Teri Terry

EXIT NOW!


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der wir gekommen sind, aber ich weiß ja gar nicht, wo sie wohnt und wie sie da hinkommen wollte, deshalb kann ich mich nicht mal vergewissern. Ich habe solche Angst um sie. Warum wollte sie bloß nicht bei uns mitfahren?

      Diese beiden ersten Nachhilfestunden verliefen nicht wie erwartet. Ava hat mich zwar dazu gebracht, was für die Schule zu tun, aber da waren auch noch die Sachen, über die wir geredet haben. Und dass ich sie zeichnen durfte.

      Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so offen war wie heute Ava gegenüber. Dabei weiß ich noch nicht mal, warum. Vielleicht weil ich so wenig geschlafen hatte.

      Dass ich ihr erzählt habe, dass ich nicht an die Liebe auf den ersten Blick glaube. Meine Freundinnen würden das nicht verstehen. Darüber reden sie nämlich ständig. Mit Charlize bin ich befreundet, seit wir fünf sind. Früher haben wir uns alles anvertraut. Sie stand mir näher als jeder andere. Doch das hat sich geändert, seit Charlize Jungs für sich entdeckt hat. Jede Woche verliebt sie sich neu und will dann über nichts anderes reden. Deshalb habe ich ihr natürlich nicht gesagt, wie ich darüber denke.

      Und dann habe ich auch noch gesagt, dass ich nicht glaube, dass es den einen Menschen gibt, der uns vom Schicksal vorherbestimmt wurde. Ich habe jedenfalls noch nie so jemanden kennengelernt.

      Ava ist anders als alle meine anderen Freunde. Ich habe wirklich versucht, sie zu malen, so wie sie ist, aber ich habe ihre Augen nicht hinbekommen. Wenn sie mir bloß noch mal Modell sitzen würde. Das wünsche ich mir.

      Hoffentlich ist alles okay, Ava.

      Ich kenne sie doch kaum. Natürlich würde ich mich um jedes Mädchen aus der Schule sorgen, aber warum geht sie mir so nah? Das verstehe ich nicht.

       AVA

      Es wird kälter und ich schlinge beim Gehen die Jacke enger um mich.

      Die Straße, in der der Bus normalerweise abfährt, ist gesperrt. Ich laufe einen großen Schlenker, aber überall stehen orange-weiße Straßensperren. Die Polizei vor Ort wirkt wachsam, nervös. Wo soll ich denn jetzt noch langgehen?

      Dad wüsste natürlich, wie ich am besten nach Hause käme, das wissen Taxifahrer immer, aber wenn ich ihn jetzt anrufe, macht er sich bloß Sorgen, und bei den Blockaden überall kann er mich ja doch nicht holen. Ich werde mal in dem kleinen Shop fragen, in dem ich manchmal was kaufe. Doch als ich dort ankomme, ist er geschlossen. Der ist sonst nie geschlossen. Als ich mich umschaue, wird mir ernsthaft bewusst, wie leer gefegt es plötzlich ist. Und auch so still, als würden Straßen, Gebäude und Gehwege den Atem anhalten. Wo sind denn die Leute hin?

      Polizeiwagen rasen vorbei, dann sind da plötzlich Schreie, ein lauter Knall und dann noch einmal, sodass mir fast die Ohren wegfliegen. Waren das Schüsse?

      Wenigstens ist die Straße vor mir nicht gesperrt, bloß weg hier. Ich eile in die entgegengesetzte Richtung, am liebsten würde ich rennen, aber das sollte ich lieber sein lassen. Zurzeit sieht es die Londoner Polizei gar nicht gerne, wenn man rennt. Ich laufe und laufe, bis der Lärm kaum noch zu hören ist und ich erschöpft stehen bleibe. Ich habe mich total verlaufen. Aber wenigstens sind hier ein paar Menschen auf der Straße zu sehen, nicht so viele, wie man an einem solch schönen Abend erwarten würde, aber ich kann schon wieder durchatmen.

      Mein Telefon summt. Dad.

      »Hi.«

      »Wo bist du?«

      »Weiß ich nicht genau. Ich wollte den Bus nehmen, musste aber einen Umweg gehen.«

      »Das habe ich mir schon gedacht. Finde heraus, wo du bist, dann hole ich dich ab.«

      Eigentlich sollte ich Nein sagen. Ich bin doch schon siebzehn. Und die Gefahr ist vorüber. Ich sollte einfach selbst mit dem Bus oder der U-Bahn nach Hause fahren.

