Ernte?« Er sah überrascht aus. »Die läuft sehr gut. Interessierst du dich für Landwirtschaft?«, fragte er mit einem kleinen Lächeln.
»Na ja, nicht besonders«, murmelte sie. »Ach, ich hab sicher einen Schwips«, fügte sie hinzu und nahm die Hand, die er ihr entgegenstreckte.
Ehrlich gesagt, war sie ganz schön beschwipst, das merkte sie, als sie tanzten und ihre komplizierten Schritte sich verhedderten. Sie und Stine hatten sich nämlich einige Serien ausgedacht, mit der sie samstagabends in der Disko auf der Tanzfläche die Schau abrissen. Sie endeten immer mit einem heißen, nassen Kuss, der sämtliche Zuschauer verärgern konnte. Stine liebte Provokationen.
Louise gab die wilden Schritte auf und lehnte sich stattdessen an Anders. Er war warm und roch gut. Frisch gewaschen und frisch gebügelt. Sein Körper war muskulös und knochig, es war schön, seine Hände auf den Hüften zu fühlen.
»Dann nimm ihn doch, zum Teufel!« Stine kam an ihnen vorbei, als sie schon lange tanzten. Louise zwinkerte ihr hinter Anders’ Rücken zu. Das ließ sich wirklich als gute Freundschaft bezeichnen.
»Wo du dich doch so für Landwirtschaft interessierst, kommst du vielleicht mit raus, das Korn ansehen?«, fragte Anders, während sie darauf warteten, dass Stine und Carsten sich über die nächste Platte einig wurden.
Louise nickte und ging mit ihm durch das verschachtelte Haus von Stines Eltern. Es war ein stillgelegter Hof, dessen Wohngebäude umgebaut und erweitert worden war. Hier hatte eine WG gewohnt und in einem der Flügel, in dem Stines Mutter jetzt ihr Atelier hatte, eine Druckerei betrieben.
»Ich hab noch eine Flasche oben im Wagen, wollen wir die holen?«, fragte Anders, als sie auf dem kiesbestreuten Hofplatz standen.
Louise nickte. Sie hatte zwar schon gut getankt, aber es reichte noch lange nicht aus.
»Was für ein Straßenkreuzer!«, kicherte sie, als sie das Auto, einen alten Opel Rekord, erreicht hatten.
»Aber der kann noch fahren und ich kann das nicht, deshalb kann ich heute keinen Ausflug mit dir machen«, sagte Anders. Er schloss das Auto auf und nahm die Flasche vom Vordersitz.
»Ein andermal also?«, fragte Louise und legte den Kopf schräg wie ein affektiertes Schulmädchen.
»Das weiß man nie«, antwortete er und schlug die Wagentür zu.
Sie gingen ein wenig den Weg hoch und über ein abgesengtes Kornfeld. Es war so neblig, dass sie einander kaum sehen konnten. Louise stolperte über einen Stein und Anders packte sie und ließ ihre Hand nicht los, als sie weitergingen. Anders trug die Flasche und ab und zu reichte er sie ihr und sagte »Prost!« und davon abgesehen sagten sie lange Zeit nichts.
»Ist es nicht seltsam, dass wir noch nie miteinander geredet haben?«, fragte Louise schließlich leise im Nebel, der sie einzuhüllen schien wie ein beschützender Teppich. Man konnte so viel sagen, weil man unsichtbar war.
»Nö, ist es sicher nicht. Du bist ja immer so beschäftigt und ich habe meine eigenen Angelegenheiten und deshalb weiß ich eigentlich nicht, wann wir uns hätten unterhalten sollen«, antwortete er und reichte ihr die Flasche, nachdem er selbst einen Schluck genommen hatte.
»Andererseits wundert es mich gar nicht, dass wir jetzt herumwandern«, fügte er nach einer Weile hinzu und drückte Louises Hand. »Ich mag dich sehr gern.«
»Danke, gleichfalls«, antwortete Louise. »Du bist nett.«
Sie machten kehrt. Es war kalt, Louise fror in ihrem dünnen T-Shirt und Anders legte den Arm um sie.
Als sie das Haus erreicht hatten, stiegen die anderen gerade in ein Gruppentaxi. So kam es immer. Zuerst betrank man sich auf einem Fest, dann zog man in die Stadt.
»Kommt schon, ihr könnt’s noch schaffen!« Tut und Stine hingen aus den Fenstern und brüllten ihnen entgegen.
»Willst du mit?«, fragte Louise.
