Schauspiel. Welch eine gefährliche Sonderbarkeit.«
»Fürchterlich, wenn Sie so wollen, aber durchaus nicht gefährlich. Wenn Sie sich der Mühe unterziehen, den Vorgang genau zu beobachten, so werden Sie bemerken, daß jedes Tier sehr ruhig unter der Aufsicht seines Herrn daherschreitet. Allerdings werden einige von den Tieren an der Leine geführt, aber das sind durchschnittlich die kleineren oder schüchternen Arten. Der Löwe, der Tiger und der Leopard sind vollkommen ungefesselt. Ohne Schwierigkeit sind sie zur Ausfüllung ihres gegenwärtigen Standes dressiert worden und dienen ihren Eigentümern sozusagen als Kammerdiener. Es ist wahr, mitunter bricht bei ihnen die unterdrückte Natur wieder durch – aber, du lieber Gott, das Verschlingen eines Kriegers, das Erwürgen eines geweihten Stieres sind Dinge von zu geringer Wichtigkeit, als daß man sich in Epidaphne besonders darum kümmern würde.«
»Aber was höre ich dort für einen unglaublichen Lärm? Das ist doch sogar für Antiochia ein überlautes Geräusch! Dort muß doch etwas Besonderes vorgehen.«
»Ja, sicherlich. Der König hat ein neues Schauspiel angeordnet, wohl irgendeinen Gladiatorenkampf im Hippodrom oder vielleicht die Abschlachtung der szythischen Gefangenen oder die Niederbrennung seines neuen Palastes oder die Niederreißung eines schönen Tempels oder schließlich ein mit einigen Judenleibern geschürtes Freudenfeuer. Immer größer wird der Lärm. Lachsalven steigen zum Himmel. Die Luft ertönt vom Schalle der Blasinstrumente und erschallt vom Geschrei aus hunderten von Kehlen. Wir wollen doch zu unserm Vergnügen ein wenig herabsteigen und sehen, was vorgeht. Hier hinüber bitte. Vorsicht. Wir sind hier in der Hauptstraße, die den Namen Timarchusstraße führt. Der Menschenstrom kommt von dieser Seite, und es würde uns schwer fallen, der Flut Widerstand zu leisten. Die Menge drängt sich durch die Heraklidenallee, die vom Palast hierher führt; daraus können wir schließen, daß der König wohl unter den Unruhestiftern ist. Freilich, ich höre die Rufe des Herolds, der sein Nahen in der blumenreichen Sprache des Orients verkündigt. Wir werden einen flüchtigen Blick auf ihn werfen können, wenn er am Ashi mahtempel vorüberkommt. Wir wollen die Vorhalle dieses Gebäudes betreten, um dort einen sicheren Platz zu haben. Der König wird gleich hier sein. Inzwischen betrachten wir diese Statue. Gott Ashimah ist es selbst. Sehen Sie, er ist weder als Lamm noch als Ziege noch als Satyr dargestellt. Und dem Pan der Arkadier gleicht er auch nicht. Trotzdem haben die Gelehrten späterer Zeiten sich den syrischen Ashimah in diesen Gestalten vorgestellt – das heißt: sie werden ihn sich so vorstellen. Augen auf! Wie stellt er sich Ihnen dar?«
»Hilf, Himmel! Das ist ein Affe!«
»Stimmt, ein Pavian; sein Name hängt mit dem lateinischen simia zusammen – was für Toren doch die Altertumsforscher sind. Doch sehen Sie, dort – dort eilt ein kleiner zerlumpter Schelm dahin. Wohin läuft er? Was ruft er aus? O! Er verkündet, daß der König festlich einherzieht, daß er sein Staatskleid angezogen hat, daß er eben mit eigener Hand tausend gefesselte israelitische Gefangene getötet hat. Für diese heroische Tat erhebt das Lumpenkerlchen ihn bis zum Himmel. Horch! Dort kommt eine Gruppe von Leuten derselben Sorte. Sie haben eine lateinische Hymne auf die Heldenhaftigkeit des Königs verfaßt und singen sie beim Dahinschreiten:
Mille, mille, mille, Mille, mille, mille Decollavimus, unus homo! Mille, mille, mille, mille decollavimus! Mille, mille, mille! Vivat qui mille, mille occidit ! Tantum vini habet nemo, Quantum fudit sanguinisi!
Was etwa folgendermaßen zu übersehen ist:
Tausend, tausend, tausend,
Tausend, tausend, tausend
Von uns, durch einen Krieger, vernichtet!
Tausend, tausend, tausend, tausend,
Verkündet, daß tausend der Starke gerichtet!
Der König soll leben!
Die Feinde erbeben!
