Lisbeth Pahnke

Britta und ihr Pony


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wieder, ein guter Reiter müsse auf jedem Pferd reiten können. Natürlich wußte er, daß jeder von uns sein Lieblingspferd hatte, aber er war gar nicht damit einverstanden, wenn wir es jede Reitstunde wieder haben wollten. Wir bekämen weit mehr Erfahrung im Reiten und mit Pferden überhaupt, wenn wir immer wieder ein anderes Pferd ausprobierten, meinte er. Er hatte auch sicher recht – kein Zweifel –, als er eines Donnerstags sagte, ich solle diesmal nicht Rinaldo, sondern Fuchs im Unterricht reiten. Innerlich protestierte ich wild dagegen, vor allem, weil Anna meinen Rinaldo bekam! Fuchs war viel zu hoch für mich, für meine kurzen Beine. Als ich dann mit einem Riesenschwung doch im Sattel saß, kam ich mir recht verloren vor. Obwohl ich mich bemühte, ihn ebenso weich wie Rinaldo zu reiten, und ich auch ganz bei der Sache war, so ging doch alles verkehrt. Mir jedenfalls kam es so vor: Die Wende auf der Hinterhand mißlang; Onkel Magnus machte ein höchst kritisches Gesicht. Als wir galoppieren sollten, brauchte ich eine halbe Runde durch den Saal der Reitschule, bis ich Fuchs endlich im Galopp hatte. Und wie immer sah Onkel Magnus jeden Fehler.

      „Der Fuchs liegt falsch im Galopp!“ stellte er fest. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mein Pferd wieder in Trab zurückzunehmen und dann nochmals zum Galopp überzugehen.

      Die Unterrichtsstunde war beinahe zu Ende, als wir alle über ein Hindernis an der Längsseite des Reitsaales springen sollten. Anna sollte anfangen; sie sah recht verbissen drein, als sie auf die Spur hinausritt. Vielleicht war ihr Rinaldo ebenso fremd, wie mir ihr Fuchs – aber dieser Gedanke kam mir erst viel später.

      Wenn ich jetzt auf Rinaldo säße! dachte ich in diesem Augenblick. Hoffentlich wirft er sie ab!

      Ob man jemals anderen Böses wünschen würde, wenn man glaubte, es könne in Erfüllung gehen? Anna fiel tatsächlich vom Pferd. Sie nahm die Kurve an der Querseite viel zu schnell, kam zu plötzlich an das Hindernis; Rinaldo rutschte aus und stürzte. Anna wurde im Sturz abgeworfen und hatte ein Bein unter dem schweren Körper des Pferdes.

      Irgend jemand schrie auf – vielleicht ich – und dann war es unheimlich still im ganzen, großen Tattersall. Rinaldo lag unbeweglich und stöhnend am Boden, Anna jammerte leise. Schließlich kam das Pferde wieder auf die Beine; es schien unverletzt und hatte nur durch den Sturz die Luft verloren. Aber Anna rührte sich nicht. Onkel Magnus war mit einem Satz neben ihr: sie war ohnmächtig, und der eine Fuß, der unter dem schweren Pferd eingeklemmt worden war, stand in einem sonderbaren Winkel von ihrem Bein ab.

      „Gunnel, du übernimmst hier die Aufsicht, ich fahre Anna sofort in die Klinik, ich glaube, sie hat sich den Fuß gebrochen.“ Onkel Magnus’ Stimme klang ernst und befehlend. Aus den Reihen der Zuschauer lösten sich einige Leute und halfen Onkel Magnus, die Bewußtlose ins Auto zu tragen.

      Aus dem Springen wurde für uns nichts mehr. Wir saßen ab, alle sehr bedrückt, und bezahlten Gunnel unsere Reitstunde. Sie hatte nun die Pferde für die nächste Unterrichtsstunde einzuteilen und begann kurz danach mit der nächsten Gruppe. Von unserer Gruppe blieb nur ich zurück; ich mußte unbedingt wissen, wie es Anna ging, ich mußte auf Onkel Magnus warten.

      Ich kann doch wirklich nichts dafür, ich meinte es nicht so! versuchte ich mein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Oh, wie konnte ich nur wünschen, daß sie vom Pferd fallen solle?

      Nach einer halben Stunde kam Onkel Magnus zurück, und ich lief ihm sofort entgegen.

      „Was ist mit Anna los, wie geht es ihr?“ Ich fühlte mich elend und spürte, wie mir alles Blut aus dem Gesicht wich.

      „Sie hat sich das Fußgelenk gebrochen und wird wohl eine Zeitlang nicht reiten dürfen, sonst aber scheint alles in Ordnung zu sein.“ Onkel Magnus sah mich nachdenklich an: „Aber was ist denn mit dir los, du bist ja ganz weiß im Gesicht? Anna ist ja nicht gerade deine beste Freundin, soviel ich weiß?“

      „Nein – aber gerade deshalb! Ich … ich wünschte ihr nämlich, sie solle fallen.“ Ich wagte es nicht, Onkel Magnus anzusehen, bemerkte aber doch ein leises Lächeln in seinen Mundwinkeln.