      Stattdessen laufe ich zur nächsten Ecke und lese ihm die Straßennamen vor, damit er mich abholen kommt.

       SAM

      Ich kann nicht einschlafen und stehe schließlich wieder auf. Bestimmt kann Dad herausfinden, was mit Ava ist. Sollte ihr was zugestoßen sein, wird die Polizei es wissen; und Dad würden sie es bestimmt sagen. Auch wenn er Scotland Yard schon vor Jahren verlassen hat, hat er noch genügend Kontakte, um schnell eine Antwort zu bekommen. Ich gehe in den vorderen Teil des Hauses und behalte vom Fenster aus den Haupteingang im Blick.

      Es ist schon nach Mitternacht, als sein Wagen endlich auftaucht. Ich warte auf der Treppe auf ihn.

      »Hallo, Dad.«

      »Sam? Du bist ja noch wach!«

      »Ja, ich wollte dich was fragen.« Doch genau da summt das Telefon in meiner Hand.

      Ava hier. Habe deine Nummer über die Schule. Wollte dir nur sagen, mach dir keine Sorgen, bin gut zu Hause angekommen. Gute Nacht.

      »Was denn?«

      Ich schüttle den Kopf. »Ich habe mir um jemanden Sorgen gemacht. Aber ich habe gerade erfahren, dass alles okay ist.« Ist Ava jetzt erst zu Hause? Oder ist ihr bloß gerade eingefallen, mir zu schreiben?

      Dad legt den Arm um mich. »Wenn du ohnehin wach bist, kannst du ja auch mit mir anstoßen. Ich werde mir einen Whisky genehmigen. Wie wär’s mit einem heißen Kakao?«

      »Was gibt’s denn zu feiern?«

      »Heute Abend ist alles sehr gut gelaufen. Komm.«

      Ich folge ihm in seine kleine Büroküche und bin überrascht, dass er mitten in der Schulwoche mit mir anstoßen will und mich nicht sofort ins Bett schickt. Oder weiß er schon, dass der Unterricht morgen ausfällt?

      »Hat das was mit dem zu tun, was rund um die Schule passiert ist?«

      »Ja, der Stromausfall war nur ein Trick. Es waren Angriffe in dem Bezirk geplant. Wir haben sie verhindert.«

      »Bei meiner Schule?« Ich bin geschockt. Seit ich elf bin, gehe ich dorthin. Oft habe ich mich da gelangweilt, fühlte mich auch eingesperrt mit all den Zäunen, Toren und der Security, aber ich habe mich immer sicher gefühlt.

      »Keine Sorge, ich habe den Einsatz überwacht. Es war alles unter Kontrolle. Ansonsten hätte ich dich da mit einem Hubschrauber rausgeholt. Ehrenwort.«

      Dad schenkt sich einen Whisky ein. Als der Kessel pfeift, gießt er mir heißes Wasser in einen Becher und rührt Kakaopulver hinein. Ich habe hier schon seit Monaten keinen Kakao mehr getrunken. Wahrscheinlich ist er längst abgelaufen. »Bitte«, sagt er.

      »Wie dicht war es denn an der Schule dran?«

      »Dicht.«

      »Und was geschieht dort morgen?«

      »Das gesamte Viertel ist abgeriegelt und wird durchsucht. Deine Schule bleibt mindestens einen Tag lang geschlossen.«

      Klirrend stoße ich mit ihm an. »Juhu! Ist das auch sicher?«

      Er nickt. »Gewöhn dich bloß nicht dran.«

      »Wer steckt denn dahinter? Was hatten die geplant?«

      »Es wird sowieso bald öffentlich bekannt gegeben, deshalb kann ich’ s dir auch sagen. Nur bitte behalt es bis morgen für dich.«

      »Eigentlich habe ich nach Mitternacht immer eine Telefonkonferenz mit der Presse, aber ich kann sie ja dieses eine Mal ausfallen lassen.«

      »Sei so gut. Hast du schon mal von A4A gehört? Anarchy for all?«

      »A4A? Ich habe neulich vom Wagen aus die Graffiti gesehen. Vorher nie.«

      »Das ist eine dieser Splittergruppen, Anarchisten, die nur Chaos und Zerstörung wollen. Zunächst haben sie das Stromnetz lahmgelegt – die empfindlichen Sicherheitssysteme von Privatleuten und Geschäften ausgeschaltet –, um dann Anschläge zu verüben. Ihre Ziele schienen dabei willkürlich. Doch wir haben vorher Wind von der Sache bekommen und