die Jungnazis und tritt der 5. Kompanie des „Steirischen Heimatschutz Verbandes Wien“ bei; vermutlich glaubt er hier für sein Anliegen einen stärkeren Rückhalt zu finden als bei den sektiererischen Hitleranhängern, die zu diesem Zeitpunkt kaum wirklich ernst genommen werden und nur über die Macht des Wortes verfügen – bei der Nationalratswahl Anfang 1927 erhalten sie kaum 30.000 Stimmen. Da können die Heimwehrfaschisten, deren Erkennungszeichen der Hahnenschwanz ist, schon anderes bieten: Hervorgegangen aus den steirischen Wehrverbänden des Nachkriegs, die sich der Bedrohung durch Jugoslawien entgegenstellten, haben sich die „Heimatschützer“ noch aus den Arsenalen der k. u. k. Armee mit Waffen versehen und Anton Rintelen, der steirische Landeshauptmann, sorgt geschickt dafür, dass der Nachschub nicht abreißt. Es sind bestens ausgerüstete paramilitärische Verbände, die Sonntag für Sonntag in den österreichischen Städten provokativ ihre Stärke demonstrieren; Mony lernt hier erstmals den Zauber von Uniformen und Waffen kennen, erliegt der Faszination des Männerbündischen, Soldatischen, das ihn von nun an nie mehr ganz loslassen wird.
In der 6. Klasse ist Schluss mit der „Quälerei“: die Oberrealschule in Waidhofen an der Thaya.
Neben den Abenteuern, die er in den Reihen der marschierenden Kameraden findet, sucht der junge Göth vermutlich zu diesem Zeitpunkt noch nach Alternativen zur Arbeit im Verlag. So halten sich hartnäckig Gerüchte, dass er zwei Semester an der Wiener Hochschule für Bodenkultur „Landwirtschaft“ studiert habe – eine Behauptung, für die es keine Belege gibt; allerdings ist es möglich, dass Mony als außerordentlicher Hörer Vorlesungen besuchte. In seinem 1941 für das SS-Personalhauptamt handschriftlich verfassten Lebenslauf erwähnt er davon allerdings nichts – Indiz dafür, dass eventuelle Anläufe in diese Richtung erfolglos bleiben.
Inzwischen hat die Verlagsbuchhandlung Franz Amon Göths auch verlegerisch Fuß gefasst; 1926 gelingt mit dem von J. Viktor Kowalewski herausgegebenen Band Vergewaltigte Menschen. Blätter aus dem Felde und der Kriegsgefangenschaft ein erster großer Erfolg. Der heroisierende Blick zurück auf die Opferjahre des Ersten Weltkrieges hat nun Konjunktur und wird zu einem Haupttema des kleinen Programms.
Was Göth bei den „Hahnenschwänzlern“ fehlen mag, ist die Radikalität antisemitischer Äußerungen, wie er sie von den Jungnazis her gewohnt ist, dazu kommt die Zerstrittenheit der Heimwehrführer untereinander – im Vergleich zu Männern wie Walter Pfrimer oder Ernst Rüdiger Starhemberg mag Adolf Hitler tatsächlich als Lichtgestalt erscheinen. Mony erinnert sich wieder an seine alten Freunde von den Hakenkreuzlern und beginnt sich allmählich neu zu orientieren: Wohl schon 1929 ist er wieder im Umfeld der Nazis zu finden, noch allerdings nur als Sympathisant. Möglicherweise hängt auch sein Aufenthalt in der Marktgemeinde St. Andrä-Wördern im April und Mai 1930 mit dieser politischen „Neuorientierung“ zusammen. Im Meldebuch des kleinen Ortes an der Donau trägt sich der 21-Jährige, der bis dahin immer beim Vater in der Mollardgasse gemeldet gewesen ist, als „Privatbeamter“ ein, als Wohnadresse gibt er die Sackgasse 5 an – der Verdacht liegt nahe, dass Göth diese Tarnung benutzt, um ungestört seine Kontakte in die Szene pflegen zu können. Indiz dafür ist nicht zuletzt die Tatsache, dass er sich auch in späteren Jahren, etwa 1935, wiederholt in St. Andrä-Wördern aufhält.
Das Thema Steirischer Heimatschutz erledigt sich schließlich von selbst. Im Sommer 1930 steuert die Führungskrise der Heimwehren einem neuen Höhepunkt zu. Am 2. September 1930 wird Starhemberg auf einer Tagung aller Landesleiter in Schladming zum „Bundesführer“ der Heimwehren gewählt, gleichzeitig schafft die NSDAP bei den Reichstagswahlen vom 14. September 1930 den Sprung zur zweitstärksten Partei Deutschlands. Für zahlreiche Angehörige des Heimatschutzes ein klares Signal, das Lager zu wechseln und zu den Nazis zu gehen – sie trauen Starhemberg nicht mehr, der ihre Überzeugungen „verraten“ hat: den Kampf für den „Anschluss“ und den Sturz der Bundesregierung. Auch für Mony ist das Maß jetzt voll – am 13. Mai 1931 tritt er der Ortsgruppe Margareten der NSDAP bei; er erhält die Mitgliedsnummer 510.764. Da er im 6. Bezirk gemeldet ist, überweisen ihn die überkorrekten Parteigenossen aus Margareten bald darauf an die Ortsgruppe Mariahilf, wo er als „politischer Leiter und als SA-Mann“ erste Funktionen im Kreis der braunen Kämpfer übernehmen darf – Mony bekommt das wichtige Gefühl vermittelt, dass er hier tatsächlich gebraucht wird.
