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Matthias Falke
Schlacht um Sina
© 2013 Begedia Verlag
© 2008 Matthias Falke
Umschlagbild - Alexander Preuss
Covergestaltung und Satz - Begedia Verlag
Lektorat - André Skora
ebook-Bearbeitung - Begedia Verlag
ISBN-13 - 978-3-95777-029-5 (epub)
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Das ENTHYMESIS-Universum
Eine Science-Fiction-Saga in sieben Trilogien
1. Laertes
2. Exploration
3. Gaugamela
- Planetenschleuder
- Museumsschiff
- Schlacht um Sina
4. Zthronmic
5. Tloxi
6. Jin-Xing
7. Rongphu
Kapitel 1. Casus Belli
Die Kraftfelder ließen nur leichte Brisen durch. Die eisigen Böen, die von den Bergen herunterkamen, prallten von ihnen ab. Es war, als säße man tausend Meter tiefer im alpinen Sonnenschein und genieße das Panorama, das in der Tat atemberaubend war. Der klare, wolkenlose Märzenhimmel hatte etwas Euphorisierendes, er schien elektrisch zu prickeln. Das Licht war hell und rein wie Elastalstahl. Die Gipfel, die noch weit über uns aufragten, schimmerten grünlich, als habe sich auf den kristallischen Basaltformationen ein Flor von Grünspan angesiedelt. Aber es war nur die froststarre Vorfrühlingssonne, die um die höchsten Spitzen und Zinnen webte. Einen Kilometer tief, fast senkrecht unter uns, wand sich der junge Fluss durch das zersägte und treppenförmig eingeschluchtete Tal. Dort blühten schon die wilden Mandelbäume, die das andesitische Braun der Geröllhänge mit einem Duft von zartestem Rosa überzogen.
»Vor einer Woche lag noch Schnee«, sagte Gordon Kauffmann und blickte zu den Bergzügen hinauf.
Jetzt war überall der anstehende Fels zutage getreten. Nur in den Rinnen und Schrunden, die niemals die Sonne zu sehen bekamen, hielt sich noch schwarz schimmerndes Eis. In den nächsten Tagen würde sich die Talsohle zu begrünen beginnen. Die ganze Szenerie würde dann allmählich ihre Wildheit einbüßen und eine feriale Milde gewinnen.
Wir sahen der Ordonnanz zu, die das Geschirr abräumte. Mit versonnenem Lächeln weilten unsere Blicke auf der schlanken Gestalt der zwanzigjährigen Offiziersanwärterin, die eine Uniform aus hellgrauem Leinen trug. Aus echtem Leinen, wie ich mit einer leichten Verdutztheit feststellte. Kauffmann missinterpretierte die wohlwollende Verweildauer meines Blickes, dem er mit süffisantem Lächeln folgte. Er bot mir eine Zigarette an. Ich lehnte dankend ab, denn ich hatte das Qatten seit langem aufgegeben. Von einem Tag auf den anderen vertrug ich es nicht mehr, und meine derzeitige, immer noch geschwächte Verfassung war nicht dazu geeignet, wieder damit anzufangen. Aber als er sich seine Zigarette ansteckte und der Ausläufer einer Windböe die ersten gekräuselten Rauchflocken zu mir trieb, stellte ich fest, dass er Tabak rauchte. Innerhalb weniger Momente war das die zweite Überraschung, die einen nostalgischen Anflug hatte. Ich war mir nicht im klaren darüber, ob diese Nostalgie angebracht war. Sie hatte etwas von sauren Trauben. Die Menschheit, die ihre interstellaren Ambitionen hatte begraben müssen, entdeckte rustikalere Freuden wieder und wies mit cowboyhaftem Grinsen ihre handgemachten Lederstiefel und bestickten Westen vor.
Ich behielt diese Gedanken für mich. Schließlich war Kauffmann, der Persönliche des Kanzlers, noch der Wohlwollendste und Verständnisvollste unserer Gesprächspartner. Seit unserer Landung auf der Plattform der Bunkerstadt waren einige Tage vergangen. Während der ersten achtundvierzig Stunden waren wir künstlich ernährt worden. Ich hatte diese Zeit liegend verbracht. Die besten Ärzte, die der Zivilregierung zur Verfügung standen, hatten uns untersucht. Sanitätsroboter hatten uns von Kopf bis Fuß gescannt, um festzustellen, ob unsere Unterernährung und die Strahlenbelastung während des beispiellosen Fluges bleibende Schäden in unseren inneren Organen hinterlassen hatten. Schließlich hatten sie Entwarnung gegeben. Wir waren abgemagert, aber kerngesund. Jennifer hatte es schon während der Quarantäne nicht im Bett gehalten. Sie war zwischen den Visiten immer auf den Beinen und versuchte Kontakte zu knüpfen und Informationen über den Stand der Dinge einzuholen. Alles, was wir dabei erfuhren, war, vorsichtig ausgedrückt, ernüchternd.
