Marie Louise Fischer

Olga, Star der Parkschule


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… wie kannst du da behaupten, ich hätte angefangen?“

      „Komm, reg dich ab. Auf alle Fälle ist das Ganze kein Grund, daß wir beide uns streiten.“ Leonore klappte die Haustür zu. „Zieh deinen Mantel aus. Ich helfe zwar gerade in der Küche Bohnen schnippeln, aber du kannst uns Gesellschaft leisten.“

      Jetzt fiel Olga ein, weshalb sie eigentlich gekommen war. „Weißt du, daß die anderen ins Kino gegangen sind?“ platzte sie heraus.

      „Ach ja, stimmt“, sagte Leonore unbeeindruckt, „aber ich hatte keine Lust. Es ist nur so ein blöder Western, und außerdem wollte ich meiner Mutter helfen.“

      „Und warum habt ihr mir nichts davon gesagt?“ rief Olga empört.

      Leonore zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Wahrscheinlich war wieder mal mit dir nicht zu reden.“

      „Was soll das heißen?“

      „Wenn du mich nicht verstehen willst, muß ich mich wohl deutlicher ausdrücken: Du hast gerade geschmollt, als wir darüber sprachen. Bist du jetzt zufrieden?“

      „Nein, keineswegs, und ich glaube dir kein Wort! Die wollten mich nicht dabei haben!“

      „Ach, du liebes Bißchen!“ Leonore schloß in gespielter Verzweiflung die Augen. „Was du dir einbildest! Hältst du dich allen Ernstes für so ein Scheusal, daß niemand mit dir beisammen sein mag?“

      „Nein, aber ich halte euch für so gemein, daß ihr alles tut, um mich zu kränken.“

      „Du leidest wahrhaftig an Verfolgungswahn!“

      „Siehst du!“ schrie Olga. „Du fängst schon wieder an! Du beleidigst mich, und dann wunderst du dich, wenn ich mir das nicht gefallen lassen will!“

      Jetzt riß Leonore denn doch der Geduldsfaden. „Paß auf“, sagte sie, „ein andermal will ich mich gern ausführlich mit dir über deine Komplexe unterhalten, aber im Moment habe ich keine Zeit. Meine Mutter wartet auf mich. Sie wird sich schon wundern, wo ich so lange bleibe.“

      „Also du willst mir nicht helfen?“

      „Und wie könnte ich das?“

      „Indem du mit mir zum Kino gehst und die anderen zurechtstauchst!“

      „Nein, wahrhaftig nicht. Deinetwegen mache ich mich bestimmt nicht zum Narren.“

      „Danke“, sagte Olga eisig, konnte aber nicht verhindern, daß ihr dabei die Lippen zitterten. „Das hätte ich mir ja denken können. Entschuldige, daß ich deine kostbare Zeit beansprucht habe.“ Sie hatte den Türgriff schon in der Hand.

      „Aber Olga, ich bitte dich, hör auf zu spinnen“, bat Leonore versöhnlich, „komm mit in die Küche … meine Mutter wird sich freuen, und nachher können wir zusammen …“

      „Ach, tu doch nicht so scheinheilig! Du kannst es ja kaum noch erwarten, bis du mich los bist! Du bist ja noch schlimmer als die anderen … die sind wenigstens nicht falsch!“

      Olga riß die Haustür auf und stürmte hinaus. Sofort fuhren die Kleinen auf sie zu, um sie mit ihren Spottversen zu necken. Aber als sie Leonore in der Haustür stehen sahen, zogen sie es vor, auf die Verfolgung ihres Opfers zu verzichten. Sie wußten, daß mit der großen Schwester nicht zu spaßen war.

      Und das war ein Glück, denn wer weiß, was Olga in ihrer blinden Wut sonst noch alles angestellt hätte

      Ein Mann mit Bart tritt auf

      Katrin, Silvy und Ruth saßen inzwischen im Kino, futterten Eiskonfekt und unterhielten sich lebhaft und vergnügt, während oben auf der Leinwand die Reklame vorüberzog.

