nickte. »So ist es.«
In diesem Augenblick kam ein grimmig dreinschauender Slawe aus der Waffenkammer und herrschte Miluša und ihre Begleiterin an, sie mögen hier nicht müßig herumstehen, sondern endlich Wasser holen und sich wieder in die Küche begeben.
»Ja, Radogost, ja!«
Ulric von Huysburg hatte einen sicheren Instinkt in solchen Angelegenheiten und wusste sofort, dass er in diesem Radogost keinen Freund fürs Leben finden würde. Offenbar sah der Miluša als seine Beute an und wollte sie sich von keinem entreißen lassen.
Endlich wurde er zu Jaxa geführt. Dessen Residenz war ein großer Blockbau, über dessen Tür eine Art Banner angebracht war, das einen Palmzweig und ein Doppelkreuz zeigte.
Der Sprewanenfürst empfing ihn freundlich und mit ausgesuchter Höflichkeit. »Sei mir herzlich willkommen! Wenn dein Vater an ein Bündnis aller Slawenstämme gegen Heinrich den Löwen und Albrecht den Bären, aber auch die Wettiner denkt, dann hat er Großes im Sinne. Bolesław IV. wird uns jede Unterstützung zuteilwerden lassen.«
»Der Kraushaarige«, murmelte Ulric von Huysburg. Wenn der Fürst so genannt wurde, hatte er es weit besser als sein Vater, denn Bolesław III. hatte den Beinamen Schiefmund getragen.
Jaxa bat Ulric von Huysburg, von dem zu berichten, was sich oben im Obotritenland in letzter Zeit ereignet hatte.
»Da hätten wir vor allem die Auseinandersetzungen mit den Wagriern, gefürchteten Piraten, die unter anderem die dänischen Inseln drangsaliert haben. Und nun erwartet mein Vater einen Angriff der Dänen und der Sachsen auf unser Reich.«
Dann kam er auf Heinrich den Löwen zu sprechen. Ulric von Huysburg wusste genau, dass der Welfe und Albrecht der Bär alles daransetzen würden, ihre Herrschaftsgebiete auszudehnen und sich weite slawische Gebiete anzueignen. Hatte Jaxa das Format, den beiden Männern standzuhalten?
Immer wieder musterte Ulric den Sprewanenfürsten. Sein Gesicht war lang und asketisch. Ein sauber gestutzter dunkler Bart umrahmte den Mund und bedeckte das Kinn. Die dunkelbraunen Augen blickten ernst. An diesem Mann war nichts Weichliches zu entdecken. War er wirklich ein geborener Sprewane? Oder war er, wie manche munkelten, vielmehr ein gewisser Jaxa von Miechow, ein Pole, den die Piasten nach Cöpenick geschickt hatten, um die Burg gegen Askanier und Wettiner zu halten? Ulric wagte es, dem anderen diese Frage zu stellen.
Jaxa lächelte. »Nehmt an, was Ihr annehmen wollt. Geben wir den späteren Geschichtsschreibern eine harte Nuss zu knacken.«
Nun, listig schien dieser Mann auch noch zu sein. Und damit doppelt gefährlich. War er wirklich dieser Jaxa von Miechow, hatte er sicher den geheimen Auftrag, nach Westen zu ziehen. Doch auch wenn er ein autochthoner Sprewane war, blieb ihm nichts anderes übrig. Aber hatte dieser Mann wirklich Mut, Kraft und Feuer genug, die Brandenburg anzugreifen und die Askanier in ihre Stammlande zurückzutreiben? Da war sich Ulric nicht sicher. Zu neugierig durfte er nicht wirken, das wäre verräterisch gewesen, dennoch kam er auf die Nachfolge Pribislaw-Heinrichs zu sprechen.
»Ihr seid verwandt mit ihm, und da …«
Wieder hielt sich Jaxa bedeckt. »Heute ist heute, und morgen ist morgen, warten wir’s ab.«
»Und wann erfahre ich, ob Ihr an eine Unterstützung meines Vaters denkt?« Das war eine Frage, mit der er hoffte, Jaxa aufs Glatteis zu führen. Denn für beide Unternehmungen, die Obotriten zu unterstützen und den Askaniern die Brandenburg zu entreißen, fehlten ihm vermutlich die Kräfte.
Aber Jaxa ließ sich nicht aus der Reserve locken. »Wir werden sehen, ich muss alles erst mit meinen Beratern besprechen.« Damit erhob er sich, um Ulric von Huysburg anzuzeigen, dass er ihr Gespräch für beendet hielt. »Ihr werdet ja einige Tage bei uns bleiben und rechtzeitig erfahren, was wir beschlossen haben.« Dann winkte er einen Knappen herbei. »Führe unseren Gast zu seiner Lagerstatt!«
Die befand sich in einer Art Gästehaus im hinteren Bereich der Burg. Ulric streckte sich auf seinen Fellen aus und sang Verse des provenzalischen Troubadours Bernart de Ventadorn: »Non es meravelha s’eu chan/Chantars no pot gaire valer …« Dabei träumte er von Miluša.
