aufwändige Maßnahmen, die sich jedoch ausgezahlt hätten: Ihren Garten kann die Familie Fritz seitdem wieder in Ruhe genießen …
Die aktuelle Aufgabe heißt befunden und betreuen
Auch wenn die aufregende, von Entdeckungen und Überraschungen geprägte „Pionierzeit“ für das BIG-Underground-Team nun vorbei – Karl Lehner wechselt 201 in die wohlverdiente Pension – und man in eine ruhigere Phase eingetreten ist, so gilt es doch auch weiterhin, ein wachsames Auge auf die unterirdischen Anlagen zu haben. „Stollen“, so erklärt uns Leopold Weber im Gespräch, „sind etwas Dynamisches.“ Die ungesicherten, nicht ausgebauten Abschnitte mancher Stollen verfallen weiter, es kann zu Nachbrüchen kommen und zur Bildung neuer Hohlräume. Regelmäßige Sicherheitsbefahrungen und Inspektionen sind daher unumgänglich, eine Aufgabe, der sich Martin Scheiber, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Tunnel/Stollenbau, als Partner der BIG mit großem Engagement widmet. Von einem „reinen Verwalten“, wie wir Laien vermuten, könne daher, so schärft uns Martin Scheiber ein, beileibe keine Rede sein, da jede Stollenanlage ihre Besonderheiten habe und individuell zu betreuen sei. Aufmerksame Kontrolle sei daher das oberste Gebot, um eventuelle Schäden durch rasche Reaktion hintanzuhalten. Daneben bestehe sein Alltag aus einer Fülle von anderen Tätigkeiten, wie z. B. Fragen zur Nachnutzung von Stollenanlagen zu klären oder Anfragen von Grundstückseigentümern betreffend Änderungen der Überbauung zu prüfen – damit verbunden sei wiederum eine „gebirgsmechanische“ Beurteilung der Stollenanlage. Vor allem seine Rolle im Zusammenspiel von Grundeigentümer und Eigentümer des Superädifikats sei nicht immer frei von Spannungen.
Ein wachsames Auge ist notwendig: Sicherheitsbefahrung in St. Georgen an der Gusen.
Für den Besucher nicht zugänglicher Gangabschnitt in St. Georgen an der Gusen.
Heimatforscher Rudolf Haunschmied bei einer Führung durch „Bergkristall“.
Das ist die technische Seite der NS-Stollenwelt heute – eine vielfältige Herausforderung. Ihr gegenüber steht ein mächtiges „Narrativ“: Mythen und Erzählungen, Geschichten, Gerüchte und Spekulationen, die sich um die Erbauung und Zweckbestimmung dieser Bauwerke, um das Schicksal der hier arbeitenden Menschen ranken. Erinnerungen und Zeitzeugenberichte, engagierte Forschungsarbeiten und Dokumentationen haben in jüngster Zeit einige Stollen in helles Licht getaucht; so manche Frage ist jedoch noch unbeantwortet, so manches Rätsel bleibt noch zu lösen …
Amerikanischer B-17-Bomber „Flying Fortress“ im Einsatz über dem „Reich“.
II . Kapitel:
Die große Flucht vor den Bombern
„Die Stollen“, so schreibt der tschechische KZ-Häftling Drahomír Bárta, der im KZ Ebensee als Lagerschreiber überlebt, „wurden für die Häftlinge zu einem verfluchten Ort, vor dem jeder Angst hatte.“ Das Wort „Stollen“, so Barta, habe bei ihnen ein „größeres Unbehagen“ ausgelöst als das Wort „Steinbruch“; die SS habe um diese Angst gewusst und Häftlinge gezielt terrorisiert. Und diese gefürchteten Stollen, so hat man das Gefühl, sind spätestens ab dem Winter 1943/44 überall – in der ganzen „Ostmark“ beginnt in fieberhafter, ja verzweifelter Eile und unter Einsatz aller Kräfte, vor allem mit KZ-Häftlingen, die Arbeit an unterirdischen Anlagen: in Klagenfurt und Villach, in einem Kalksteinbruch bei Aflenz und in Peggau ebenso wie in Kapfenberg und in Ternitz, in Krems und Steyr, in Hallein und Innsbruck und auch in Bregenz. Wo nur irgendwie möglich, werden Berge und Hügel durchlöchert, Höhlen ausgebaut, Bunker betoniert, man sucht Schutz, will sich verkriechen vor den Bomben, nur unter Tage fühlt man sich noch sicher. Der Tod vieler Menschen wird dafür kaltblütig in Kauf genommen.