      „Was geschehen ist, hat Anna sich ganz und gar selbst zuzuschreiben. Sie ritt viel zu schnell und nachlässig in die Kurve hinein – das weißt auch du. Deshalb sollst du dir über ihren Sturz keine Vorwürfe machen … und wenn du dich ehrlich fragst, dann hast du es doch gar nicht ernsthaft gewollt. Stimmt es nicht, was ich sage?“

      „Natürlich habe ich es nicht gewollt.“ Voll Dankbarkeit sah ich zu ihm auf. Wie gut er uns immer verstand.

      Das Weihnachts-Springturnier rückt näher

      „Heute können wir sie bestimmt nicht ausführen“, sagte ich traurig zu Eva Lena und blickte ärgerlich auf den Weg hinaus. „Dieser elende Schneematsch ist über Nacht gefroren! Wie die Wege jetzt aussehen, wäre es lebensgefährlich, unsere Pferde auszureiten.“

      Eva Lena schaukelte auf ihrem Küchenstuhl.

      „Ich weiß! Silber wird mir noch ganz verrückt – es war ja gestern und vorgestern genauso –, und wenn man nur zu ihm hinschaut, bäumt er sich schon auf. Aber gerade ihn können wir nicht hinauslassen, denn er ist ja noch nicht beschlagen. Vermutlich könnten wir ihn auch kaum halten, jetzt, nachdem er drei Tage lang im Stall gestanden hat. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn wir ihn auf das Glatteis hinausließen!“

      „Und Lilleman? Er hat ja Hufeisen. Wenn wir ihm noch Eisnägel aufsetzten? Habt ihr Eisnägel im Stall?“

      „Komm mit, wir fragen Großvater!“

      Wir stürzten die Kellertreppe hinunter, stolperten über ein paar riesengroße Gummistiefel und fielen beinahe auf Eva Lenas Großvater, der mit einer Tischlerarbeit an seiner Arbeitsbank stand. Er lachte über uns, die wir wie die wilde Jagd daherkamen, und sagte: „Gut, daß ihr kommt, Mädchen, nun könnt ihr mir gleich helfen, den Schleifstein zu drehen!“

      Wir halfen gern. Im Keller roch es gut, eine Mischung von Leder, Holz und Malerfarbe hing in der Luft. Eva Lena fragte, ob es Eisnägel im Stall gäbe.

      „Es müßten wohl welche da sein“, sagte der Großvater nachdenklich mit seiner typischen Altmänner-Bedachtsamkeit. „So. Ich meine, nun taugt die Axt wieder.“ Dann zog er eine Schublade auf und suchte in den vielen, mit Nägel angefüllten Fächern herum. „Da haben wir sie schon! Wieviele braucht ihr? Vier an jedem Hufeisen, das ist richtig“, antwortete er sich selbst. Dann wandte er sich wieder an uns: „Am besten gehe ich mit euch in den Stall hinauf und zeige euch, wie man ein Pferd mit Eisnägeln beschlägt.“

      „Wir nehmen ihn aus der Box, drin ist es so dunkel“, sagte Eva Lena, als wir in den Stall kamen. Also führten wir Lilleman aus seinem Verschlag heraus, bis an die Stalltür, wo das helle Tageslicht einfiel. Silber biß ungeduldig an seinem Halfterband und schlug gegen die Wände seiner Box, daß man meinen konnte, es wären fünf Pferde darin.

      „Aber Silber!“ rief ich ihn leise an. „Silber, Kerlchen!“

      Sogleich wurde er ruhig, stand mucksmäuschenstill da und horchte auf meine Stimme. Und wieder redete ich ganz leise und zärtlich mit ihm:

      „Du Schlingel, hast du rechte Langeweile? Gibt es denn niemanden auf der ganzen Welt, der sich um dieses liebe kleine Pferd kümmert?“

      Silber sah aus, als täte er sich selbst leid. Ich mußte lachen und ging zu ihm in die Box, um ein bißchen mit ihm zu schmusen. Sein langer grauer Haarschopf hing weich und gewellt beinahe bis zu den Nüstern hinunter.

      „Du bist ein richtiger kleiner Wilder“, sagte ich und strich ihm weich über das Maul. Und wie immer, wenn man sich mit ihm beschäftigte, hielt Silber ganz still und war sehr friedlich gelaunt. Er mochte es gern, wenn man ihn hinter den Ohren kraulte, und er ließ sich auch gern striegeln. Als ich die Box wieder verließ, schlug er ärgerlich nach hinten aus und warf den Kopf zurück, daß das Weiße seiner Augäpfel unter dem dichten Haarschopf hervorblitzte.

      Inzwischen hatte Eva Lenas Großvater Lillemans linken Vorderfuß angehoben und zeigte uns, wie man einen Eisnagel einschlagen muß, damit er gleich oberhalb des Hufeisenrandes hervorragt.

      „Ganz