Von der SA ist der Weg zur SS für ihn nicht mehr weit: Auf einer Versammlung beeindruckt ihn das forsche Auftreten der SS-Recken so sehr, dass er sich sofort zur Mitgliedschaft in Himmlers Totenkopf-Truppe entschließt; auf seinem SS-Ausweis prangt von nun an die Nummer 43.673. Seinen „Dienst“ versieht er beim Trupp „Deimel“, einer Teilformation des SS-Sturms „Libardi“; offensichtlich zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten, denn im Jänner 1933 wird er zum Stab der 52. SS-Standarte versetzt. Hier überträgt man ihm die „Geschäfte“ eines Adjutanten des Stabsführers und betraut ihn zusätzlich noch mit den Agenden eines „Motorstaffelführers“. Als Inhaber der Kraftfahrzeugführerscheine 1, 2, 3 und 4 und begeisterter Automobilist ist Göth für diesen Posten die ideale Besetzung.
Ein „Dienstleistungszeugnis“ von 1941 bescheinigt ihm, dem „vorbildlichen SS-Kamerad“, sicherlich zu Recht „große Verdienste“ um die Partei.
„Blutopfer“, Illegalität und erste Ehe
Die Machtergreifung Hitlers in Deutschland am 30. Jänner 1933 löst unter seinen Anhängern in Österreich enorme Euphorie aus. Ungeduldig drängen sie, die so ganz „deutsch“ fühlten, auf den „Anschluss“ und die sehnsüchtig erwartete „Heimkehr ins Reich“; entschlossen verstärken sie ihre Aktivitäten. Göth, jetzt 24 Jahre alt, ist mit ganzem Herzen bei der Sache. Im Mai 1933 wird er zum SS-Scharführer befördert. Kryptisch äußert er sich in seinem später verfassten „Lebenslauf“ über die damalige Tätigkeit: „Nach dem Parteiverbot erhielt ich vom damaligen Führer der 52 SS Stand. den Auftrag im Rahmen der 52 SS Stand. die notwendigen Maßnahmen zu organisieren. In Ausübung dieses Auftrags musste ich im Juli 1933, da ich von den öst. Behörden wegen Sprengstoff– verbrechens gesucht wurde, ins Reich flüchten.“
Während einer „Dienstfahrt“ mit der SS-Standarte 11 hat Göth bei Drosendorf im Waldviertel einen Unfall und wird schwer verletzt. In einem Fragebogen zur „Erhebung zwecks Vorprüfung der Anwartschaft für die Zuteilung eines Antragscheines zum Erwerb des Blutordens“, datiert mit 19. Februar 1939, gibt Göth die näheren Umstände dieses Unfalls an: „Absturz des Wagens, 2 Tote und 28 Schwerverletzte blieben unter dem Wagen. Bei den Bergungsarbeiten, obwohl schwer verletzt, stürzte ich nochmals und zog mir weitere schwere Verletzungen zu.“ Obwohl Verletzungen aus einem Unfall keine Anwartschaft auf Verleihung des Blutordens begründen, wird ihm daraufhin ein Antragschein zugeteilt – der Beginn eines bürokratischen Hürdenlaufes durch die Parteistellen, der letztlich erfolglos bleiben sollte.
Im Sommer 1933, wohl Ende Juli, Anfang August, nach den Sprengstoffanschlägen der Nazis in Krems und dem daraufhin ausgesprochenen Verbot der NSDAP und ihrer Organisationen, flüchtet Göth nach München. Die österreichischen Behörden haben ihn zur Fahndung ausgeschrieben: „Privatbeamter“ nennt ihn das Zentralpolizeiblatt vom 19. Juli 1933 und erwähnt als besondere Kennzeichen einen „kleinen englischen Schnurrbart“, eine Rissnarbe im Gesicht – wohl vom Unfall in Drosendorf – und seinen „lässigen Gang“. Nach Göth wird gesucht, weil man in ihm einen der Hintermänner der Sprengstoffattentate im Frühsommer 1933 vermutet. Man weiß, dass er Führer der „Motorstaffel der SS Niederösterreich“ ist und in der Mollardgasse 34 gemeldet war.
In München findet Göth Unterschlupf bei einem gewissen Josef Stehberger in Neubiberg, Wotanstraße 7. Stehberger ist Doggenzüchter und freundet sich mit dem jungen, aufgeweckten Nazi aus Österreich rasch an. Hier findet man für ihn eine neue Aufgabe: den Schmuggel von „Sende-Geräten“ nach Österreich, anschließend ist er als Kurier im Einsatz, wird aber bereits im Oktober 1933 von der österreichischen Polizei gestellt und in Haft genommen. Aus Mangel an Beweisen gegen ihn lässt man ihn zu Weihnachten 1933 wieder laufen.
Das gefährliche Treiben ihres Sohnes ist den Eltern inzwischen nicht mehr ganz geheuer.