Ihm, der tausend kalt gemacht,
Ein Hoch dem Königssproß,
Der des Blutes mehr vergoß,
Als Syrien je an Wein gebracht!«
»Hören Sie die Trompetenfanfaren?«
»Ja, der König kommt. Sehen Sie! Das Volk ist außer sich vor Begeisterung, sie erheben ihre Augen verzückt gen Himmel. Er kommt, er naht! Da ist er!«
»Wer? Wo? Der König? Ich kann ihn nicht erblicken, – kann wirklich nicht behaupten, daß ich ihn sehe.«
»Dann müssen Sie blind sein.«
»Wohl möglich. Ich sehe aber wirklich nichts als eine tumultuarische Menge von Idioten und Irrsinnigen, die sich vor einer riesigen Giraffe in den Staub werfen und sich um eine Berührung ihrer Hufe bemühen. Sehen Sie. Eben hat die Bestie einen aus dem Schwarm niedergetreten – noch einen – und noch und noch einen. Ich muß das Tier tatsächlich wegen des geschickten Gebrauchs bewundern, den es von seinen Füßen macht.«
»Dieser Pöbelhaufe. Aber das sind ja die edlen, freien Bürger von Epidaphne! Bestie, sagten Sie? Nehmen Sie sich in acht, daß niemand dies Wort vernimmt. Sehen Sie nicht, daß das Tier ein Menschenantlitz trägt? Mein Lieber, dieser ›Kamelopard‹ ist niemand anders als Antiochus Epiphanes – Antiochus der Große, König von Syrien, der mächtigste aller orientalischen Autokraten. Es ist nicht zu leugnen, daß man ihn auch manchmal Antiochus Epimanes (Antiochus den Tollen) nennt, aber das liegt nur daran, daß nicht alle Menschen fähig sind, seinen Verdiensten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Man muß auch zugestehen, daß er sich augenblicklich in einer Tierhaut verbirgt und sich alle Mühe gibt, die Rolle eines Kameloparden zu spielen; aber das tut er nur, um seine Königswürde mehr zu betonen. Im übrigen ist der König von riesenhafter Gestalt, und darum ist für ihn diese Tracht weder zu groß noch unvorteilhaft. So können wir uns also darauf verlassen, daß er sie nur angenommen hat, um bei einer besonderen Gelegenheit außergewöhnlich prunkvoll aufzutreten. Sie werden doch zugeben, daß die Niedermetzelung von tausend Juden ein würdiger Anlaß dazu ist. Wie hoheitsvoll und würdig wandelt der Monarch auf allen vieren dahin! Sie bemerken, daß seine zwei Lieblingskonkubinen, Elline und Argelais, seinen Schwanz hoch halten. Seine ganze Erscheinung wäre unendlich einnehmend, wenn nicht die Augen so aus dem Kopfe hervorquellen würden und das Gesicht nicht eine so unbeschreiblich widerliche Farbe zeigte – eine Folge des im Übermaß genossenen Weines. Wir wollen ihm zum Hippodrom folgen und dem Triumphgesang lauschen, den er anstimmt:
Wer herrscht außer Epiphanes?
Sagt es mir doch.
Wer herrscht außer Epiphanes?
Hurra! Hoch!
Keiner außer Epiphanes
Im Weltenhaus!
So reißt die Tempel nieder,
Und löscht die Sonne aus!
Schön und wacker gesungen. Die Volksmenge ruft ihm ›Fürst der Dichter‹ ›Ruhm des Ostens‹, ›Wonne des Weltalls‹, ›wunderherrlichster Kamelopard‹ zu. Sie haben nach einer Wiederholung seines Gesanges verlangt, und – hören Sie? er singt ihn noch einmal. Sobald er am Hippodrom angelangt sein wird, wird man ihn mit dem Dichterkranz schmücken, dem Vorläufer des Kranzes, der ihn nach seinem Siege bei den nächsten olympischen Spielen schmücken wird.«
»Aber, beim Zeus, was ist denn in der Menge hinter uns für eine Bewegung?«
»Hinter uns, sagten Sie? O ja! Ich sehe. Es ist gut, mein Freund, daß Sie mich beizeiten darauf aufmerksam machten. Lassen Sie uns schnell ein Planchen gewinnen, wo wir uns in Sicherheit befinden. Verstecken wir uns hier im Bogen dieses Aquädukts, und ich will Sie dort gleich über die Ursache dieser Verwirrung aufklären. Es ist genau so gekommen, wie ich voraussah. Die seltsame Erscheinung der Giraffe mit dem Menschenkopf hat, wie es scheint, das Anstandsgefühl der in der Stadt gezähmten wilden Tiere beleidigt. Die Folge ist ein Aufruhr; und, wie immer bei solchen Gelegenheiten, ist Menschenmacht nicht imstande, die aufständische Menge zu beruhigen. Schon sind mehrere Syrier zerrissen, aber die allgemeine Stimmung scheint bei den vierfüßigen Patrioten dahin zu gehen, die Giraffe aufzuspeisen. Der ›Fürst der Dichter‹ hat sich daher, um sein Leben