Der Gedanke an sie ließ ihn aufspringen. Vielleicht ergab sich eine Gelegenheit, sie allein in einem verborgenen Winkel zu treffen … Er verließ das Gästehaus und schlenderte an den Wällen entlang. Nein, das Glück war nicht auf seiner Seite, er bekam sie nicht zu Gesicht. Gelangweilt ging er auf die hölzerne Brücke zu, die Burg und Siedlung miteinander verband.
In Cöpenick gab es überwiegend sogenannte Flechtwandhäuser, deren Dächer mit Reisig gedeckt waren. Oben hatte man Öffnungen für den Dunstabzug gelassen, Fenster konnte Ulric keine entdecken. Daneben hatte man Blockbauten errichtet, deren Grundriss erheblich größer angelegt war und die jeweils Platz für zwei Zimmer boten. Einige wiesen auch Fenster auf. Ein paar Handwerker saßen im Freien und brachten Beile, Scheren und Schlüssel in Ordnung.
Vor einem Lehmofen sah er Miluša stehen, wie sie ein hölzernes Brett mit dampfenden Brotlaiben aus der Öffnung zog und ihm dabei ihr Gesäß entgegenstreckte.
»Herr«, murmelte Ulric von Huysburg, »ich will ein Jahr meines Lebens drangeben, wenn ich der auch nur einmal beiwohnen darf.«
Sich ihr zu nähern, wagte er nicht, denn sofort wäre dieser Armleuchter von Radogost zur Stelle gewesen. Zwar hätte er den mit einem einzigen Fausthieb für mindestens zehn Minuten ins Land der Träume schicken können, doch dann wäre es mit seiner Mission zu Ende gewesen. Also entfernte er sich und tat, als interessierten ihn Miluša wie auch Radogost nicht im Allergeringsten. Am besten, er sah sich ein wenig in der Gegend um, teils aus Interesse, teils um im Falle eines Falles schnell den besten Fluchtweg zu finden.
Die Posten nahmen keine Notiz von ihm. Von der Brücke ging eine Leiter zu einem kleinen Steg hinunter, an dem ein klobig gebautes Ruderboot festgebunden war, kein Einbaum mehr, wie ihn die Slawen früher gebaut hatten, sondern ein geklinkerter Kahn. Ulric fragte die Sprewanen, ob er ihn für eine kleine Fahrt benutzen könne. Man hatte nichts dagegen. So stieg er ein und ruderte ein Stückchen die Dahme hinab, um dann in die Spree einzubiegen. Das war ziemlich anstrengend, denn sein Boot hatte keinen Kiel, sondern unten eine mächtige Sohle aus Eichenholz. Ein paar Fischer hockten in ihren Kähnen und waren zu träge, den Kopf zu heben und ihm hinterherzublicken. Ulric fehlte jemand, mit dem er sich unterhalten konnte. Er wünschte sich an den Hof der Staufer. Barbarossa war ja nicht nur deutscher König, sondern seit 1155 auch Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und plante große Feldzüge. In Rom, Mailand und Besançon hatte er sich aufgehalten, und das waren schon Orte von anderem Format als Cöpenick.
Langsam brach die Dämmerung herein, Ulric beendete seinen Ausflug mit dem Ruderboot und warf sich wieder auf seine Felle, noch missmutiger als zuvor. Es drängte ihn, endlich etwas zu unternehmen. Die Sache war klar: Wenn Jaxa ihm nicht verraten würde, ob er gegen Albrecht Front machen wollte oder nicht, dann blieb ihm nur, ihn zu belauschen, wenn er mit seinem Gefolge alles besprach.
Ulric erhob sich, warf sich das sackartige graubraune Gewand über die Schultern, wie es die Slawen für modisch hielten, steckte sich einen kurzen Dolch in den Gürtel und öffnete vorsichtig die Tür seiner … nun ja, seiner Hütte. Draußen war es mehr als finster. Wer sich nach Sonnenuntergang im Innern der Burg bewegte, tat dies nicht ohne Fackel. Ulric schloss die Augen, damit sie sich an die Dunkelheit gewöhnten und er die Umrisse der einzelnen Gebäude erkennen konnte. Nachdem dies geschehen war, schlich er sich zu Jaxas »Palast«, dem mächtigsten der Blockbauten. Laute Stimmen drangen nach draußen, man war bei dem, was landläufig als Palaver bezeichnet wurde. Ulric konnte es recht sein. Das Fenster stand offen, ein Vorhang verhinderte aber, dass er erkennen konnte, wer was sagte. Nur ab und an sah er einen Schatten auf dem Vorhangstoff, aber eine Gestalt oder ein Profil war nicht zu erkennen, dazu war das Licht, das die brennenden Öllampen und Kienspäne spendeten, viel zu schwach. Ulric lauschte. Jetzt hatte ganz offenbar Jaxa das Wort ergriffen, dessen Stimme und Tonfall kannte er ja.
»Die Brandenburg muss wieder unser werden! Das Hevellerland ist altes Slawenland. Zurück