Ursula Isbel-Dotzler

Sturm über Ravensmoor


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er.

      »Nichts passiert«, murmelte ich zurück.

      »Der Schraubenzieher ist abgebrochen. Hoffentlich finde ich noch einen anderen in meinem Krempel.« Verlegen sahen wir aneinander vorbei. »Kim hat vorher angerufen. Sie ist total daneben.«

      »Wegen Flora, ja.« Ich drückte das Tablett fester an mich. »Diesmal kann sie sie nicht bei dir verstecken.«

      »Nein, das sicher nicht. Ihr hochwohlgeborener Vater würde sofort hier aufkreuzen. Nicht dass ich Angst vor ihm hätte, aber er hat eine Menge Einfluss in unserer Gegend und könnte mir allerhand Schwierigkeiten machen. Er könnte mir die Leute vom Veterinäramt auf den Hals hetzen und solche Sachen.«

      »Deinen Tieren geht’s doch total gut auf Little Eden!«

      »Schon. Nur gibts eine Unmenge Vorschriften und Bestimmungen über Tierhaltung. Wenn sie wollen, finden sie immer was. Klar geht es meinen Tieren besser als anderen, die ihr ganzes armseliges Leben lang in keimfreien Ställen stehen und sich nicht umdrehen können und nie das Tageslicht oder eine Wiese sehen. Das ist Tierquälerei, aber es entspricht den Gesetzen, verstehst du? So abartig ist das.«

      Ich wäre gern noch länger stehen geblieben, mit dem Futtereimer und dem Teetablett, doch er wandte sich ab und ging mit langen Schritten ins Haus.

      Vor dem Stall kniete Niels neben dem ausgehängten Tor und wühlte in einer alten Kiste herum.

      »Zu Weihnachten schenke ich Stevie einen Werkzeugkasten mit allem Drum und Dran«, sagte er. »Diesen vorsintflutlichen Schrott kann man vergessen.«

      »Die Indianer haben bestimmt auch keine Werkzeugkästen vom Baumarkt in ihren Tipis«, erwiderte ich.

      Stevies Stall entsprach vielleicht nicht den Vorschriften, aber er war sauber und warm und gemütlich wie eine Höhle, und ich hätte schwören können, dass sich die Tiere darin wohlfühlten. Im dunklen Gebälk nisteten im Frühling die Schwalben. Jetzt, im Winter, kuschelten sich auch die Katzen manchmal in die Streu, dicht bei den Ponys und den Schafen. Es roch nach Heu und Pferden, nach Staub und den verschrumpelten Äpfeln, die Stevie unter dem Dach gelagert hatte. Die Mischung aus Düften war wunderbar. Ich hätte sie am liebsten in ein Glas gefüllt und mitgenommen.

      Ich stellte das Teetablett auf eine der alten Futterkrippen. Dann ging ich mit dem Eimer auf die Weide und schloss das Gatter vor Puccinis Nase.

      Die Ponys tauchten hinter einer Baumgruppe auf und verdrückten schmatzend ihre Apfelschnitze. Von irgendwo kamen die Schafe angetrappelt und umringten mich, voran Quannik, die kleine »Schneeflocke«, die inzwischen fast schon ein erwachsenes Schaf war.

      Viel zu rasch war der Eimer leer bis auf einen Rest für Dreibeinchen, das noch immer unter den Weißdornbüschen stand und mich beobachtete. Ich wusste, es würde nicht zu mir kommen, dazu war es noch nicht zahm genug. Nur zu Stevie hatte es inzwischen Zutrauen gefasst. Es ließ sich von ihm streicheln, aß ihm aus der Hand und kam, wenn er es rief.

      Die Ponys und zwei von den Schafen folgten mir zum Gehölz. Ich musste sie davon abhalten, sich auf das Häufchen Äpfel und Karotten zu stürzen, das für Dreibeinchen bestimmt war, denn es aß nicht, solange ich in seiner Nähe war. Doch wenigstens flüchtete es jetzt nicht mehr vor mir.

      Mit leiser Stimme redete ich zu ihm, hielt Cinnamon und Pepper am Halfter fest und verstellte den Schafen den Weg.

      Wie immer flog mein Herz dem jungen Reh zu. Es war so wunderschön und rührend mit seinem sanften, unschuldigen Blick, dem hellbraunen Fell und der feuchten dunklen Nase.

      Ich vermied es, seinen Beinstumpf anzusehen. Sonst war es derart vollkommen, anmutig und bezaubernd, dass ich mich jedes Mal zusammennehmen musste, um nicht niederzuknien und die Arme um seinen Hals zu schlingen.

      Niels und Stevie saßen nebeneinander auf einer Kiste im Stall, die Becher mit dem dampfenden Tee in den Händen. Ich ließ mich neben Stevie nieder, denn er war ein Stück zur Seite gerückt, um mir Platz zu machen. Bei ihm bemerkte ich jedes kleine Zeichen, jede winzige Geste, die zeigte, dass er mich mochte und mich nicht als lästig empfand wie die meisten anderen Zweibeiner.

      Mein Ellbogen berührte Stevies Arm. Seine Nähe machte, dass sich mein Kopf irgendwie benebelt anfühlte. Ich verschluckte mich am Tee, und Stevie klopfte mir auf den Rücken, während Niels sagte: »Der springende Punkt ist, wie viel sie für die Stute haben wollen. Wir schwimmen nicht gerade im Geld.«

      Sie hatten also über Flora gesprochen. Stevie erwiderte: »Ich bin nicht sicher, ob Seine Hochwohlgeboren sich herablassen würde, eins seiner Pferde an Leute aus der Nachbarschaft zu verkaufen. Die Tatsache, dass er dringend Geld braucht und sich nicht mal mehr zwei Pferde leisten kann, nagt bestimmt an seinem Stolz. Am liebsten wäre ihm wohl ein Käufer aus einem ganz anderen Teil des Landes, der die Ravensmoors nicht kennt und in einer anderen Gesellschaftsschicht verkehrt.«

      »Wir verkehren auch nicht in seiner Gesellschaftsschicht«, wandte ich ein.

      »Ja, aber ihr lebt hier, und eure Großmutter kennt fast jeden in dieser Gegend.«

      Es würde nicht einfach werden, das war es, was Stevie uns sagen wollte. Die erste Hürde, die wir nehmen mussten, waren unsere Eltern – vor allem Paps. Mama war leicht zu überreden, wenn es um ein Pferd ging, und sie mochte Kim.

      Ich war entschlossen, die Sache anzupacken, solange Niels noch zu Hause war. Auf seine Unterstützung konnte ich zählen. Außerdem hielt Paps viel von seiner Meinung.

      Da mein Bruder noch heute Abend ins College zurückkehren musste, blieben uns nur wenige Stunden Zeit.

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