Markus Grebe

Tribometrie


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der deutschen Gesellschaft für Tribologie (GfT) 2014 gab es eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der Tribologie. Damals war gerade die aktuelle „GfT-Tribologie-Studie 2014“ vorgestellt worden. Der so genannte Tribo-Talk stand daher unter dem Titel „Aufbruch oder Ernüchterung“. Alle Redner bestätigten dort die große Bedeutung der Tribologie für die Volkswirtschaft und Wissenschaft. Trotzdem klang bei allen etwas Wehmut heraus, da diese Bedeutung zwar in Fachkreisen unbestritten ist, sich der Allgemeinheit aber eher nicht erschließt. In Erinnerung geblieben ist mir der etwas resignierende Ausspruch eines Redners: „Tribologie ist halt nicht sexy“. Junge Menschen aber auch Politiker tendieren dazu in Schlagworten zu denken. Worte wie Klimaschutz, CO2-Neutralität, E-Mobility, Digitalisierung, Industrie 4.0, Additive Fertigung usw. hören wir tagtäglich in den Nachrichten. Das Wort Tribologie hört man dort nie. Selbst Fachleute können mit dem Begriff häufig nicht viel anfangen. Schaut man sich aber einmal die Aufgaben der Tribologie an (Abbildung 2), dann sind gerade wir Tribologen es, die die Lösungen zu den zuvor genannten Fragestellungen liefern können und müssen.

       Abbildung 2: Aufgaben der Tribologie in Hinblick auf Nachhaltigkeit

      Durch Reibung und Verschleiß entstehen den jeweiligen Volkswirtschaften der Industrieländer jährliche Verluste in Höhe von etwa 1,4% [HOLM2017] bis 7% [GFT2021] des Bruttosozialproduktes; das bedeutet für Deutschland mindestens 47 Milliarden EUR/Jahr. Durch konsequentes Umsetzen des bereits vorhandenen tribologischen Wissens könnten davon bereits große Teile eingespart werden. Durch weitere tribologische Forschung kann dieses Sparpotential noch gesteigert werden.

      Die verstärkte Berücksichtigung tribologischer Kenntnisse bewirkt beträchtliche Einsparungen bei Energie- und Materialeinsatz, Produktion und Instandhaltung. Energie- und Rohstoffressourcen werden geschont, Umweltschäden vermieden und der Arbeitsschutz verbessert.

      Ich bin fest davon überzeugt, dass die weltweiten Klimaschutzziele nur erreicht werden können, wenn es gelingt, neue umweltfreundliche Technologien so attraktiv zu machen, dass sie sich auf dem Markt durchsetzen. Betrachtet man einmal den Anteil Deutschlands an den weltweiten Energieverbräuchen oder dem CO2-Ausstoß erkennt man schnell, dass eine auf Deutschland begrenzte Verbotspolitik nur einen symbolischen Charakter und global nahezu keine Wirkung hat. Stattdessen brauchen wir mehr Forschung und Innovationen, um eine globale Vorreiterrolle einzunehmen. Wir Wissenschaftler und Ingenieure sind also die Gestalter der Zukunft.

      So „unsexy“ ist die Tribologie also eigentlich gar nicht. Wir müssen sie nur noch effektiver nutzen und vielleicht auch den Bekanntheitsgrad dieser Nischen-Disziplin erhöhen.

      Der wesentliche Unterschied zwischen einer tribologischen und einer mechanischen Beanspruchung liegt in folgenden Punkten:

      I.) Eine tribologische Beanspruchung ist primär in den Oberflächenbereichen von Werkstoffen wirksam.

      II.) Bei tribologischen Beanspruchungen sind außer den kräftemäßigen auch stoffliche Wechselwirkungen zwischen den Partnern zu beachten.

       Tribologische Kennwerte sind daher keine Werkstoffeigenschaft, sondern immer vom tribologischen Gesamtsystem abhängig!

      Für tribologische Phänomene spielen daher vorwiegend die obersten Nanometer einer Oberfläche die entscheidende Rolle. Was dabei zu beachten ist, wird im Kapitel „2.2.2 - Aufbau metallischer Oberflächen“ verdeutlicht.

      Wie komplex das Wechselspiel zwischen den Elementen des Tribosystems ist, wird dann im Kapitel „2.2.6 – Wechselwirkungen zwischen den Elementen“ detailliert beleuchtet.

      Der Systemgedanke in der Tribologie wird sich wie ein roter Leitfaden durch das ganze Buch ziehen. Ohne ein hinreichendes Verständnis für diesen Aspekt sind sinnvolle tribologische Prüfungen, wissenschaftliches Arbeiten und allgemein tribologische Optimierungen nicht möglich.

       2 Erläuterung der Systemanalyse

      Basis aller tribologischen Begutachtungen ist die Methodik der Systemanalyse zur Beschreibung von Reibungs- und Verschleißvorgängen, die von CZICHOS Anfang der 1970er Jahre eingeführt wurde [CZIC1974]. Sie erlaubt die Erfassung und Ordnung aller wichtigen Größen in der Tribologie. Der erste Schritt besteht darin, die Bauteile einer Maschine oder Anlage, deren tribologisches Verhalten untersucht werden soll, räumlich von den anderen Bauteilen abzugrenzen („Freischneiden“). Dazu legt man in geeigneter Weise eine sogenannte Systemeinhüllende um die tribologisch beanspruchten Bauteile und um die anderen daran beteiligten stofflichen Partner (Abbildung 4). Die Bauteile und die stofflichen Partner bezeichnet man als die Elemente des Tribosystems. Bei einem Gleitlager bestehen sie z.B. aus der Welle, der Lagerschale, dem Schmierstoff und der Umgebungsatmosphäre. Die Elemente machen zusammen mit ihren Eigenschaften und Wechselwirkungen, zu denen wesentlich die Verschleißmechanismen gehören, die Struktur des Tribosystems aus, wobei man als Tribosysteme alle technischen Systeme bezeichnet, in denen Reibungs- und Verschleißprozesse ablaufen.

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       Abbildung 3: Bausteine der Systemanalyse

       Abbildung 4: Funktion des Tribosystems nach CZICHOS/HABIG [CZIC2015]

      In der Wissenschaft ist es wichtig, exakte Begriffsdefinitionen zu haben. Ursprünglich waren die wichtigsten Begriffe in der Tribologie in zahlreichen DIN-Normen zusammengestellt (DIN 50281, DIN 50320, DIN 50322, DIN 50323, DIN 50324). Diese wurden allerdings allesamt zurückgezogen, da das Firmeninteresse an der Mitarbeit in solchen Grundlagenarbeitskreisen gesunken ist. Die Definitionen sind aber weiterhin gültig und wichtig, weswegen sie in dem Arbeitsblatt 7 „Tribologie“ der deutschen Gesellschaft für Tribologie (GfT) zusammengefasst wurden [GFT7]. Aufgrund seiner Bedeutung kann dieses Arbeitsblatt kostenlos auf den Seiten der GfT heruntergeladen werden.

       Kostenloser Download des Arbeitsblattes Nr. 7

       unter https://www.gft-ev.de/arbeitsblaetter.htm

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      Die wichtigsten Größen des Beanspruchungskollektivs sind:

      • Bewegungsform

      • Bewegungsablauf

      • Belastung FN

      • Geschwindigkeit v

      • Temperatur T

      • Zeit tB oder Weg s

      Jede dieser Einzelbegriffe kann weiter unterteilt werden. So kann die Bewegungsform in

      • Gleiten,

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