ist es meine Insel, da sie mir in schweren Zeiten Trost gespendet hat, mich jedes Mal zu kreativem, schöpferischem Tun inspiriert und viel Freude schenkt, wenn ich sie besuche. Es ist mir, als sei sie eine alte Freundin, die mir vertrauensvoll ihre Schätze zeigt, sich mir voller Freude zuneigt und somit meine Seele berührt und meine Herzenstüren öffnet.
Sie, lieber Leser, fragen sich nun sicher schon gespannt, um welche Insel es sich denn handelt, welch ein Paradies sich wohl im See verborgen hält?
So möchte ich Sie einladen, mich auf meinem Spaziergang über die Insel Mainau zu begleiten. Ich sage absichtlich mein Spaziergang, denn jeder Besucher erlebt die Insel auf seine eigene Weise, sieht dies oder das, was andere nicht sehen, fühlt oder ahnt seiner eigenen Wahrnehmung und Empfindung entsprechend.
Wie jedes lebendige Wesen hat auch die Mainau mit ihren unzähligen Blumen, Bäumen und Tieren viele Gesichter, die sich je nach Wetter, Tageszeit und den jeweiligen Jahreszeiten sehr verändern können. Sie offenbart sich jedem Besucher auf ihre ganz eigene Weise. Mal gibt sie mehr, mal gibt sie weniger von sich preis, ganz wie wir auf sie zugehen, wie wir ihr unser Herz öffnen, Probleme, Handys und andere Alltagsablenkungen zu Hause lassen können.
Wenn ich die Mainau besuche, befinde ich mich immer in Begleitung meiner kleinen, spanischen Hündin Luca, die jedes Mal begeistert den langen Steg entlang schnüffelnd nach Eis- oder sonstigen gutschmeckenden Proviantresten sucht, während ich zwar durchaus den weiten Blick über den See zu den Alpen genieße, aber schnellen Schrittes versuche, den Steg hinter mir zu lassen, da der oft so kalte Seewind tüchtig an den Ohren zieht. Kaum auf der Insel angekommen, lässt der Wind nach und es wird deutlich wärmer.
Eine große, freundlich blickende Blumengestalt grüßt und lädt zum Fotografieren ein. Manchmal ruft mich hier schon die erste Tasse Kaffee, die ich dann mit Blick auf den See, in der Sonne sitzend, genieße.
Die Zeit scheint hier auf der Insel stillzustehen, über mich keine Macht zu besitzen. Sie schenkt sich mir zum Verweilen, Genießen, Staunen und zum Träumen.
Mein Weg führt mich an den Weinstöcken vorbei zum Rapunzelturm. So nenne ich ihn, da ich mir in meiner Fantasie gut vorstellen kann, wie Rapunzel von oben herabsieht und ihr schönes, langes Haar herunter lässt. Nun komme ich zur großen Baumallee, die im Frühjahr umsäumt ist von gelben und weißen Narzissen und von tausenden Tulpen, deren roten, gelben und weißen Blütenkelche in der Sonne wie kleine Laternen leuchten. Sie schenkt meiner Seele mit ihren Farben wieder neue Energie und Freude nach der langen, farblosen Winterzeit. Wenn ich die unzähligen Blumen, diese zarten Wunderwerke, in ihrer Vielfalt, Farbenpracht und Schönheit betrachte, frage ich mich jedes Mal, wer hegt und umsorgt sie wohl noch, außer den Gärtnern? Vielleicht Wesen, die wir nicht sehen, aber doch erahnen und vielleicht auch spüren können? Wenn ich durch den großen Park mit seinen alten Bäumen spaziere, kann ich mir gut vorstellen, wie sich nachts im Mondschein Elfen und Feen in farbigen, seidenen Gewändern auf den Wiesen versammeln und ihre bunten Reigen tanzen. Die alten Baumriesen könnten uns sicher vieles aus lang vergangener Zeit erzählen. Sie könnten uns von den vielen Menschen, die sie gesehen, von Gesprächen, die sie belauscht, von Freud und Leid, das sie erlebt haben, berichten. Möglicherweise müssen wir nur stiller werden und mit unserem Herzen hören, dann können wir vielleicht ihre Stimmen wieder vernehmen. Dieser alte Baumgarten lässt mich in jeder Jahreszeit seinen Zauber deutlich spüren. Sei es im Frühjahr, wenn er sich langsam mit zartem Blättergrün und Blüten bekleidet, im satten Sommerlaub, das kühlen Schatten spendet oder auch, wenn er sich in seinem gelben und roten Herbstgewand oder im kahlen Wintergeäst zeigt.
Mein Spaziergang führt mich weiter in den Rosengarten, wo mich im Sommer tausende dieser feinen, edlen Blumen mit ihren mannigfaltigen Farben und Düften, ich kann fast sagen, in ein zeitloses, träumerisches Sein entführen. Plätschernde Springbrunnen, ehrwürdig aussehende Steinfiguren, die stolz, fast unnahbar zwischen den Rosen stehen, vermitteln das Flair einer längst vergangenen romantischen Zeit.
Ob es hier wohl eine Rosen- oder Blumenkönigin gibt?
In diesem Garten kann ich mir sehr gut vorstellen, wie eine anmutige, zarte Gestalt in einem bunten Seidenkleid, die langen Haare mit Blüten geschmückt, zwischen den Rosenstöcken leicht schwebend dahinschreitet, einzelne Blüten liebkost oder hängende Rosenköpfchen wieder aufrichtet.