Der Kanzler, Seine Eminenz Cole Johnson, ließ sich zu einem persönlichen Besuch auf unserer Station herab, die hermetisch abgeriegelt war. Er tauschte ein paar Höflichkeitsadressen und andere Floskeln und stellte uns eine Auszeichnung in Aussicht. Auf Jennifers forsch vorgetragene Erkundigung nach dem Stand der Rüstungsanstrengungen reagierte er verstimmt und erklärte die Audienz für beendet. Er stellte Kauffmann zu unserer Begleitung ab.
Auf mehr Verständnis stießen wir bei der Unionsverwaltung der Fliegenden Abteilung. Hier wies man unser Ansinnen zumindest nicht vollkommen ab. Aber auch der zuständige Minister verhielt sich ausweichend. Er sagte, wir müssten zunächst wieder zu Kräften kommen, womit er plump auf Zeit spielte.
Das Mittagessen war eine meiner ersten festen Mahlzeiten gewesen, die ich ohne ärztliche Aufsicht hatte zu mir nehmen können. Nach einer leichten Hühnerbrühe servierte die Ordonnanz im schlichten Feldgrau eine zarte Lammkeule mit echtem Reis und einer dünnen Sauce aus gedämpften und passierten Gemüsen. Alles war echt, in Erde gewachsen, unter den Strahlen der Sonne gereift. Der Saft aus Blut, Fett und der glasierten Kruste, in dem das Lammfleisch schwamm, weckte animalische Instinkte in mir. Am liebsten hätte ich die Keule in die Hand genommen und mit den Zähnen abgenagt, aber ich wusste mich zu beherrschen. Dennoch blieb mein Appetit, der schon eher ein Wolfshunger war und der jetzt erst mit ganzer Macht erwachte, Kauffmann nicht verborgen. Er schmunzelte, als er zusah, wie ich die letzten Saucenreste mit weißem Brot auftunkte und dann mit gierigen Blicken die Bedienung herbeirief, als habe ich vor, ihr das rohe Fleisch von den Schenkeln zu fressen. Leider war mein Magen noch zu entwöhnt, als dass ich die Tafelfreuden schon hätte strapazieren können. Ich verzichtete auf den Nachtisch ebenso wie auf Kauffmanns atavistisches Tabakangebot, brachte aber nicht die Willenskraft auf, dem Mokka zu widerstehen. Während ich in kleinen Schlucken an dem winzige Tässchen nippte – sinesisches Porzellan, wie ich mit leichtem Schwindel feststellte – und den langbeinigen Schritten der Ordonnanz folgte, kam Jennifer auf die Terrasse gestürmt. Sie registrierte meinen Blick und erfasste mit gerunzelter Stirne sein Objekt. Sofort ließ sie die ahnungslose Offiziersanwärterin antreten und Meldung machen. Sie stauchte sie zusammen und schickte sie mit der Bestellung einer Kokos-Mango-Milch in die Küche. Dann nahm sie neben uns Platz. Kauffmanns Züge malten eine Maske des Bedenklichen.
Die Ordonnanz kehrte wieder, knallte die Hacken zusammen, pfefferte den hohen, safranfarbenen Kelch vor Jennifer auf den Tisch, salutierte und bellte den Namen des Getränks heraus. Dann wirbelte sie wie im Formaldienst auf dem Absatz herum und zog sich in Warteposition zurück. Der ganze Auftritt war ein Affront. Niemand nahm ihn zur Kenntnis.
»Sekretär«, begann Jennifer, nachdem sie den ersten Schluck aus dem langen Strohhalm gesogen hatte, »wir müssen uns unterhalten.«
Kauffmann lehnte sich gönnerisch zurück, breitete die Arme aus und paffte auf seiner Zigarette, die er zwischen den zusammengebissenen Zähnen hielt. In der voraufgegangenen Stunde hatte ich in freundlichem Konversationston mit ihm geplaudert. Alle neuralgischen Themen hatten wir säuberlich ausgespart. Nur unterschwellig war es ein gegenseitiges Belauern und Umkreisen gewesen. Jennifer wischte die Höflichkeit des Protokolls mit einer Geste vom Tisch und ging zum Klartext über.
»Wir vergeuden kostbare Zeit«, sagte sie schroff. »Seit zweiundsiebzig Stunden sind wir hier, und dieser Umstand wird den Sinesern kaum verborgen geblieben sein.«
Kauffmann reagierte mit einer abschwächenden Geste, die besagte, dass er ihre Hartnäckigkeit nicht nachzuvollziehen vermochte. Ihre