Wie kam es dazu? Schon 1943 ist die deutsche Luftwaffe nicht mehr in der Lage, die Angriffe der alliierten Bomberverbände entscheidend zu stören, geschweige denn zu verhindern. Dazu kommt, dass auch die deutsche Flugzeugindustrie in einer Krise steckt – man hat zum Teil auf falsche Flugzeugtypen gesetzt und ist mit der laufenden Produktion ins Hintertreffen geraten; gezielte Angriffe der Alliierten auf die wichtigsten Flugzeugwerke – etwa im August 1943 auf die Messerschmitt-Werke in Regensburg und die Wiener Neustädter Flugzeugwerke (Operation „Juggler“) – tun ein Übriges.
Nach der massiven alliierten Luftoffensive vom Februar 1944, der Big Week, in der 6.000 britische und amerikanische Bomber und 3.670 Jäger zum Einsatz kommen, verschärft sich die Situation weiter: 75 Prozent der Flugzeugzellen- und -endmontagewerke sind zerstört; das Reichsluftfahrtministerium ist nicht mehr in der Lage, die nun anfallenden Aufgaben – Wiederaufbau der zerstörten Anlagen, Steigerung der Produktion von Jagdflugzeugen und Untertagverlagerung der Flugzeugindustrie – alleine zu bewältigen: Reichsluftfahrtminister Hermann Göring, der einst großspurig verkündet hat, dass er „Maier“ heißen wolle, sollte sich ein alliierter Bomber über dem Reichsgebiet zeigen, braucht nun Hilfe und tatsächlich stehen zwei Helfer bereit, die allerdings auch ihren eigenen Vorteil suchen: Reichsführer-SS Heinrich Himmler, der mit den KZ-Häftlingen über ein Heer von Arbeitskräften verfügt, und Albert Speer, der Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion. Rasch zeigt sich, dass die Initiative an den dynamischen Planer und Organisator Speer übergehen wird. Am 1. März 1944 wird per Erlass Görings ein Krisenstab eingesetzt, der sogenannte „Jägerstab“; sein Vorsitzender wird Albert Speer. Ziel des Jägerstabs, der von Vertretern der beiden Ministerien, der SS und der Industrie gebildet und mit 1. August 1944 befristet wird, ist die Steigerung der Produktion von Jagdflugzeugen, nicht zuletzt möglich gemacht durch den Bau unterirdischer Fabriken. Speziell mit dieser Aufgabe betraut Speer den SS-Obergruppenführer Hans Kammler, der sich bereits beim Ausbau des „Mittelwerkes“ im Kohnstein für die V2-Raketenproduktion bewährt hat. Kammler soll einerseits die KZ-Häftlinge in den Produktionsprozess einbinden, andererseits in allen bautechnischen Fragen den Kontakt mit dem Rüstungsministerium halten – so will Speer verhindern, dass zu viel Macht und Einfluss im Flugzeugbau an die SS wandert. Die effiziente Arbeitsweise des Jägerstabs soll durch einen neuen Stil garantiert werden: „Ohne bürokratische Hemmungen“, nur durch „unmittelbare Befehlsgebung“ sollen die notwendigen Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden. Der Technokrat Hans Kammler ist der geeignete Mann dafür.
Rüstungsbetriebe werden unter Tag verlegt: Stollenanlage des Geheimprojekts „Syenit“ in Kapfenberg.
Geplant werden riesige „Großbunker“, auch „Jägerfabriken“ genannt, so das „Projekt Ringeltaube“, das den Bau von drei gigantischen unterirdischen Fabriken im Frauenwald bei Landsberg am Lech vorsieht. In die Planung des Jägerstabs fallen schließlich auch die Errichtung der unterirdischen Produktionsanlage „B8 Bergkristall“ in St. Georgen an der Gusen und der Bau von „Zement“ in Ebensee für die Raketenrüstung.
Die treibende Kraft ist Hitler persönlich, er drängt weiter energisch auf die Verlagerung der Rüstungsindustrie in Höhlen und „Großbunker“; Rüstungsminister Albert Speer ist lange skeptisch, denn Bomber, so sein Argument, könnten nicht mit Beton bekämpft werden, auch in „vieljähriger Arbeit“ könne man die Rüstung „nicht unter die Erde oder unter Beton“ bringen. Als Hitler auf dem Bau von „Großbunkeranlagen“ beharrt, schreibt ihm der gekränkte Speer, gegen den die Parteigrößen Göring, Bormann und Himmler heftig intrigieren, am 19. April 1944 einen Brief, in dem er noch einmal darauf hinweist, dass es „illusorisch“ sei, angesichts der allgemeinen Lage derart große Bauvorhaben