Weiter geht es in das Palmenhaus, wo sich unzählige Orchideen in ihrer großen Vielfalt und Schönheit in der Frühjahrsausstellung präsentieren. Im Schlosscafé bietet sich eine kleine kulinarische Pause an. Ein bisschen scheint auch hier die Zeit stehengeblieben zu sein, dafür sorgen der große Kristalllüster mit seinem üppigen Gefunkel und die strengblickenden Schlossahnen, die aus schweren Silberrahmen das Cafégeschehen betrachten. Ob sie auch gerne die wohlschmeckenden Torten probieren würden, die verführerisch in der Vitrine auf die Gäste warten? Ich genieße hier meistens einen Cappuccino und einen warmen Apfelstrudel mit Vanilleeis, bevor ich mir die Ausstellung im Schloss anschaue, die je nach Thema und Jahreszeit immer sehenswert ist und auch des Öfteren kleine Mitbringsel zum Kauf anbietet.
Doch zu lange mag ich im Schloss nicht verweilen. Es zieht mich wieder hinaus ins Freie, in die Blumen- und Pflanzenwelt, die ich nun mit Kaffee und Kuchen gestärkt, weiter erkunden und genießen möchte.
Die liebste Zeit auf der Mainau ist für mich der späte Nachmittag, wenn die großen Reisebusse abgefahren sind und viele Besucher mit sich genommen haben. Wenn sich die Insel mehr und mehr leert, Ruhe und Stille sich langsam ausbreiten, dann zieht es mich an den Schwanenbrunnen, wo ich mich auf den noch warmen Steinbänken niederlasse und die letzten Sonnenstrahlen, die zwischen den Blättern der großen Bäume hindurch blinzeln, genieße. Lange Zeit kann ich hier verweilen und den Brunnen betrachten, in dem die Wasserfontänen wie kleine Gespenster aussehen, die um das Schwanenpaar ihren plätschernden Reigen tanzen.
Wenn Sie, lieber Leser, nun mit mir dort sitzen, die Wärme spüren, den sanften Blumenduft wahrnehmen, das Wassergeplätscher und der Gesang der Vögel Sie in eine wohlige, entspannende Ruhe versetzt haben, dann stellen Sie sich vor, wie ich letztes Jahr nach meinem Spaziergang ebenso hier saß, als plötzlich eine zarte Stimme an mein Ohr drang und mich fragte, ob es gestattet sei, sich neben mich zu setzen. Ein wenig unwillig, das muss ich gestehen, kehrte ich aus meiner Tagträumerei zurück und öffnete die Augen. Vor mir stand eine kleine, ein wenig gebückte, alte Dame. Weiße Löckchen umspielten ein freundlich blickendes Gesicht, darinnen lebhafte, blaue Augen blitzten. Ein langer, weißer Rock, dazu eine mit großen, violetten Blumen gemusterte Bluse rundeten das Bild fast zu einer Fantasiegestalt ab. Ich verstand nicht ganz, warum sie sich ausgerechnet so nah neben mich setzen wollte, da ringsherum reichlich Platz zur Verfügung stand. Doch da ich gerne mit anderen Menschen in Kontakt trete und sie mir auf Anhieb sympathisch war, lud ich sie ein, sich neben mich zu setzen. Schnell entspann sich ein Gespräch zwischen uns über den vollerblühten Rosengarten, die Schönheit der bunten Blumenrabatten, die uns umgaben, und über den Park mit seinen alten, majestätischen Bäumen. Schon seit vielen Jahren käme sie, so erzählte sie mir, im Sommer fast täglich um diese Uhrzeit auf die Insel Mainau. Viel Zeit würde sie im Rosengarten verbringen, denn das sei ihr Lieblingsplatz. Für sie hätte er eine geheimnisvolle Ausstrahlung, vor allem, wenn die Abendsonne mit ihrem sanften, weichen Licht die Rosen beleuchtete. Auch habe sie dort schon des Öfteren feine Präsenzen wahrnehmen dürfen: Ein feiner Lufthauch in ihrem Haar oder ein zartes Stimmchen, dessen Ursprung für sie nicht sichtbar war. Einmal jedoch habe sie sie sehen dürfen, die Mainaukönigin!
Die Mainaukönigin? Ich wusste, dass die gräfliche Familie oben im Schloss wohnte, aber dass es hier eine Königin gab, davon hatte ich noch nie etwas gehört. Wohnte sie auch hier im Schloss? Nein, nein, meinte die alte Dame lächelnd. Ich dürfe jetzt etwas nicht verwechseln. Diese Königin wäre mit unseren irdischen Augen nicht erkennbar. Man könne sie nur mit den geistigen Augen sehen, auch würde sie in keinem Schloss aus Stein wohnen. Ihr Zuhause wäre in der Natur zu finden. Ob sie auf Bäumen, im buschigen Blättergeäst oder in den Blütenkelchen wohnen würde, das wüsste sie nicht zu sagen. Nun verstand ich, was sie meinte. Es bestätigte mir, was ich schon lange vermutete, was ich immer meinte, auf der Mainau zu spüren und zu empfinden. Sie sprach von einer Blumenfee, einer Blumenkönigin! Wo genau sie sie denn gesehen habe, fragte ich. Im