Рене Декарт

Meditationen / Abhandlung über die Methode


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Zeit des intensiven Nachdenkens lauteten in der Zusammenfassung seines Biografen Adrien Baillet:

      »Eine der ersten Erkenntnisse, die Descartes hatte, war die, dass in einem Werk, das bunt gemischt, voller Dinge ist und mehrere Autoren hat, weniger Perfektion steckt als in einem, das nur eine einzige Sache behandelt und nur einen Autor kennt. Diesen Gedanken wandte er nicht nur auf die Architektur oder die Kunst an, sondern auch auf den Staat und dessen Regierung oder auch auf die Religion und Gott. Dieser Gedanke schien ihm ebenso für die Wissenschaft Gültigkeit zu besitzen. In der Vielzahl der Bücher äußerten die Gelehrten zwar ihre Meinungen, die bestenfalls Wahrscheinlichkeiten wären, wenn man sie nicht beweisen könne. Das Gemenge von Auffassungen, die aus den verschiedensten Köpfen stammten, sei durchaus einer simplen Vernunft unterlegen, die die Sachen so nähme, wie sie sind.

      Keiner könne ein Erwachsener sein ohne vorher ein Kind gewesen zu sein und allzu oft lässt sich der Mensch von seinen Neigungen oder von Herren leiten, die anderes wünschen als er. Unsere Vorstellungen können deswegen nicht so unbeeinflusst sein, als wären wir gerade geboren oder das ganze Leben nur von der Vernunft geleitet worden. Wenn sich aber jemand dazu entschließt, die falschen, alten Glaubenssätze ganz zu entfernen, um neue, bessere zu verwenden, macht er das, um sein Leben besser zu führen. Ein kühner Weg, der nicht ohne Schwierigkeiten ist, aber so jemand weiß auch, dass er Gewinn davon trägt. Dabei möchte er nicht den Staat reformieren, er will nur sich selbst reformieren, und die Fundamente, die er niederreißt, sind nur in ihm selbst. Was riskiert ein solcher Mann schon, außer seine Zeit und etwas Anstrengung? Der erste Teil besteht also nur aus dem Abriss des Alten. Das ist der leichtere, doch er ist schwierig genug, denn seine Vorurteile zu überwinden ist nicht einfach. Wenn er das richtig getan hat, ist sein Geist leer, und es bleibt ihm nur noch die Liebe zur Wahrheit.«

      Viele dieser Meinungen fließen solcherart in die Methodenschrift ein. Sie sind im wesentlichen ein Ankündigungsprogramm von Dingen, die selbst noch keine greifbare Philosophie ausmachen. Das bekam der Philosoph auf unfreiwillige Weise vermittelt: Als er sich am 10. November 1619 mit »zermartertem« Gehirn ins Bett legte, hatte er drei aufeinanderfolgende Träume, die ihm eine »himmlische Macht von oben« schickte, so zumindest sah es Descartes. In diesen drei Träumen, deren Inhalt surreal und auf den ersten Blick zusammenhangslos ist, wurde dem Philosophen scheinbar verdeutlicht, wie wenig er bereits erreicht hat. Descartes, der schweißgebadet erwachte, schrieb das Geträumte nieder und interpretierte es für sich. Er zog aus der himmlischen Botschaft den Schluss: Weder hatte er seine Bestimmung als Philosoph erreicht noch hat er es in der Philosophie weitergebracht als zu einer Sammlung von Absichten und Ahnungen einer kommenden Philosophie. Wenn er aber dem rechten Weg folgt und allen Versuchungen widersteht, würde er diese Philosophie eines Tages finden. Dieses Sendungsbewusstsein verließ ihn nicht mehr: Er fühlte sich als Überbringer einer neuen Philosophie, die er zwar noch nicht zu Papier gebracht hatte, die aber dank seines Genies erreichbar sei. Descartes betete zur Jungfrau Maria um Erkenntnis und versprach, eine Wallfahrt nach Italien zu machen.

      Doch zuerst einmal rief wieder der Kriegsdienst. 1620 stand Descartes mit dem kaiserlichen Heer vor den Toren Prags. Dort fand die erste große verlustreiche Schlacht des Dreißigjährigen Krieges statt. Am Ende eines einzigen Tages hatten fast 10 000 Menschen ihr Leben verloren, von denen 2000 in die Moldau gedrängt worden waren, wo sie elendig ertranken. Man kann annehmen, dass Descartes diese Schlacht nicht aus sicherer Entfernung beobachtet hat, sondern aktiv an den Kämpfen teilnahm, bei denen er sicher auch den einen oder anderen Soldaten getötet hat. Das kaiserliche Heer blieb siegreich und zog in die Stadt Prag ein, wo die Soldaten plünderten und raubten, was sie wegtragen konnten. Descartes aber ging zum Haus des in Prag lebenden und gestorbenen dänischen Astronomen Tyho Brahe (1546–1601) und ließ sich von seinen Verwandten dessen Maschinen und Erfindungen zeigen.

      Der Krieg ließ Descartes keine Atempause. 1621 nahm er an der Belagerung der Stadt Neuhäusel teil. Die Gefechte waren nicht minder blutig als diejenigen bei der Schlacht um Prag. Trauriger Höhepunkt dieser Kämpfe war, dass der Führer der kaiserlichen Truppen, Graf von Bucquoy, bei einem Angriff durch einen Lanzenstich vom Pferd geworfen wurde. Schwer blutend versuchte er, sich zu Fuß zu seinen Truppen zu begeben. Aber schnell wurde er von berittenen Ungarn eingeholt und starb im Kugelhagel vor den Augen des hilflosen und entsetzten kaiserlichen Heeres. Damit war die Belagerung zugunsten der Gegner entschieden.

