Sylvie C. Ange

Frühstück am Eiffelturm


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aber ich muss mich beeilen, sonst komme ich wieder zu spät. Am ersten Arbeitstag ist das überhaupt nicht gut.« Aber anstatt sich zu beeilen, öffnete sie das große Flügelfenster, beugte sich hinaus und ließ ihre Blicke schweifen. Die Natur hatte hier die Gelegenheit sich üppig auszubreiten. Die ganze Landschaft, die ihr zu Füßen lag, zeigte sich in den verschiedensten Färbungen. In der Ferne lagen Hänge und Ebenen, bei denen es sich um die Weingärten und Olivenplantagen handeln musste.

      »Hast du ein Glück, Katze. Du kannst den ganzen lieben langen Tag durch diese herrliche Landschaft wandern. Nicht wahr? Bedeutet dein Miauen ja oder nein?« Es klopfte und gleich darauf kam Odette mit einem Tablett in den Raum.

      »Ich bringe Ihnen Frühstück, Mademoiselle. Monsieur lässt ausrichten, dass er Sie in einer halben Stunde im Büro erwartet.«

      »Merci.« Als Odette die Tür hinter sich schloss, ließ Kate sich mit einem duftenden noch warmen Croissant wieder auf das Bett fallen und streichelte die Katze. »Weißt du, dass du im Paradies wohnst, Katze?«

      Kate ging die Treppe hinunter. Das Château wirkte leer. Kein Mensch weit und breit. Aber bei der Größenordnung war dies auch keine Wunder. Gut für ihr Vorhaben. Demnach würde es wohl einfacher sein, als gedacht. Sie musste so bald als möglich mit der Suche nach diesem ominösen Bild beginnen. Ob sie in Anbetracht dieses riesigen Anwesens Erfolg haben würde, sei dahingestellt. Der Plan ihrer Tante war detailliert, aber so umfangreich, dass sie kaum daran glaubte, mit ihrer Suche erfolgreich zu sein. Wenn sie das Bild nicht fand, dann musste sie ihr derzeitiges Leben so weiterführen. Nein, verdammt nein! Das würde sie auf keinen Fall tun. Wehmütig dachte sie, wie fast andauernd, an ihr Elternhaus. Mit dem Erbe ihrer Tante könnte sie das Anwesen zurückkaufen und sie bräuchte nicht mehr auf den fixen Job im Museum warten. Der Termin zögerte sich aus allen möglichen Gründen immer wieder hinaus. Restauratoren mit ihrem Spezialgebiet waren derzeit nicht sehr gefragt.

      Warum nur tauchte nun das Gesicht von André Bergerac in ihren Gedanken auf? Er brauchte nicht in ihrem Kopf herumzugeistern, sie würde ihn gleich sehen. Sie atmete tief durch, versuchte ein Lächeln, klopfte und ging in das Büro.

      Es war niemand in dem riesigen, lichtdurchfluteten Raum, der mit den engen Büros, die Kate kannte, nichts gemein hatte. Eine Tasse Tee, aus der es intensiv nach verschiedenen Früchten duftete, stand auf dem Schreibtisch. Kate drehte sich in alle Richtungen. Jetzt hatte sie die Gelegenheit alles genauer anzusehen. Sollte sie es wagen? Sie betrachtete die Utensilien auf dem Schreibtisch, der sehr aufgeräumt wirkte. André Bergerac liebte Ordnung, das war nicht zu übersehen. An der freien Wand hingen einige riesige Bilder impressionistischer Maler. Die großen Schränke sahen sehr interessant aus. Hinter den zahlreichen Schranktüren und Schubfächern verbarg sich sicher viel unnötiges Zeug, das nicht beachtet wurde. Aber so leicht hatte es ihr Tante Victoria sicher nicht gemacht. Sie wandte sich einem Glasschrank zu, in dem eine beachtliche Sammlung Miniaturskulpturen stand. Sie beugte sich hinunter, um die untersten Figuren zu betrachten.

      »Gefallen sie Ihnen.«

      Kate fuhr hoch, schwankte und landete geradewegs in Andrés Armen. Sie hatte ihn nicht kommen hören. Wie fatal. Wenn sie nun einen der Schränke geöffnet hätte. Nicht auszudenken. Sie musste besser aufpassen. Seine Miene wirkte amüsiert, aber in seinen Augen flackerte für Sekunden ein verlockendes Licht. Schnell machte Kate sich frei.

      »Pardon, Monsieur.«

      »Habe ich Sie schon wieder erschreckt?«

      »Nein, nein … alles in Ordnung. Ich finde Ihre Skulpturensammlung sehr beeindruckend«, wich Kate aus.

