie unser Volk vor dem Untergang, sie haben uns nie im Stich gelassen. Diese Zwangsumsiedlungen sind unnötig!«

      Seine Worte wirkten wie ein Funke auf die Menschenmenge hinter ihm. Die merkurianischen Aussiedler griffen in ihrer Hoffnung, die Heimatwelt doch nicht verlassen zu müssen, nach jedem Strohhalm. Sie nahmen Than Thabars Protest auf, getrieben von ihrer verzweifelten Angst davor, ein uraltes Band zu zerschneiden.

      »Than Thabar hat recht! Die Atmosphärewandler funktionieren noch, und es gibt überhaupt keinen Grund, uns zu zwingen, den Merkur zu verlassen!«

      »Das alles ist ein Geheimplan der Systemregierung – sie wollen Ganymed besiedeln, und deshalb zwingen sie uns Merkurianer unter einem Vorwand dazu!«

      Die Jüngeren stimmten einen neuen wilden Ruf an.

      »Weigern wir uns einfach, fortzugehen! Los, wir schlagen die Schiffe kurz und klein, dann sehen sie ja, wie ernst es uns ist. Wir bleiben hier!«

      Zustimmendes Gebrüll brandete auf, nicht nur unter den verzweifelten Aussiedlern – jetzt sprang der Funke der Rebellion auch auf die Menschen am Straßenrand über, die sich versammelt hatten, um dem traurigen Zug zuzusehen.

      »Schluss mit den Umsiedlungen nach Ganymed! Merkurianer, haltet zusammen! Sie können uns nicht zwingen, unsere Heimatwelt zu verlassen! Schlagt die Schiffe in Stücke!«

      Die Aussiedler ließen ihre Bündel fallen. Man griff nach Knüppeln und Steinen. Hier und da zückte sogar jemand eine Strahlenpistole. Eine bedrohliche Woge aus Menschenleibern wogte auf die Raumkreuzer zu.

      Vergeblich versuchte die schwache Verteidigungslinie der Planetenpolizei, sie aufzuhalten. In der Miene ihres aphroditischen Kommandanten zeichnete sich Bestürzung ab. Er konnte seinen Leuten nicht befehlen, ihre Strahlenpistolen auf diese Menschen abzufeuern, das würde eine Revolte auslösen, die den ganzen Merkur erfasste. Aber wenn er diesen Aufstand nicht in den Griff bekam, würde in Zukunft niemand mehr den Anweisungen der Systemregierung Gehör schenken.

      »Merkurianer, hört mich an!«, brüllte er der tobenden Menge entgegen. »Das dürft ihr nicht tun. Die Entscheidungen der Regierung …«

      Die Menge fegte ihn beiseite wie ein lästiges Insekt und ergoss sich auf den Raumhafen, fest entschlossen, die Schiffe auseinanderzunehmen.

      Aus entgegengesetzter Richtung rannte eine einsame Gestalt ebenfalls auf die Schiffe zu. Der Mann kam von Westen her, wo die Atmosphärewandler aufragten. Er erreichte die Kreuzer als Erster und sprang mit einem gewaltigen Satz aufs Heck eines der Schiffe, das Gesicht der Menge zugewandt.

      Der Mann war eine imposante Erscheinung, jung und hochgewachsen; sein durchtrainierter Leib steckte in einem graubraunen Overall, und das rote Haar leuchtete feurig im trüben Sonnenlicht. Dieses rote Haar wies ihn als Erdling aus.

      Seine Stimme war klar und weithin zu hören.

      »Merkurianer, wollt ihr eure Frauen und Kinder sterben sehen?«

      Diese Frage drang zu den Menschen durch. All diese tobenden Männer … sie waren Ehegatten und Väter. Sie blieben stehen und blickten zu dem hochgewachsenen, unerschrockenen Erdling auf.

      Was sie sahen, war ein junger Mann, dessen gebräuntes, gut geschnittenes Gesicht scharfe Intelligenz verriet. Der aufrichtige Blick seiner klaren grauen Augen schlug sie in den Bann.

      »Wollt ihr, dass eure Familien an Sauerstoffmangel und Durst zugrunde gehen?«, fragte der junge Mann eindringlich. »Denn genau das wird geschehen, wenn ihr euch weigert, nach Ganymed umzusiedeln, wie die Regierung es verlangt. Auf dem Merkur gibt es nicht genug Luft und Wasser für euer Volk. Die Schwächsten unter euch, die Alten und die ganz Jungen, werden als Erste sterben.«

      Es war Than Thabar, der Mann, der die Unruhe ausgelöst hatte, der ihm antwortete: »Warum sollte das geschehen? Die Atmosphärewandler funktionieren heute noch genauso, wie sie es immer getan haben.«

      Der hochgewachsene junge Erdling schüttelte energisch den Kopf. »Die Umwandler arbeiten nicht mehr effizient. Sie können nicht mehr effizient arbeiten, weil die benötigten Rohstoffe fehlen.« Seine Stimme erhob sich über die Menge. »Ihr alle wisst über die besonderen Probleme Merkurs Bescheid. Ihr wisst, dass dieser kleine Planet aufgrund seiner geringen Masse nur wenig Schwerkraft besitzt, sodass sich die Luftmoleküle beständig ins All verflüchtigen. Diesem Prozess versucht man mit den Atmosphärewandlern entgegenzuwirken; sie produzieren auf synthetischem Wege Luft und Wasser, indem sie mineralische Oxide umwandeln. Aber die Vorräte an Oxiden gehen zur Neige.

      Es ist unmöglich, die benötigten Oxide von anderen Planeten einzufliegen. Sämtliche Sternenschiffe des ganzen Systems zusammen könnten nicht ausreichend Oxide heranschaffen. Deshalb ist momentan die einzige Lösung, dass ein Teil der Bevölkerung nach Ganymed umgesiedelt wird, bis man eine Möglichkeit findet, die Produktion von Sauerstoff und Wasser zu steigern. Dann könnt ihr alle auf den Merkur zurückkehren.«

      »Und woher wissen wir, dass die Systemregierung jemals einen Weg findet, das zu tun?«, verlangte ein noch immer rebellischer Merkurianer.

      »Sie arbeitet mit aller Kraft daran, das Problem zu lösen«, versicherte ihm der Erdling aufrichtig. »Wir finden einen Weg. Ich verspreche euch, dass ich nicht ruhen werde, bis ich herausgefunden habe, wie die ausgelaugte Atmosphäre und Hydrosphäre des Merkurs wieder aufgefrischt werden kann.«

      »Und wer sind Sie, dass Sie meinen, Ihre Versprechungen hätten für uns irgendeinen Wert?«, rief ein skeptischer Rebell.

      »Mein Name«, antwortete der Erdling ganz schlicht, »ist Curtis Newton. Einige von Ihnen werden unter anderem Namen bereits von mir gehört haben. Man nennt mich Captain Future.«

      »Captain