Anders schüttelte den Kopf und Louise rief, die anderen sollten einfach fahren. Sie würden nachkommen.
»Vergiss es, das kennen wir schon!«, rief Stine und winkte, als das Taxi vom Hof fuhr.
»Warum wolltest du nicht mit?«, fragte Louise, als sie allein vor dem Haus standen.
»Ich muss bald nach Hause. Ich muss morgen doch früh aufstehen. Die Ernte, du weißt schon«, sagte er mit schiefem Lächeln.
»Aber du kannst doch jetzt nicht fahren!«, meinte Louise.
»Können wir nicht einen Kaffee kochen? Dann bin ich sicher bald wieder nüchtern.«
Sie gingen in die warme Küche. Louise setzte Wasser auf und Anders nahm sich eine Frikadelle aus dem Kühlschrank.
Während sie darauf wartete, dass das Wasser kochte, stellte Louise sich zum Aufwärmen an den Herd. Sie lächelte Anders verlegen an, sie waren so plötzlich in dieses grelle Licht gekommen.
Anders ging zu ihr, nahm still ihr Gesicht zwischen seine Hände, schob die Haare beiseite und küsste sie. O ja. Darauf hatte sie den ganzen Abend gewartet.
Das Wasser fing an zu kochen. Louise trat beiseite, um ihren Rücken vor dem Dampf zu schützen.
»Willst du unbedingt Kaffee?«, flüsterte sie und zupfte mit den Lippen an seinem Ohrläppchen. Er schüttelte den Kopf, Louise drehte die Platte hinter sich ab und zusammen gingen sie die Treppe zu Stines Zimmer hinauf. Louise war sicher, dass Stine ihr verzeihen würde, als sie das Licht einschaltete, die Bettdecke zur Seite schlug und sich, mit Anders über sich, aufs Bett fallen ließ.
Zwei Stunden später wurden sie von Carsten, Hans, Lene und Stine geweckt, die am Fußende lachten und johlten.
»Ihr habt’s euch ja gemütlich gemacht! Und das in meinem Bett!«, sagte Stine und versuchte verärgert zu klingen.
»Mmm.« Louise hatte die Decke ans Kinn gezogen und betrachtete sie schläfrig aus zusammengekniffenen Augen.
»Seht mal, was ich gefunden habe!« Hans richtete sich vom Boden auf und ließ triumphierend Louises Unterhose an einem Finger durch die Luft wirbeln.
Louise war das peinlich und sie verbarg ihr Gesicht in Anders’ Armhöhle. Er lächelte sie an und zwinkerte Hans zu.
»Da hast du uns ja wirklich die Tour vermasselt, alter Junge. Also ist sie vielleicht doch nicht frigide?«, fragte Carsten sarkastisch.
Lene stürzte sich augenblicklich auf ihn und Stine meinte, sie müsste jetzt aber wirklich nach unten gehen und Kaffee trinken, ehe sie alles bereute und sie hinausschmiss. Louise warf ihr eine dankbare Kusshand zu, als sie sich davonmachten.
»Danke für heute Nacht«, flüsterte Anders und drückte sie an sich, als sie wieder allein waren.
»Ebenfalls«, lächelte Louise und streichelte seine Brust. Die war glatt, aber es breitete sich langsam eine Kolonie lockiger Haare aus.
»Ich muss jetzt nach Hause.« Er gähnte und reckte sich träge.
»Wann sehen wir uns?«, fragte Louise. Sie konnte es einfach nicht ertragen, dass er gehen wollte. Es war lange her, dass sie das Gefühl gehabt hatte, so eng mit jemandem zusammen zu sein. Meistens war der erste Abend eine triste Angelegenheit. Manchmal hatte sie sich vor sich selber geekelt und sich einfach so schnell wie möglich verdrückt.
»Morgen um 8 Uhr 15, falls du nicht wie üblich zu spät kommst.« Er stand auf dem Boden und suchte im Kleiderhaufen nach seiner Unterhose.
»Du hast aber wirklich fetzige Zehen«, bemerkte er, als er ihren Fuß mit den schwarz lackierten Nägeln sah, der unter der Decke hervorlugte.
»Gott, die hatte ich ganz vergessen!«, rief Louise, hob den Kopf vom Kissen und musterte Stines Werk. »Hast du was dagegen?«
»Nein, du bist spitze. Wir sehen uns«, sagte er und beugte sich über sie. Er küsste sie hastig, aber zärtlich, dann ging er und schloss leise die Tür hinter sich.
Louise