      Ob nun dieses letzte Ereignis oder die Summe der Kriegsgräuel im gesamten bei Descartes den Entschluss reifen ließ, den Kriegsdienst zu quittieren, ist unbekannt. Jedenfalls beendete Descartes sein Soldatentum im Jahre 1621 und beschloss, sich auf Reisen zu begeben. Über Mähren und die Mark Brandenburg reiste er nach Friesland, besuchte Dörfer, Städte, betrachtete neugierig Landschaften und die Natur. Auf einem kleinen Schiff auf der Elbe geriet er in höchste Lebensgefahr. Denn die Seeleute, die ihn zu einem sicheren Hafen schiffen hätten sollen, sahen in ihm nur einen reichen, dummen französischen Edelmann. Sie wollten ihn über Bord werfen, nachdem sie ihm die Kehle durchgeschnitten hatten. Nicht ahnend, dass Descartes durch seinen langen Aufenthalt in Deutschland die deutsche Sprache recht gut beherrschte, berieten sie offen und lautstark darüber, wie sie genau bei diesem Plan verfahren wollten. Descartes, der jedes Wort verstand, zog sein Schwert, hielt es den verdutzten Seeleuten unter die Nase und befahl in gutem Deutsch, man solle ihn unverzüglich an Land bringen.

      Bis zum Jahre 1624 lebte Descartes in mathematische Studien vertieft in Paris. Danach fiel ihm das alte Gelübde wieder ein, das er der Jungfrau Maria in jener schicksalhaften Nacht geleistet hatte. Er beschloss, nach Italien zu reisen, zum einen, um am Marienheiligtum in Loreto zu beten, zum anderen, um rechtzeitig zum Jubeljahr 1625 in Rom zu sein (alle 25 Jahre wurde ein heiliges Jahr ausgerufen, in dem den Rompilgern großer Ablass ihrer Sünden gewährt wurde).

      Gemäß seinem Reiseplan kam Descartes 1625 in Rom an: An dieser Stadt faszinierten ihn die Leute, die unterschiedlichen Sitten und Kulturen, die hier zu finden waren. Wenig interessierte er sich für die Kunstdenkmäler der Alten: Er studierte keine historischen Gebäude und vertiefte sich auch nicht in die Geschichte Roms. Was Descartes bei seiner Rückreise dann in Bann zog, war die Majestät der Alpen, bei deren Anblick er über das Wetter, die Atmosphäre und die verschiedenen Luftschichten nachzudenken begann. Allerdings war die Überquerung der Alpen nicht ganz ungefährlich, denn der Dreißigjährige Krieg erstreckte sich bis in diese Bergschluchten, wo jederzeit unerwartet französische oder spanische Soldaten angetroffen werden konnten.

      Bei seiner Ankunft in Paris am Ende des Jahres 1625 war Descartes 29 Jahre alt und hatte im Leben noch nicht wirklich etwas erreicht. Es war ihm völlig unklar, wie er sein weiteres Dasein fristen sollte. Er überlegte, ob er sich das Amt eines Statthalters erkaufen sollte, aber sein Drang nach Wissen war zu stark, als dass er in einem dunklen Büro Akten studieren könnte. Also blieb er weiterhin in Paris und traf sich dort regelmäßig mit seinen wissenschaftlich interessierten Freunden und versuchte bei seinen Studien weiterzukommen.

      Ein Bekannter, der ihn eines Tages in seiner Wohnung besuchte und sich die Indiskretion erlaubte, heimlich durchs Schlüsselloch in Descartes Zimmer zu blicken, konnte ihn in dessen bevorzugter Position zu philosophieren beobachten. Obwohl die Mittagszeit schon da war, lag Descartes in Gedanken vertieft in seinem Bett, zwischendurch fuhr er hoch und notierte sich hastig etwas in ein daneben liegendes Büchlein, dann versank er wieder in Gedanken.

      Bis 1628 lebte er so philosophierend, experimentierend und studierend vor sich hin, ohne eine genaue Lebensperspektive zu haben. Sollte er wieder zu den Waffen greifen, sollte er ein Amt annehmen, wie sein Vater es wünschte, sollte er die Liegenschaften seiner Familie verwalten wie seine Brüder? Das einzige, was ihn vorantrieb, war das Gefühl seiner Berufung zu höheren wissenschaftlichen Weihen, die er in jener Nacht in Ulm empfangen hatte. Dann endlich traf er gegen Ende des Jahres eine Entscheidung: Er wollte sich ganz der neuen Philosophie widmen und seine Bestimmung erfüllen.

      Als äußerliches Zeichen nur noch für seine Philosophie zu leben, zog er aus Frankreich weg, und zwar nach Holland. Der nördliche Teil von Holland – deren wirtschaftliches Zentrum die reiche Stadt Amsterdam bildete – war für seine äußerste Liberalität gegenüber Freidenkern bekannt. Nur dort konnte man hoffen, einigermaßen ungestraft Neues zu publizieren, ohne gleich in die Fänge der Inquisition zu geraten. Thomas Hobbes veröffentlichte