Forum Verlag Herkert GmbH

Straßenbegleitgrün


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In den Ein- und Ausfallstraßen ist die Bepflanzung extensiver angelegt. (Quelle: Monika Böhm)

      Die Erfahrung dort zeigt, dass die Entwicklung im ersten Jahr je nach Witterung zögerlich sein kann, zumal auf Bewässerung und Düngung auf diesen Standorten verzichtet wird. Haben die Magerwiesen jedoch erst einmal Fuß gefasst, zählen sie zu den pflegeleichtesten Vegetationstypen im Straßenraum.

      Die ersten Trockenstauden wurden im Jahr 2009 gepflanzt. Nach und nach kamen weitere Standorte sowie entsprechende Weiterentwicklungen und Modifizierungen hinsichtlich der Artenauswahl hinzu. Bei der Bevölkerung kommt die attraktive Begrünung gut an. Gleichermaßen bei den Mitarbeitern der TBK, die mit der Pflege und Reinigung des Straßenbegleitgrüns beschäftigt sind. Im Gegensatz zu den pflegeaufwendigen Rosen- und oft lückenhaften Bodendeckerbepflanzungen konnte der Aufwand deutlich reduziert werden.

      Bild 10: Der Zeitaufwand für die Pflege von lückenhaften Vegetationsflächen ist fünf Mal höher als bei geschlossenen Bepflanzungen. (Quelle: Monika Böhm)

      Tabelle 4: Pflegekalender für das Straßenbegleitgrün in Konstanz, Quelle: Stadt Konstanz, Technische Betriebe

      Trotz der eher knapp kalkulierten Pflegeeinsätze entwickeln sich die Trockenstauden und Staudengesellschaften gut und bedecken die komplette Pflanzflächen, um den Pflegeaufwand so gering wie möglich zu halten. Dennoch kalkulieren die Technischen Betriebe im Rahmen der Lebenszyklusplanung eine Erneuerung der Standorte nach 10 bis 15 Jahren. Typische ruderale Samenunkräuter kommen in einer mineralischen Mulchabdeckung anfänglich praktisch nicht zum Zuge. Insofern ist der Jäteaufwand bei trockener Witterung gering. Dennoch muss im Rahmen der regelmäßigen Kontrollgänge auf Arten wie Gänsedistel, kleines Weidenröschen und Löwenzahn besonders geachtet werden. Auch ausdauernde Wildkräuter, wie Winde und Quecke, fühlen sich, genauso wie die Stauden, unter der Mulchdecke besonders wohl. Die penible Sauberhaltung der Mulchschicht verhindert die Ausbreitung der unliebsamen Vegetation nachhaltig. Da es der Winde gelungen ist, sich auf älteren Standorten auszubreiten, wird in Konstanz eines der ersten Beete voraussichtlich nach zwölf Jahren ausgetauscht. Nicht nur die Grünpfleger, sondern auch die Fahrer der Winterdienstfahrzeuge achten auf die möglichst lange Erhaltung der Bepflanzungen. Nach eingehender Schulung wird die Streubreite an den Fahrzeugen so eingestellt, dass die Grünstreifen weitgehend vom Streugut verschont bleiben.

      Während die überwiegenden Flächen des Straßenbegleitgrüns von eigenen Mitarbeitern unterhalten werden, sind die Verkehrskreisel im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft (PPP: Public Private Partnership) an lokale Garten- und Landschaftsbauunternehmen vergeben. Die Firmen planen und pflegen die Vegetationsflächen auf ihre Kosten und dürfen dafür im abgestimmten Rahmen Werbung machen. Der Kreativität sind dabei fast keine Grenzen gesetzt.

      Bild 11: Im Rahmen einer öffentlich-privaten Zusammenarbeit gestaltete ein Unternehmen die Gestaltung des Verkehrskreisels im Industriegebiet. (Quelle: Monika Böhm)

