Aristoteles

Aristoteles: Gesammelte Werke


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hat es mit den Gütern, die man bei einem Seesturm über Bord wirft. Schlechthin freiwillig tut das niemand, dagegen um sich und die Anderen zu retten, tut es jeder, der Vernunft besitzt. Derartige Handlungen sind also gemischter Natur, indessen neigen sie sich mehr auf die Seite des Freiwilligen. Denn im Augenblicke ihrer Ausübung sind sie frei gewählte, und das Ziel und die Vollendung einer Handlung richtet sich jedesmal nach der Zeit. Und darum muß etwas mit Rücksicht auf die Zeit der Handlung als freiwillig und unfreiwillig bezeichnet werden. Nun geschieht sie aber, wann sie geschieht, freiwillig. Denn auch das Prinzip, das bei derartigen Handlungen die Glieder des Leibes bewegt, liegt in dem Handelnden selbst. Liegt aber das Prinzip der Handlung in ihm, so steht es bei ihm sie zu verrichten oder nicht. Mithin ist solches freiwillig, schlechthin aber vielleicht unfreiwillig, da niemand sich für derartiges an sich entscheiden würde.

      Es ist aber zuweilen schwer zu entscheiden, welches von zwei Dingen man wählen, und welches von zwei Übeln man ertragen soll; noch schwerer aber ist es, bei dem als Pflicht Erkannten zu beharren. Denn meistens ist das, was man zu erwarten hat, schmerzlich und das, wozu man gezwungen werden soll, schimpflich. Darum hat man für jemanden Lob oder Tadel, je nachdem er dem Zwange (1110b) nachgegeben hat oder nicht.

      Zweites Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Was aus Unwissenheit geschieht, ist zwar alles nicht freiwillig getan, aber für unfreiwillig können doch nur diejenigen Handlungen gelten, denen Schmerz und Reue folgt. Wer etwas aus Unwissenheit getan hat, aber über die Handlung kein Mißfallen empfindet, hat zwar nicht freiwillig in dem gehandelt, was er ja nicht wußte, aber auch nicht unfreiwillig, da er keine Betrübnis darüber fühlt. Wer also das aus Unwissenheit Getane bereut, erscheint als jemand, der unfreiwillig gehandelt hat, wer es aber nicht bereut – dies soll nämlich ein Anderes sein –, als jemand, der nicht freiwillig gehandelt hat. Denn da er sich von jenem unterscheidet, so erhält er besser eine besondere Bezeichnung.

      Es ist auch gewiß nicht das nämliche, ob man etwas aus Unwissenheit tut oder ohne es zu wissen. Wer betrunken oder zornig aufgeregt ist, handelt sicher nicht aus Unwissenheit, sondern aus einer dieser beiden Ursachen, aber nicht mit Wissen, sondern ohne Wissen. Aber nun weiß auch jeder Bösewicht nicht, was er tun und was er meiden soll, und eben dieser Mangel ist es, durch den der Mensch ungerecht und überhaupt schlecht wird.

      Endlich darf da von unfreiwillig keine Rede sein, wo man nicht weiß, was einem frommt. Freigewollte Unwissenheit ist keine Ursache des Unfreiwilligen, sondern der Schlechtigkeit; auch nicht die Unkenntnis der allgemeinen sittlichen Vorschriften – denn gerade ihretwegen erfährt man Tadel –, sondern die Unkenntnis des Einzelnen, in (1111a) dem und um das sich das Handeln bewegt. Hier findet ja auch Mitleid und Verzeihung statt. Denn wer ein Einzelnes nicht weiß, handelt unfreiwillig.

      Da es also in bezug auf alle diese Umstände der Handlung eine Unwissenheit geben kann, so scheint derjenige, der einen dieser Umstände nicht gekannt hat, unfreiwillig gehandelt zu haben, und dies um so mehr, je wichtiger die betreffenden Umstände sind. Als die wichtigsten erscheinen aber der Gegenstand und der Zweck der Handlung. Soll man indessen von jemanden wegen solcher Unwissenheit sagen können, daß er unfreiwillig gehandelt hat, so muß er auch über die Handlung Schmerz und Reue empfinden.

      Drittes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Da unfreiwillig ist was aus Zwang oder Unwissenheit geschieht, so möchte freiwillig sein: wessen Prinzip in dem Handelnden ist und zwar so, daß er auch die einzelnen Umstände der Handlung kennt. Denn es ist wohl verkehrt, wenn man als unfreiwillig bezeichnet was aus Zorn oder Begierde geschieht.

      Denn, erstlich würden dann keine anderen Sinnenwesen mehr freiwillig, das heißt spontan, tätig sein und ebensowenig die Kinder.

      Sodann fragte es sich, ob nichts, was aus Begierde und Zorn von uns geschieht, freiwillig getan ist, oder das Gute wohl, das Schimpfliche nicht. Das wäre doch lächerlich, da in beiden Fällen eine und dieselbe Ursache zu Grunde liegt. Auch wäre es wohl ungereimt, unfreiwillig zu nennen, was man doch zu begehren die Pflicht hat. Man hat ja die Pflicht über bestimmte Dinge sich zu erzürnen und andere, wie Gesundheit und Lehre, zu begehren.

      Auch scheint das Unfreiwillige schmerzlich zu sein. Was aber aus Begierde geschieht, ist lustbringend.

      Ferner, was ist für ein Unterschied zwischen