Magnhild Bruheim

Letztes Blind Date - Norwegen-Krimi


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      Magnhild Bruheim

      Letztes Blind Date - Norwegen-Krimi

      Kriminalroman

      Aus dem Norwegischen von

       Hanne Hammer

      Saga

      Letztes Blind Date - Norwegen-Krimi ÜbersetztHanne Hammer Coverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 2005, 2020 Magnhild Bruheim und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726445121

      1. Ebook-Auflage, 2020

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

      – a part of Egmont www.egmont.com

      Die Autorin

      Die Schriftstellerin und Journalistin Magnhild Bruheim (1951) lebt und arbeitet in Lillehammer. Letztes Blind Date ist ihr fünfter Kriminalroman.

      Mesnaelva, Dienstag, 16. Oktober 2001, 12.35 Uhr

      Alles begann mit einem roten Limonadenverschluss. Einem einzelnen Verschluss aus Plastik. Einem kleinen Farbfleck, der in der grauen Landschaft leuchtete. Der Verschluss lag auf dem schwarzen Felsen. Hätte der rote Fleck nicht ihren Blick eingefangen, hätte Tone Tarud die tote Frau sicher nicht gesehen.

      Der Farbfleck zog sie an. Ein paar Schritte und sie entdeckte, dass irgendetwas in der breiten Felsspalte einige Meter unter ihr lag. Neugierige Verwunderung führte sie näher. Bis sie sah, was es war. Das heißt, zuerst begriff sie nicht, was sie sah. Deshalb vergingen einige Sekunden, bevor sie reagierte.

      Die Frau hatte blondes, halblanges Haar und lag mit dem Gesicht zur Erde. Irgendetwas an ihr kam Tone bekannt vor. Sie trug eine Jacke aus dunklem, grobem Stoff, Wolle vielleicht, und eine dunkle Hose. Ein Arm war unter dem Körper verborgen, der andere nach vorn gedreht. Mitten in dem blonden Haar war ein Fleck in der gleichen Farbe wie der Limonadenverschluss. Vielleicht ein wenig dunkler. Und größer. Rotes, frisches Blut.

      Tone nahm die Szene langsam in sich auf. Versuchte, eine logische Erklärung zu finden. Die seltsame Stellung. Das Blut, das am Hinterkopf klebte. Die Frau musste gestolpert und in die Felsspalte gefallen sein. Zwei Meter weiter unten fiel der Felsen steil ab. Es wäre leichter zu verstehen gewesen, wenn sie dort hinuntergefallen wäre.

      Tone Tarud griff nach dem Handy in ihrer Tasche. Wie lautete die Nummer der Polizei? 110? 112? 113? Warum konnte sie sich das einfach nicht merken?, dachte sie verzweifelt. Sie bemühte sich, die richtigen Tasten zu finden. Sie versuchte es mit der 112. Und landete bei der Feuerwehr. Die richtige Nummer war die 110. Ihre Stimme ließ sich genauso schwer unter Kontrolle bringen wie ihre Finger, als sie dem Polizisten am anderen Ende erklärte, wer sie war. Bevor sie begriffen hatte, was sie tat, hatte sie versprochen, vor Ort zu bleiben, bis die Polizei eintraf. Sie bereute es sofort.

      Hier konnte sie keine Sekunde länger bleiben! Sie wollte hinunter in die Stadt, unter Menschen. Hier war sie ganz allein ... oder? Das rote Blut im Haar. Vielleicht beobachtete sie in diesem Moment jemand durch den Nebel, von einem Versteck im Wald aus? Ihre Brust schnürte sich zusammen. Sollte sie die 110 noch einmal wählen und sagen, dass sie keine Zeit hatte? Wie immer gewann das Pflichtgefühl die Oberhand. Aber da war auch noch etwas anderes: eine neugierige Spannung, die sich nicht leugnen ließ. Was war hier passiert?

      Sie wollte nicht auf dem Felsen stehen bleiben. Sie zog sich zurück. Näher zum Weg hin. Hier fand sie einen Sitzplatz, der ihr eine gute Aussicht ermöglichte. Gleichzeitig gab er ihr das Gefühl, nicht ganz so auf dem Präsentierteller zu sitzen. Eine nasse Kälte vermischte sich mit Angst und Neugierde.

      Die Gedanken ausschalten. Oder sich mit anderen Dingen beschäftigen. Mit dem Abend. Mit ihrem Blind Date. An diesem Tag, der so gut angefangen hatte. Sie war um 7.30 Uhr aufgewacht und hatte etwas empfunden, was Lebenslust ähnelte. Lust auf den Tag. Lust aufzustehen. Vielleicht war sie endlich auf dem Weg aus dem schwarzen Loch, in dem sie allzu lange gesteckt hatte. Nicht einmal der Anblick des dichten Nebels, der die Landschaft erstickte, hatte sie entmutigen können. Sie hatte einen Plan für den Tag gehabt, der damit begann, dass sie zu Fuß nach Lillehammer gehen wollte. Den ganzen langen Weg von ihrem Haus in Mesnali aus. Das hatte sie erst ein Mal gemacht, seit sie vor fünf Jahren in diese abseits gelegene Gegend gezogen war.

