Rich Schwab

Nie wieder Apfelkorn


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h Schwab

       Nie wieder Apfelkorn

      – Der erste Büb Klütsch-Roman –

      FUEGO

      – Über dieses Buch –

      Büb Klütsch ist Schlagzeuger. Rock'n'Roll-Schlagzeuger, aus Leidenschaft. Mindestens genau so gerne hängt er an Theken rum und trinkt Bier. Damit er sich beides leisten kann, steht er auch des öfteren hinter dem Tresen.

      Ein zwar buntes, aber im Grunde doch recht geruhsames Leben – würde er nicht immer wieder in irgendwelche dubiosen Abenteuer verwickelt.

      In Rich Schwabs erstem Roman (Druckerstausgabe 1992) ist es die unappetitliche Verquickung von Musikgeschäft und Drogenhandel im Jahr 1976 in Köln und Wiesbaden, gekrönt von Kidnapping, Körperverletzung und Mord.

      »…kommt rauh und heiser in ruppiger Gangart daher wie ein Song von Van Morrison, nicht zimperlich, und doch schwingt Sehnsucht mit, Liebe, Romantik«, urteilte Elke Heidenreich nach der Lektüre. »Vielleicht nie wieder Apfelkorn – aber immer wieder Rich Schwab!« (s. Pressestimmen).

      Ausschnitte aus dem Buch gibt es auch als vom Autor gelesenes und mit Musik geschmücktes Hörbuch in den einschlägigen Download-Shops.

       Vorspann

       Er glaubt nicht

       Dass etwas mit ihm los ist

       Weil ein Teil von dem

       Was mit ihm los ist

       Ist

       Dass er nicht glaubt

       Dass etwas mit ihm los ist.

       Also müssen wir ihm helfen

       Zu erkennen

       Dass, dass er nicht glaubt

       dass etwas mit ihm los ist

       Ein Teil von dem ist

       Was mit ihm los ist.

      Ronald Laing

      Loss es, wat nit fess es.*

      Opa Klütsch

      (In den Originalsprachen Kölsch und Englisch Geschriebenes ist zum großen Teil hinten im Glossar auf Hochdeutsch zu finden – ein Asterisk im Text [*] fungiert als Link dorthin.)

       1

       Je später der Abend

      Als die beiden reinkamen, wünschte ich, ich hätte gestern zwanzig Bier weniger getrunken. Oder heute zehn mehr. Oder wenigstens die Tür schon abgeschlossen – schließlich war es schon halb zwei durch. Dabei hatte ich, wie immer, pünktlich um eins die letzten Gäste rausgeschmissen, außer der Blauen Britta, die ich seitdem bei ein, zwei Feierabendbierchen am Anbaggern war, während ich die Theke sauber machte und die Stühle und Hocker hochstellte. Britta und ich hatten schon drei-, viermal das Vergnügen gehabt, und es war immer lustig, geil und unverbindlich nett gewesen. Außerdem stand ich auf oralen Schweinkram – dreizehn Jahre lang täglich literweise Kölsch in sich reinschütten beeinträchtigt im Laufe der Jahre das Stehvermögen; die Mädels, die auf drei Stunden Rammeln standen, fielen daher meistens nur einmal auf mich rein; und ich kannte kaum eine, die fürs Orale zuständiger war als die Blaue Britta – nicht nur, weil sie die beste Rocksängerin in der Stadt war oder weil sie saufen konnte wie ein Köbes.

      Davon abgesehen hatte ich nicht die geringste Lust, in meine eigene Bude zu gehen und zwischen mehreren Zentnern Katzenscheiße zu pennen. Meine Wohngenossen Stevie und Helga hatten sich vorletzte Woche mal wieder heftigst gezofft, und Stevie hatte irgendwann entnervt die Wohnungstür hinter sich zugeknallt, um im Kabäuschen seinen Ärger zu ertränken. Auf dem Weg nach unten war sein Zorn aber fast schon wieder verraucht, und als er, vor der Haustür angekommen, einen Blick nach oben warf und Helga aus dem Küchenfenster gucken sah, rief er hoch, sie solle doch, verdammt noch mal, auch runterkommen. Sie schien ihn gründlich missverstanden zu haben – für die Strecke vom fünften Stock bis runter zum Ubierring brauchte sie anderthalb Sekunden und zum Sterben dann noch drei Tage. Ich hatte sie immer schon für ziemlich gaga gehalten, aber Stevie hatte eben einen völlig anderen Geschmack als ich. Deswegen kamen wir uns auch nie ins Gehege.

