Absicht
41. Zwei Aktivitäten – eine am Anfang, eine am Ende
42. Welches der beiden auch eintreten mag – sei geduldig
43. Beobachte diese zwei, selbst wenn dein Leben auf dem Spiel steht
44. Übe dich in den drei Schwierigkeiten
45. Sorge für die drei hauptsächlichen Ursachen
46. Achte darauf, dass die drei niemals schwinden
47. Sei unzertrennlich von diesen drei
48. Übe ohne Vorliebe oder Abneigung. Es ist entscheidend, dies zu jeder Zeit, in jedem Fall und mit vollem Einsatz zu tun
49. Meditiere stets über alles, was Groll hervorruft
50. Lass dich nicht von äußeren Umständen beeinflussen
51. Praktiziere dieses Mal die wichtigsten Punkte
52. Interpretiere nicht falsch
53. Wanke nicht
54. Übe mit ganzem Herzen
55. Befreie dich selbst durch Untersuchen und Analysieren
56. Suhle dich nicht in Selbstmitleid
57. Sei nicht eifersüchtig
58. Sei nicht leichtfertig
59. Erwarte keinen Applaus
Abschließende Verse
Anhang
Die sechsundvierzig Arten von Fehlern, die ein Bodhisattva begehen kann
Vierunddreißig gegenteilige Verhaltensweisen zur Verkörperung der Tugend
Zwölf gegenteilige Verhaltensweisen dazu, allen Wesen zu nützen
Anmerkungen
Glossar
Dank
Über den Autor
Bibliographie
Veröffentlichungen
Bücher von Chögyam Trungpa in deutscher Sprache
Shambhala-Meditationszentren
Vorwort der Herausgeberin
Dieses Buch enthält den Wurzeltext der Sieben Punkte der Geisteserziehung von Chekawa Yeshe Dorje, ins Englische übersetzt vom Nalanda-Übersetzungskomitee, mit einem Kommentar, der auf den mündlichen Unterweisungen Trungpa Rinpoches basiert. Trungpa Rinpoche bezog sich dabei vor allem auf den Kommentar von Jamgon Kongtrul dem Großen mit dem tibetischen Titel Changchub Shunglam (Der grundlegende Pfad zur Erleuchtung); dieser Text gehört zu einer Sammlung der wichtigsten Lehren des tibetischen Buddhismus, Die fünf Schätze, die Jamgon Kongtrul zusammenstellte. (Trungpa Rinpoches eigener Lehrer, Jamgon Kongtrul von Sechen, war eine Inkarnation dieses führenden spirituellen Lehrers des 19. Jahrhunderts.)
Die sieben Punkte der Geisteserziehung werden dem großen indischen buddhistischen Lehrer Atisha Dipankara Shrijnana zugeschrieben, der 982 als Mitglied des Königshauses von Bengalen geboren wurde. Deshalb wird diese Liste von Sprüchen, die Chekawa zusammengestellt hat, oft auch als „Atishas Slogans“ bezeichnet. Nachdem Atisha schon als Jugendlicher dem Leben im Königspalast entsagt hatte, studierte und praktizierte er hingebungsvoll den Dharma, zuerst in Indien und später auf Sumatra. Sein wichtigster Lehrer war Dharmakirti (in Tibet auch Serlingpa genannt) und von diesem erhielt er die wichtigsten Unterweisungen über Bodhicitta und die Geisteserziehung. Zurückgekehrt nach Indien, machte er sich daran, diese in Vergessenheit geratenen Lehren wieder zu etablieren, und nahm einen Lehrstuhl an der berühmten Klosteruniversität Vikramashila an. Er wurde eingeladen, die Lehren über die Geisteserziehung nach Tibet zu bringen, und er verbrachte dort dreizehn Jahre, bis er 1054 starb. Sein engster tibetischer Schüler, Dromtönpa, an den er den Schatz seines Wissens und seiner Weisheit weitergegeben hatte, begründete die Kadam-Linie des tibetischen Buddhismus.1