      Und jetzt saß sie hier im Wald und fror. Die Bilder kamen wieder und holten sie an den Ort des Geschehens zurück. Rotes Blut in blondem Haar. Gelbes Laub auf schwarzem Fels. Der Limonadenverschluss. Sie bewachte eine Leiche. Bei dem Gedanken an die Frau, die zwanzig Meter unter ihr in der Felsspalte lag, schlug ihr Herz schneller. Wer war sie?

      Sollte sie doch die Polizei anrufen und sagen, dass sie nicht warten konnte? Der Boden war feucht und sie saß unbequem. Sie wagte nicht, sich zu rühren. Der Gedanke an Mord kam ihr in den Sinn. Eigentlich war er sofort da gewesen, als sie die Leiche entdeckt hatte. Doch jetzt kam er näher, wurde aufdringlicher. War die Frau ermordet worden? Oder war ihre Fantasie von dem Projekt, das sie gerade verfolgte, beeinflusst? Sie arbeitete an einer Sendereihe über Morde.

      Alles wirkte ganz still, auch wenn die Ohren das Rauschen des Flusses und des Waldes aufnahmen. Falls hier jemand herumschlich, würde sie ihn vielleicht erst bemerken, wenn er ganz nahe war. Wo blieb die Polizei? Auf dem Teil des Weges, den sie einsehen konnte, war kein Zeichen von Leben zu entdecken. Die Uhr zeigte zwei Minuten nach eins. Zwanzig Minuten waren seit ihrem Anruf vergangen. Dauerte es wirklich so lange, von der Polizeiwache hierher zu fahren, zu parken und vom Parkplatz heraufzukommen? 13.02 Uhr. Wenn sie noch lange warten musste, kam sie zu spät zu ihrem Interview.

      Ihr linker Fuß schlief langsam ein. Sie musste aufstehen, die Stellung wechseln. In dem Moment, in dem sie sich erhob, knackte es in den Büschen ein paar Meter unter ihr. Angst überkam sie und sie zuckte zusammen. Rührte sich da unten nicht etwas? Nur eine Sekunde, dann war es vorbei.

      Ein Vogel flog auf, ebenso erschrocken wie sie. Sie hatte ihn wohl gestört. Sie musste die Angst vor Geräuschen überwinden, indem sie selbst Geräusche machte. Sie musste jemanden anrufen, reden. Sie hatte das Handy schon in der Hand, als zwischen den Bäumen etwas auftauchte. Erneut spürte sie die Angst, bis sie sah, dass es Polizisten waren. Endlich. Zwei schwarze Uniformen näherten sich, Schritt für Schritt. Ihr Körper war steif, als sie sich erhob, um ihnen entgegenzugehen.

      »Høistad.«

      »Ruud.«

      Die beiden Polizeibeamten stellten sich vor. Beide hatten warme Hände. Tone sagte ihren Namen, wie sie das auch am Telefon getan hatte, und zeigte ihnen die Fundstelle. Sie selbst hielt sich ein wenig auf Abstand. Doch nur so weit, dass sie noch etwas sehen konnte. Wenn sie schon einmal hier war, wollte sie auch alles mitbekommen. Außerdem wusste sie, dass man sie bitten würde zu warten, um sie genauer zu befragen.

      Nach einer kurzen Inspektion der Leiche holte einer der beiden sein Handy heraus. Der andere kam zu Tone zurück. »Kennen Sie die Frau?«, fragte er.

      »Sie meinen ...?« Sie nickte in Richtung der toten Frau. Dann schüttelte sie den Kopf.

      »Sie haben uns um 12.40 Uhr angerufen. Wann haben Sie sie gefunden?«

      »Unmittelbar davor ... natürlich.« Konnte daran ein Zweifel bestehen?

      »Gegen 12.35 Uhr also?« Er notierte sich die Zeit auf einem kleinen Block, ohne Tone anzusehen. Sein Haar war leicht gelockt und er hatte eine hohe Stirn. Das Gesicht war rund mit einer etwas platt gedrückten Nase, der Körper mittelgroß und kräftig. Er war jung, kaum über dreißig. »Was haben Sie hier gemacht?«, fragte er.

      »Ich war auf dem Weg ... in die Stadt.« Sie stotterte leicht.

      »In die Stadt? Von wo aus?«

      »Von Mesnali. Da wohne ich.«

      »Und