      „Stellt euch vor“, berichtete Silvy, „ich fahre dieses Jahr mit meinen Eltern nach Norderney, ist das nicht dufte?“

      „Was ist das schon?“ behauptete Katrin kühl. „Meine Mutter und ich fliegen nach Kanada. Wir mieten uns eine Blockhütte am Michigansee und jagen Bären!“

      „Toll!“ rief die kleine Ruth tief beeindruckt, „ich wußte ja gar nicht, daß du schießen kannst!“

      Katrin riß ihren großen Mund auf und lachte so sehr, daß es aussah, als wollte sie jemanden verschlingen. „Angeschmiert!“ freute sie sich. „Wie könnt ihr aber auch bloß so was glauben!“

      „Hab ich ja gar nicht“, erklärte Silvy blasiert, „für wie dumm hältst du mich?“

      „Aber warum erzählst du uns dann so was?“ fragte Ruth verwundert.

      „Ich wollte nur mal ausprobieren, ob ich noch schwindeln kann.“

      „Ach was. Du warst nur darauf aus, mich auszustechen!“ behauptete Silvy.

      „Pah, als wenn ich das nötig hätte!“

      „Wohin fahrt ihr denn wirklich?“

      „Nirgendwohin“, bekannte Katrin, „wir haben kein Geld. Wir müssen noch die Raten für die Möbel abstottern.“

      „Du Ärmste“, erklärte Silvy mit leiser Schadenfreude und rümpfte ihre spitze Nase.

      Der Herr, der vor ihnen saß, drehte sich um. „Das mag ja alles sehr interessant sein“, meinte er, „aber vielleicht seid ihr doch so liebenswürdig, eure Unterhaltung bis später aufzuschieben!“ Er wandte sich wieder ab.

      „Aber warum denn?“ gab Silvy frech zurück. „Der Film läuft doch noch gar nicht!“

      „Bitte, seid still!“ flüsterte Ruth erschrocken.

      „Bangbüchs!“ Katrin gab ihr einen ermunternden Knuff in die Seite. „Der Kerl kann uns gar nichts wollen!“

      „Aber er hat doch so böse geguckt!“

      „Das ist dir nur so vorgekommen, weil er ’nen Serviettenschoner um hat!“

      Tatsächlich trug der Herr einen schönen schwarzen Vollbart, das hatten die Mädchen trotz des Halbdämmerns im Kinosaal sehen können. Daß seine Stimme streng geklungen hatte, war aber auch nicht zu überhören gewesen.

      Trotzdem fragte Silvy so munter wie zuvor, wenn auch ein bißchen gedämpfter: „Was hast du denn in den Ferien vor, Ruthchen?“

      „Oh, ich …“ Ruth guckte nervös auf den Rücken des bärtigen Herrn.

      „Ja, du!“ stieß Katrin nach.

      »Ich kann auch nicht verreisen“, flüsterte Ruth, „meine Eltern können das Geschäft nicht allein lassen. Sie wollen mich in ein Zeltlager stecken.“

      „Das ist doch dufte!“ rief Katrin und vergaß schon wieder ganz, daß sie nicht allein auf der Welt war.

      Der Herr mit dem Bart drehte sich abermals um und warf Katrin einen so drohenden Blick zu, daß sie mitten im Satz verstummte. Aber als er sich wieder nach vorn wandte, streckte sie ihm, so weit sie konnte, die Zunge heraus, und Silvy und Ruth mußten kichern.

      Zum Glück war die Reklame jetzt zu Ende, und ein Vorspann flimmerte über die Leinwand.

      „Jetzt fängt’s an“, flüsterte Ruth hoffnungsvoll.

      „Immer noch nicht“, raunzte Katrin, „das ist bloß erst ein Kulturfilm!“

      Wieder drehte der Herr sich um, aber sein Drohblick tat keine Wirkung mehr.

      „Gucken Sie lieber nach vorn“, riet Katrin ihm freundlich, „sonst verpassen Sie noch das Beste!“

      „Unverschämtheit“, knurrte der Bärtige, aber diese Bemerkung ging im Gekicher der Mädchen unter.

      Der Kulturfilm war so interessant, daß die Mädchen das Schwätzen vergaßen. In Naturaufnahmen und vielen Trickbildern wurde gezeigt, wie die Gezeiten, der Wechsel zwischen Ebbe und Flut der Weltmeere, durch die Anziehungskraft von Sonne und Mond zustande kommt. Die Freundinnen schauten und