stimmhaftes sch/dt.: Garage, frz.:
Die Suche nach der Wiege des Alphabets ist selbst heute, nach zwei Jahrhunderten der intensiven archäologischen Forschungen, noch keinesfalls abgeschlossen. Manche Gelehrte datieren die ersten Ansätze zur Entstehung unserer Buchstaben um ca. 2000 v.Chr., andere sehen die Zeit um 1500 vor unserer Zeitrechnung als eher wahrscheinlich an. Letzte Gewissheit wird vielleicht noch im trockenen Fels Mittelägyptens, der Sinaihalbinsel oder im heutigen Israel und Libanon zu finden sein, doch dies wird erst die Zukunft weisen.
Stein von Rosette, führte zur Entzifferung der Hieroglyphen
Jedenfalls haben zwei ungemein spektakuläre Funde am Beginn und Ende des 20. Jahrhunderts unseren Fokus auf Ägypten als den Ort dieser großartigen Schöpfung der Buchstaben gelegt. Schon Mitte des 17. Jahrhunderts wurde von europäischen Sprachforschern das Land am Nil mit seinen Bildsymbolen, den Hieroglyphen, als mögliche Quelle der Inspiration vermutet. Doch Beweise blieben bis ins vorige Jahrhundert aus. Und nach der Entzifferung der Hieroglyphen mithilfe des Steins von Rosette, der unbestreitbar berühmtesten Inschrift der Welt, durch den genialen Jean-François Champollion im Jahr 1823 schien wegen der gänzlich unterschiedlichen Strukturprinzipien der ägyptischen Bildsymbole und unserer Buchstaben ein direkter Zusammenhang mehr als unwahrscheinlich zu sein. Dennoch lenkte das folgende Jahrhundert bei der immer intensiveren Suche nach dem Anfang des Alphabets alle Augen auf ein Handelsvolk, das zumindest im Nahbereich des Pharaonenreiches seinen Geschäften nachging: die Phönizier. Doch davon später.
Der erste Durchbruch
Der erste große Durchbruch kam im Jahr 1905, mit der Entdeckung von dreißig geheimnisvollen Inschriften, die nie zuvor ein moderner Wissenschaftler zu sehen bekommen hatte. Zunächst war unklar, wie diese Zeichensymbole einzuordnen wären, doch waren intensive Bemühungen der Entzifferung schließlich von Erfolg gekrönt. Es handelte sich – so wusste man ein Jahrzehnt später – offensichtlich um ein proto-phönizisches Alphabet, also um früheste Spuren einer vom Treibsand der Zeit fast vollständig verwehten Buchstabenschrift. Der Ort dieses sensationellen Fundes im südwestlichen Teil Sinais nannte sich Serabit el-Khadem. Der örtliche Sandstein, bar jeder Vegetation, sowie die trostlose Abgeschiedenheit dieser Gegend ließen diese krude gekritzelten Zeichen fast vier Jahrtausende überleben. Eine Randnotiz sei an dieser Stelle angebracht: Lina Eckenstein stellt in ihrem Werk A History of Sinai die Theorie zur Diskussion, dass es sich bei Serabit el-Khadem um den biblischen Berg Sinai handelt, wo Mose dem Alten Testament zufolge die Zehn Gebote erhielt. Heute ist dies nicht schlüssig zu beweisen. Doch zurück zu unserem Fund.
William Flinders Petrie (1853-1942), Entdecker der Inschriften in Serabit el-Khadem
Der Entdecker dieser sensationellen Zeichen, der britische Archäologe William Flinders Petrie (1853-1942), war ein Autodidakt im wahrsten Sinne des Wortes. Als Sohn des Landvermessers und Ingenieurs William Petrie und seiner Frau Anne Flinders 1853 in Charlton nahe London geboren, wurde Petrie zeitlebens nur privat unterrichtet – galt er doch schon von Kind auf als gesundheitlich angeschlagen. Trotz der fehlenden formalen Schulausbildung war der Junge enorm bildungshungrig und lesebegierig. Vor allem die Geodäsie hatte es ihm angetan, und so trug Petrie zusammen mit seinem Vater auch zur bis dahin exaktesten Vermessung von Stonehenge bei. In den Jahrzehnten danach sollte Sir William Flinders Petrie zu einem der ganz großen Ägyptologen und Archäologen werden und enorme gesellschaftliche Anerkennung genießen. Aber zurück zu den Tagen in Sinai.
Serabit el-Khadem, Inschrift, früher Vorläufer eines Alphabets
Schnell erkannte Petrie zwar die Wichtigkeit seines Fundes, doch sah er sich außerstande, die Zeichen zu lesen. Noch Jahre später glaubte Petrie, der ja mit der Absicht der Suche nach den Schätzen Ägyptens nach Sinai gekommen war, dass es sich keinesfalls um Schriftzeichen handeln könnte. Die Zeichen waren ohne Zweifel bildhaft, in groben Reihen und Spalten in den Sandstein