      Vor 25 Jahren fing die Kur- und Bäderstadt im Zentrum Oberschwabens an, herkömmliche Grünstreifen in artenreiche Bepflanzungen und insektenfreundliche Magerwiesen umzuwandeln. Der damals frisch eingestellte Umweltbeauftragte sollte die Stadt ökologisch weiterbringen und setzte das mit Nachdruck mit seinem fachlichen Mitstreiter, dem Leiter der Stadtgärtnerei, um. Zum Erfolgsmodell wurde das Konzept v. a. durch die intensive Öffentlichkeitsarbeit. Von Anfang an wurden die Bevölkerung, Vereine und Bildungsträger eingebunden und über die Ziele sowie die natürlichen Prozesse aufgeklärt. Beispielsweise war es besonders wichtig, im Rahmen von Ortsterminen und Vorträgen darzulegen, warum eine Wiese, wenn sie am schönsten blüht, gemäht werden muss, und weshalb sie im Herbst manchmal erst geschnitten wird, wenn vieles schon braun und unansehnlich ist. Der erste Schnitt wird deshalb ab Mitte Juni durchgeführt, damit sich eine zweite Blütenpracht entwickelt. Wenn die teils überreifen Blüten und Gräser bis Ende September stehen bleiben, können sich die Arten versamen und im Folgejahr wieder reichhaltig blühen. Einige Vogelarten, wie der farbenfrohe und stetig singende Stieglitz, bevorzugen als ganzjährige Futterquelle artenreichen Wildblumenwiesen, weshalb zuweilen als Nahrungsquelle auch Altgrasstreifen stehen bleiben sollten.

      Bild 12: Seit 2016 sind in Bad Saulgau alle öffentlichen Grünflächen nach ökologischen Standards gestaltet. (Quelle: Monika Böhm)

      Im Rahmen des ökologischen Konzepts wurden die Wechselflorbepflanzungen in der Kernstadt und allen 13 Stadtteilen Bad Saulgaus komplett aufgegeben. Stattdessen wurden zahlreiche Verkehrsinseln entsiegelt und mit dauerhaften, insektenfreundlichen Staudenpflanzungen gestaltet.

      Ähnlich wie Konstanz verwendet Bad Saulgau zwei unterschiedliche Kombinationen von Staudenmischung mit speziellen Substraten. In Wandkies, direkt von der Wand abgebauter Kies mit Fein- und Grobanteilen der Körnung 0/16 mm, gedeihen Berglauch, Küchenschelle, Natternkopf, Bergminze, Thymian, Salbei und Astern-Arten. 70 % der Arten sind einheimisch. Zu den nicht heimischen Arten zählen Katzenminze, Blauraute, Muskatellersalbei und Prachtkerze. Gefüllt blühende Arten werden überhaupt nicht verwendet, da sie für Insekten wertlos sind.

      Auf einem Substrat mit humoser, torffreier Spezialerde und einem geringeren Teil Wandkies fühlen sich weitere Arten, wie die blaue Eselsdistel, die große Fetthenne, Lavendel, Herbstanemone sowie Phlox und Roter Sonnenhut, wohl. Außerdem freuen sich Insekten und Schmetterlinge über diese alternativen Nahrungsangebote.

      Bild 13: Insektenfreundliche und mehrjährige Stauden ersetzen einjährige Wechselbepflanzungen. (Quelle: Monika Böhm)

      Im Straßenbegleitgrün wurden sämtliche Rasenflächen in artenreiche zweischürige Magerwiesen umgewandelt. Bei Intensivrasenflächen wird häufig die komplette Grasnarbe abgezogen, Wandkies aufgefüllt und 30 bis 40 Arten ausgesät. Verwendet wird ausschließlich gebietsheimisches zertifiziertes Saatgut mit maximal 10 % Grasanteil, damit die Wiesen reichhaltig blühen. Bei manchen Rasenflächen reicht es dagegen, die Düngung einzustellen und den Mährhythmus auf anfangs drei, später zwei Mal pro Jahr zu beschränken. Die Umwandlung von Rasen in artenreiche Wiesenflächen kann jedoch einige Jahre in Anspruch nehmen. Die Stadtgärtnerei lässt sich dabei von dem Halbschmarotzer Klappertopf (Rhinantus) unterstützen. Dieser zapft die Wasserleitbahnen verschiedener Wirtspflanzen, besonders bei Gräsern, mit entsprechenden Saugwurzelfortsätzen an und entnimmt so ihre Lebensgrundlage, Wasser und Nährsalze. Gemäht wird zweimal im Jahr inklusive Abfuhr des Mähguts in einem Fenster von drei bis vier Wochen, um den Insekten und Vögeln nicht auf einmal diese Nahrungsquelle zu entziehen.

      Einjährige Begrünungen, wie es andere Kommunen bei Neuanagen und Sanierungen teilweise praktizieren, hat Bad Saulgau nicht im Repertoire. Die Vorteile von mehrjährigen Ansaaten liegen auf der Hand:

      image Die Anlage ist genauso teuer wie einjährige Aussaaten. Auf Dauer wird die Pflege jedoch durch den Wegfall der permanenten Neuanlage günstiger.

      image Mehrjährige Wiesen sind bis auf das erste Anwachsjahr aufgrund der zweimaligen Mahd pflegeleicht.

      image Der ökologische Wert nimmt durch die Verwendung heimischer Arten stetig zu.