      Stevie war seitdem in der Stadt unterwegs, um sich die Augen aus dem Kopf zu heulen und sich das Hirn weg zu ballern. Als ich vor ein paar Tagen von einer kleinen Deutschland-Tournee mit Penner’s Radio zurückkam, hatten Helgas fünf verwaiste Katzen die Wohnung voll im Griff. Sie fühlten sich so wohl, dass eine von ihnen schon wieder schwanger war. Ich stellte ihnen für ’nen Fuffi Katzenfutter und H-Milch in die Küche und ergriff erst mal die Flucht vor dem Gestank. Irgendwo auf der Zülpicher fand ich dann Stevie, der mich erstaunlicherweise noch erkennen konnte und mir die ganze Geschichte erzählte, wozu er fast drei Stunden und anderthalb Flaschen Wodka brauchte. Aber dafür hatte ich sie dann auch sechsmal gehört.

      ***

      Na ja – und jetzt stand ich seit vorgestern wieder hinter der Theke von Wolli’s Schrebergarten, um meine beiden anderen Leidenschaften – Schlagzeug spielen und Kölsch trinken – zu finanzieren. Ich hatte mich gerade wieder halbwegs eingelebt, da kommen diese beiden Gestalten in den Laden. Sie stinken Kilometer gegen den Wind nach Ärger, und ich hoffe, dass sie den feinen Schweißfilm auf meiner Stirn nicht sehen und die Angst nicht riechen, die sich in meiner Magengrube rührt wie ein Zwölf-Wochen-Embryo.

      Das Rindfleisch sah auf den ersten Blick so aus, als könne er kein Wässerchen trüben – ein Metzgersöhnchen, vollgestopft mit Eisbein, Cola und Kinderschokolade. Der zweite Blick offenbarte die Härte und Geschmeidigkeit hinter seiner Zwei-Meter-Zwei-Zentner-Figur – und dieses angeborene, eingekerbte Lächeln, wie man es nur an echten Asis kennt: Ich weiß Bescheid – das Leben ist nur ’ne andere, grausame Sportart, und nur der gewinnt, der die Spielregeln mitbestimmt, und zwar möglichst grausamer als alle anderen. Das Lächeln, mit dem mein Mofa-Kumpel Stein’s Willi früher lebende Goldhamster an Türen genagelt hatte; das Lächeln, mit dem Schiefer’s Rita noch früher die dreizackige Gartenharke meiner Oma in meinen kleinen Schädel gedengelt hatte – nur weil ich ihr zu lange auf meiner eigenen Schaukel saß …

      Dem Kopp hinter dem Rindfleisch sah man den Spaß an Gemeinheiten schon auf den ersten Blick an. Ich habe nix gegen Vorurteile, und ich habe auch nix gegen Rothaarige – einige meiner besten Freundinnen haben rote Haare – aber dieses Exemplar …! Er war ungefähr halb so hoch wie das Rindfleisch, aber genau so breit. Seine rot glänzende Margarinefrisur, auf Elvis getrimmt, begann direkt über den dickknochigen Augenbrauenwülsten, die bestimmt zwei Zentimeter vorsprangen – was weiter war, als seine Nase es brachte, die aussah, als hätte sie jemand mit einem Vorschlaghammer bearbeitet. Das heißt, wahrscheinlicher war in seinen Kreisen ein Wagenheber. Er hatte breite, fleischige Lippen und zog die linke Hälfte der Oberlippe bis zum linken Nasenloch – er schien seinen Elvis vor dem Spiegel zu üben, und ich hoffte, er würde nicht gleich Cryin’ In The Chapel bringen. Andererseits – so wie die beiden aussahen, waren sie wahrscheinlich in der Lage, mir Schlimmeres zu bieten. Ich fluchte in mich hinein. Warum hab’ ich diese Scheißtür nicht schon abgeschlossen?

      ***

      Wolli’s Schrebergarten war eine der herrlichsten Kneipen, die ich je kennen gelernt habe – und ich habe einige kennen gelernt zwischen Flensburg und Berchtesgaden, und in Köln so ziemlich alle. Es gab den Laden seit ’72 – verraucht, verkommen, verrufen; die Möbel stammten noch vom gutbürgerlichen Vorbesitzer, der sie irgendwann in den fünfziger Jahren mal gekauft haben musste; die Theke war im Eigenbau mit geklauten Backsteinen verlängert, in die »rustikalen« Lampen mit Holzrahmen und