      »Ich habe leider kaum Zeit meine Sammlungen ausreichend zu bewundern. Irgendwann einmal werde ich dahinterkommen, dass ich versteckte Schätze besitze, die ich noch gar nicht richtig betrachtet habe. Die meisten Skulpturen sind Geschenke meines Bruders. Er reist oft rund um den Erdball und bringt die unglaublichsten Dinge mit. Zuletzt brachte er eine ziemlich scheußlich aussehende Inka-Fruchtbarkeitsgöttin mit überdimensionalen Brüsten mit.«

      Kate verschränkte plötzlich die Arme und dachte an die erste Begegnung mit André. Ein Schauer lief über ihren Rücken, als sie an die brennenden Spuren dachte, die seine Finger auf ihrer Haut zurückgelassen hatten.

      »Mein Vater hatte in seinem Büro auch ein paar wertvolle Skulpturen. Da es sich aber um kubistische Arbeiten handelte, mochte ich die hübsche kitschige Porzellanfigurensammlung meiner Mutter lieber.«

      Er grinste und sah auf die Uhr. »Vermutlich eine Vorliebe vieler Frauen. Meine Mutter hat ebenfalls ein Faible für solche filigranen Kostbarkeiten. Bei Gelegenheit zeige ich Ihnen die Sammlung, wenn Sie möchten.«

      »Gerne. Werde ich Ihre Mutter kennenlernen?«, hakte sie nach und fragte sich im gleichen Moment, ob sie zu neugierig wirkte.

      »In der nächsten Zeit leider nicht. Sie hat sich vor Kurzem aus dem Geschäftsleben zurückgezogen und beschlossen die Welt zu bereisen. Mein Vater starb vor drei Jahren. Das hat sie zunächst völlig aus der Bahn geworfen, aber sie hat sich nach und nach erholt.«

      Kate dachte daran, dass es bei ihren Eltern genau umgekehrt gewesen war. »Es ist schrecklich, wenn man mit ansehen muss, wie jemand leidet. Meinem Vater erging es so, als meine Mutter starb.«

      André berührte kurz ihren Arm und Kate kam zu der Erkenntnis, dass sie den Verstand verloren haben musste, denn diese kleine Berührung weckte ein Gefühl der Vertrautheit in ihr. In seinem Blick lag eine seltsame Mischung aus Frage und Amüsement.

      »Alles in Ordnung? Sie wirken eine wenig abwesend, oder bringt sie etwas durcheinander?«

      Verflixt. War ihr Mienenspiel so leicht zu durchschauen? Sie straffte ihre Schultern. »So schnell bringt mich nichts durcheinander.« Bisher war das auch so. Er hatte etwas an sich, das sie in Trance zu versetzen schien.

      »Für einen Moment sahen Sie etwas abwesend aus, aber sicher habe ich mich getäuscht. Können wir? Sind Sie bereit für die Gemälde und ihren neuen Arbeitsbereich?«

      Sie nickte und fragte sich, warum er sie so eingehend ansah. Sie war garantiert nicht der Typ Frau, die ihn anzog? Vermutlich sah sie in seinen Augen ziemlich langweilig aus.

      »Nun, was meinen Sie? Was sagt Ihr geschulter erster Blick zum Zustand der Bilder?«

      »Um Ihnen genauere Informationen geben zu können, muss ich jedes Bild genauer untersuchen. Bei einigen Gemälden genügt es die oberflächliche Verschmutzung zu entfernen, damit sie wieder die ursprüngliche Farbkraft erhalten. Bei einigen fürchte ich, dass sich Mikroorganismen im Material angesiedelt haben. Wie bei diesem hier.« Kate zeigte auf einige Stellen eines großen Landschaftsbildes.

      »Hört sich schlimmer an, als ich gedacht habe. Was bedeutet das?« André krauste die Stirn.

      »Leider bedeutet es, dass der Bildträger brüchig ist. Daran sind Mikroorganismen, wie Bakterien und Schimmelpilze schuld, die man entfernen muss. Vielleicht ist auch nötig das Raumklima zu regulieren. Hier in der Galerie scheint hohe Luftfeuchtigkeit zu sein. Und wie ich sehe, beginnt sich bei einigen Gemälden das Gewebe rund um die Spannnägel durch Oxidation zu zersetzen. Hier muss man chemische Stoffe einbringen, um den Prozess zu verlangsamen. Teilweise werde ich eine Doublierung machen müssen.«

      Plötzlich glättete sich Andrés Stirn und er grinste. Kate war irritiert. »Es scheint Ihnen nicht viel auszumachen, dass die Bilder so beschädigt sind.«

      André lachte, legte seine Hand auf ihren Arm und führte sie weiter.

      »Doch es macht mir sehr viel aus. Ich hätte mich schon viel früher zu einer Restaurierung entschließen müssen.«

      »Sie sehen aber gar nicht so aus, als ob Sie die Schäden stören.« Kate spürte, dass sich der Druck auf ihrem Arm verstärkte. Die Berührung irritierte sie erneut, denn es fühlte sich an, als würde seine Hand Impulse über ihren ganzen Körper verteilen und sie unter Strom setzen. Wie stellte er das nur an? Georges Kuss hatte ihr nicht einmal Gänsehaut verursacht, geschweige denn, hatte sie seine Berührung elektrisiert.

      André blieb vor einer Tür stehen. Sein Blick