Erhard Heckmann

Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt (Band 1)


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große Champions aufzunehmen hätte. Themen, die der Fachmann kennt, den Laien aber kaum interessieren, wurden nur „angekratzt“, um sie der Vollständigkeit halber zu erwähnen oder ihre Theorien zu bewahren.

      Bedanken möchte ich mich bei all denen, die mich durch Fotos unterstützten, wobei das irische Coolmore Stud, die Hancock-Familie der amerikanischen Claiborne- und Stone Farms, Mac McBride (Del Mare Thoroughbred Club), Sinead Hyhland (Irish National Stud), als auch Betsy Baxter von der „Keeneland Library“ – stellvertretend für alle anderen – ganz besonders erwähnt sein sollen.

      In Klammern hinter einem Pferdenamen können stehen: Geburtsjahr; der Vater des Pferdes; die Anzahl der Siege; die gerundete Gewinnsumme oder eine andere Wichtigkeiten, die der Text jedoch erklärt.

      DER VOLLBLÜTER – EINE KUNSTRASSE

      Die Zucht des Vollblüters wurde vor mehr als 300 Jahren in England mit dem Ziel gestartet, die schnellste Pferderasse der Welt zu kreieren, die Produkte auf der Rennbahn zu prüfen, und sie durch stetige Auslese zu verbessern. Die Briten, die diese Kunstrasse entwickelten, waren schon immer Pferdeliebhaber. Und bereits vor dem ersten „organisierten“ Rennmeeting zu Smithfield 1174, das in Geschichtsbüchern festgehalten wurde und während der Regentschaft von Henry II. stattfand, hatte es schon „Rennen“ gegeben.

      Die Römer Cäsars landeten erstmals in England im Jahr 55 v. Christi und brachten teils eigene, teils orientalische Pferde mit. 208 – 211 nach Christi hielten sie in York Wettrennen ab, und auch nach Cäsar versiegte die Einfuhr orientalischer Pferde nach England nicht mehr. Als die Normannen im 11. Jahrhundert England unterwarfen, brachten auch sie nicht nur leistungsstarke Pferde mit, sondern ihr König Löwenherz soll schon um 1190 orientalische Hengste mit heimischen Stuten gepaart haben. Auch auf der französischen Kanalseite wurde ein verwandter Pferdetyp erzeugt, und im alten Preußen war die Veredlung und Kräftigung der kleinen Gebrauchtrasse durch arabische Hengste auch schon bekannt. 1309 wird aus Newmarket von der Abhaltung von Rennen berichtet, und 68 Jahre später soll es bereits ein Match zwischen dem Prinz of Wales, dem späteren Richard II, und dem Earl of Arundel gegeben haben. Der Ort ist nicht verbürgt, aber wahrscheinlich war es in Newmarket. Von hier wird auch das erste Training im moderneren Sinn aus 1605 überliefert, und seit dieser Zeit gilt Newmarket auch als Heimat und Mekka des Vollblutes.

      Aus 1609 ist bekannt, dass in Chester an die Reiter oder Besitzer der ersten drei Pferde eines Rennens durch den Sherriff Silberpokale überreicht wurden.

      Auch die englischen Königsfamilien unterstützten Sport und Zucht. Und während Henry VIII. (1509 – 1547) schon zahlreiche Hengste und Stuten für Zuchtzwecke importierte, zählten besonders die Regenten aus dem Hause Stuart – Jakob I., Karl I. und Karl II. – die auch in Newmarket eine eigene Wohnung unterhielten, zu den Tatkräftigsten. Und nachdem 1625 Charles I. (Karl I.) den Thron bestiegen hatte, etablierten sich zu Newmarket reguläre Frühjahrs- und Herbstmeetings, und ein „Gold Cup“ wurde erstmals 1634 entschieden. Zwanzig Jahre später, als der Regent abtreten musste, kam der Rennsport fast zum Erliegen, erlebte jedoch unter Charles II (auch Karl II.; 1660 – 1685), der neben Jagden selbst Rennen ritt und einige auf eigenen Pferden gewonnen haben soll, eine neue Blüte. 1664 etablierte er das noch heute gelaufene „Newmarket Town Plate“ und stiftete für diese die berühmten königlichen Silberteller. An ihn erinnert auch die heutige „Rowley Mile“ zu Newmarket, die ihren Namen vom Lieblingspferd dieses Regenten, „Old Rowley“, erhielt.

      Die königlichen Stuten und Hengste, diese meist mit orientalischer Herkunft, waren damals längst angeschafft, und zu einem großen Teil bereits durch seine Vorgänger. Die „Orientalen“, meist als Araber oder Berber bezeichnet, kamen aus Vorderasien, Persien, Syrien, Arabien oder der Türkei. Arabien selbst war allerdings schon wegen seines wasser- und grasarmen Wüstencharakters kein altes Pferdezuchtland, sondern soll seine Zucht vor allem Mohammed (um 570 n. Chr. geboren) verdanken, der den Wert einer schnellen Reiterei nach einer Niederlange gegen die Perser am Berge Ohod erkannt haben soll.