Zunächst wurden Atishas Slogans geheim gehalten und nur an die nahesten Schüler weitergegeben. Die erste Niederschrift erfolgte durch den Kadampa-Lehrer Lang-ri Thangpa (1054 – 1123). Weitere Verbreitung fanden sie, nachdem Geshe Chekawa Yeshe Dorje (1101 – 1175) sie im Wurzeltext der Sieben Punkte der Geisteserziehung zusammengefasst hatte. Geshe Chekawa traf bei seinen Lehrreisen auf viele Leprakranke und vermittelte ihnen die Geisteserziehung, und es heißt, dass mehrere von ihnen dadurch von ihrer Krankheit geheilt wurden. Aus diesem Grund nannten die Tibeter seine Lehren manchmal „den Dharma für die Lepra“. Als Chekawa feststellte, dass diese Lehren sogar seinem aufsässigen Bruder, der kein Interesse am Dharma hatte, gut zu tun schienen, kam er zu der Überzeugung, dass eine weitere Verbreitung angemessen sei. Das führte dazu, dass Atishas Geisteserziehung seit vielen Jahrhunderten bis zum heutigen Tag in allen wichtigen Linien des tibetischen Buddhismus praktiziert wird.2
Der Wurzeltext der Sieben Punkte der Geisteserziehung ist eine Liste von neunundfünfzig Slogans, die eine grundlegende Zusammenfassung der Sicht und der praktischen Anwendung des Mahayana-Buddhismus beinhalten. Das Studium und die Praxis dieser Slogans bieten uns auf sehr praktische und direkte Weise die Möglichkeit, unser Festhalten am Ego zu lösen und Sanftheit und Mitgefühl zu entwickeln. Sie geben uns eine Methode an die Hand, um unseren Geist zu erziehen, indem wir sowohl die formale Meditationspraxis als auch das alltägliche Geschehen als Mittel zum Erwachen verwenden.
Dieser Band basiert nicht, wie viele andere der Dharma-Ocean-Serie, auf einem einzigen Seminar, sondern ist eine Zusammenstellung von Unterweisungen und Bemerkungen aus einem Zeitraum von vielen Jahren. Trungpa Rinpoche präsentierte die Mahayana-Lehren der Kadampa-Slogans erstmals 1975 während des dritten jährlichen Vajradhatu-Seminars, einem der dreizehn dreimonatigen Kursen für Fortgeschrittene, die er zwischen 1973 und 1986 hielt. In den darauf folgenden Seminaren führte er dann die Theorie und Praxis der Geisteserziehung weiter aus.
Die Geisteserziehung oder Slogan-Praxis hat zwei Aspekte: die Praxis der Meditation und die Praxis der Nachmeditation. Im Tibetischen nennt man die entsprechende Meditationspraxis Tonglen oder „Senden und Empfangen“, in Anlehnung an den siebten Slogan: „Das Senden und Empfangen sollte abwechselnd praktiziert werden / Diese beiden sollten auf dem Atem reiten.“ Trungpa Rinpoche unterwies seine Schüler im Seminar von 1979 in der Praxis des Tonglen und empfahl ihnen, sie in ihre tägliche Meditation miteinzubeziehen. Er legte ihnen aber auch die Nachmeditation ans Herz, die darin besteht, jeden Aspekt des Lebens durch die Anwendung der Slogans mit der meditativen Disziplin zu verbinden.
In der Arbeit mit seinen Schülern legte Trungpa Rinpoche großen Wert auf die Praxis des formlosen Meditation – der Entwicklung von Achtsamkeit und Gewahrsein – als Grundlage. Zunächst vermittelte er die Tonglen-Praxis nur erfahrenen Schülern, die sich bereits ausgiebig mit der Sitzmeditation und dem Studium der buddhistischen Lehren befasst hatten. Wenn die Theorie und Praxis der Geisteserziehung in solch einem Kontext präsentiert werden, ist die Gefahr geringer, dass diese Lehren als moralisch oder als Konzept interpretiert werden.
Später führte man die Tonglen-Praxis im Rahmen der Zeremonie des Bodhisattva-Gelübdes ein – einer formalen Absichtserklärung, sein Leben dem Wohlergehen anderer zu widmen. Nach und nach wurde die Tonglen-Praxis dann in unterschiedlichem Zusammenhang präsentiert. Im Naropa Institute, einer buddhistisch inspirierten Universität in Boulder, Colorado, gehört die Tonglen-Schulung zum Lehrplan der klinischen Psychologie. Auch im Rahmen der Buddhismus-Christentum-Dialoge, die das Naropa Institute veranstaltet, wurde diese Praxis vorgestellt. Teilnehmer an einmonatigen Meditationskursen (tibetisch: dhatün) erhalten heute eine reguläre Einführung in die Tonglen-Praxis, und wer sich noch intensiver damit befassen will, kann an einem speziellen