      Bis die neuzeitlichen Rennen eingerichtet, und danach im 18. Jahrhundert die Klassiks geschaffen waren, und die wirkliche Entwicklung des Rennsports begann, sollte es aber noch eine Weile dauern. Die dritte Phase in der Schaffung der neuen Rasse wurde, mit ihrer Vervollkommnung, aber erst im 19. Jahrhundert erreicht. In dieser etablierten sich die Vollblüter in den meisten der anderen Kulturländer, und die internationale Verflechtung dieser Rasse begann. Dieses edle Pferd hatten zwar auch schon die Pilgerväter im 17. Jahrhundert von England mit nach Amerika gebracht, doch bedurfte es erst der Befriedigung nach der Französischen Revolution und den Unabhängigkeitskriegen, um überall Vollblutpferde in stärkerem Maße auszuführen als vorher.

      In Frankreich entstand folgerichtig 1834 die Rennbahn Chantilly; das 1. Gestütsbuch kam vier Jahre später; Longchamp eröffnete 1857, und die Französische Turfkörperschaft wurde 1883 gegründet, während Amerikas 1. Gestütsbuch 1857 ins Leben gerufen wurde. Frankreich verbesserte das von den Engländern übernommene Rennsystem, während es die Amerikaner aus kommerzieller Sicht änderten. Mehr als die Hälfte ihrer Rennen wurden bis 1.600 Meter gelaufen, und nur 5% über zwei Kilometer oder mehr. Die Franzosen bevorzugten den Steher, statt den Flieger. Sie gaben auch den Zweijährigen mehr Zeit als die Engländer oder die Amerikaner, die ihn ausnutzten.

      Dazwischen lagen noch einige andere Schritte, die den Weg in die neue Zukunft ebnen halfen. So fand 1712 das erste Rennen für fünfjährige Pferde in York statt, ein Alter, in dem auch der berühmteste Hengst des 18. Jahrhunderts, Eclipse (1764), sein Rennbahndebüt gab und alle seine 19 Rennen und sieben „Stechen“ gewann. Ehe jedoch die fünf Klassiks in England aus der Taufe gehoben wurden, durften auch die jüngeren Jahrgänge erstmals an den Start: 1728 die Vierjährigen in Hambledon; die Dreijährigen 1756 in Newmarket, und die Zweijährigen folgten 1773. Insgesamt waren nun die Zeiten vorbei, in denen die Rennen noch über vier bis sechs englische Meilen oder mehr führten, das Reitergewicht auf der Flachen bei bis etwa 76 Kilo lag, und das Alter der startenden Pferde mindestens sechs Jahre betrug.

      Heute hat der Vollblüter auf allen fünf Erdteilen seine Überlegenheit bewiesen, und das ENGLISCHE DERBY wurde, wenn auch hier oder dort in der Distanz manchmal abweichend vom Original, von allen Rennsportländern übernommen. Und alle Vollblüter dieser Welt lassen sich auf einige Stammstuten und Stammhengste zurückführen. Über die Umwege, die diese vollzogen, ist nicht alles bekannt. Bei den Hengsten kursieren auch heute noch so manche Mythen, während das eine oder andere Fragezeichen hinter den Ursprungsmüttern erst mit modernsten Methoden entschlüsselt werden konnte. Bei den Gründer-Stuten könnte sich einheimisches und fremdes Zuchtmaterial die Waage halten, während bei den Vätern der orientalische Einfluss vorherrscht. F. Charles de Beaulieu erwähnt in seinem Buch „Vollblut“, dass zwischen 1660 und 1770 etwa 160 Araber- und Berberhengste nach England eingeführt wurden, doch setzten sich letztlich nur drei von ihnen durch, die als die väterlichen Gründer der neuen Rasse Vollblut gelten. Richtig ist aber, dass eine größere Anzahl von Orientalen das einheimische Pferd, das in England Galloway genannt wurde und etwa einem Reitpony entsprach, schon erheblich verbessert hatten.

      Noch begeisterter als Charles II. war jedoch sein Nachfolger William III. von Oranien-Nassau, der von 1688 bis zum Tod seiner Gattin Queen Mary II. gemeinsam, danach allein in England regierte, und gleichzeitig auch in Schottland als King William II. im Amt war. Er lies seine Pferde in Match-Rennen laufen und gründete zu Hampton Court ein königliches Gestüt. Trainiert wurden sie von Tregonwell Frampron, der als „Father of the Turf“ bekannt wurde. Queen Anne, Schwester von Mary II. und Tochter von James II., die George von Dänemark heiratete, und deren 17 Kinder alle starben, führte als letzte Monarchin aus dem Hause Stuard die Rennsport-Tradition in Newmarket nicht nur fort. Es ist auch hauptsächlich ihr zu verdanken, dass es heute „Royal Ascot“ gibt. Ihr zu Ehren heißt das dortige Eröffnungsrennen beim königlichen Meeting auch QUEEN ANNE STAKES (1.600 m; 375.000 Pfund). Und der Sieger von 2012 hatte auch einen ganz besonderen Stellenwert: Er hieß „Frankel“ und gilt als das beste Rennpferd, das die Kunstrasse „Thoroughbred“ bisher hervorbrachte.

      Als die Königin 1714 starb, waren bereits viele Rennmeetings etabliert, darunter auch York, Doncaster, das schon 1614 über eine Tribüne verfügte,