Stefan Thomma

Das Mündel des Apothekers


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Doch die Affäre seiner Frau mit Josef Hofmeister hinterließ einen faden Beigeschmack.

      »Ach Kindchen«, tröstete Elfriede das Apothekermündel. »Nimm dir das doch nicht so sehr zu Herzen. Du willst doch nicht so enden wie ich. Ohne einen einflussreichen Mann wirst du nie ein eigenständiges Leben führen können. Sieh es doch einfach als Einstieg in eine gute Zukunft. Und die Liebe kommt schon noch mit der Zeit.«

      »Ich schätze dich sehr. Du warst für mich mehr als eine Mutter. Aber wie es in mir drin aussieht, weiß nur ich. Diese Hochzeit kommt für mich einem Verrat gleich. Ich fühle mich wie eine Sklavin, die an einen Henker verkauft wurde«, erklärte sie und brach wieder in Tränen aus.

      *

      Schon wenige Wochen später war der große Tag.

      »Du siehst aus wie eine Adlige«, freute sich Elfriede, als sie Katharinas Hochzeitskleid musterte. Es war aus sündhaft teurem, schwarz gefärbtem Barchent. Darüber ein dunkelblauer Umhang aus Samt mit Kapuze, umsäumt von goldfarbenen Bordüren.

      »Jetzt mach doch kein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter«, versuchte die Haushälterin sie aufzumuntern. »Es hat sogar aufgehört zu schneien.«

      Als ihr Stiefvater Katharina zur St. Georgskirche geleitete, fühlte sie sich wie ein Schwein, das zur Schlachtbank geführt wird. Tausende Gedanken kreisten in ihrem Kopf. In der Kirche war kein Sitzplatz mehr frei. Menschen standen hinter den letzten Bankreihen, um noch einen kurzen Blick auf Braut und Bräutigam zu erhaschen. Wilhelm Hofmeister wartete ungeduldig vor dem Hochaltar. In seinem Gesicht war ein leichtes Schmunzeln zu erkennen.

      Hier stand sie nun neben ihrem zukünftigen Ehemann. Von all dem, was der Pastor Eberhard Widmann sprach, bekam Katharina nichts mit. Sie hörte seine Worte wie weit entfernt und verschwommen.

      »Willst du, Wilhelm Hofmeister, die hier anwesende Katharina Riesinger zu deinem Eheweib nehmen? Sie lieben und ehren, in guten wie in schlechten Zeiten, bis dass der Tod euch scheidet?«

      »Ja, ich will«, erklang die Stimme von Wilhelm selbstsicher.

      »So frage ich dich, Katharina Riesinger, willst du den hier anwesenden Wilhelm Hofmeister zu deinem Ehemann nehmen? Ihn lieben und ehren, in guten wie in schlechten Zeiten, bis dass der Tod euch scheidet?« Es herrschte Totenstille. Keiner wagte zu husten oder gar etwas zu sagen.

      »Ich frage dich noch einmal. Willst du den hier anwesenden Wilhelm Hofmeister zu deinem Ehemann nehmen? Ihn lieben und ehren, in guten wie in schlechten Zeiten, bis dass der Tod euch scheidet?«, wiederholte Widmann jetzt in einem lauten Ton. Wieder sagte Katharina nichts. Ein Raunen ging durch die Kirche. Einige der Anwesenden begannen zu tuscheln. Benedikt stieß seiner Stieftochter den Ellbogen in die Rippen.

      »He … ähm … ja«, stotterte sie.

      »Dann erkläre ich euch hiermit zu Mann und Frau. Ihr dürft die Braut jetzt küssen.« Als die Lippen der beiden sich berührten, ekelte sich die frisch Vermählte. Wilhelms roter Vollbart roch nach Dünnbier und Zwiebel und kitzelte sie im Gesicht. Hunderte von Augenpaaren musterten die Eheleute auf dem Weg ins Freie. Einige jubelten, andere starrten sie nur an.

      Die Kutsche hielt vor dem Anwesen der Hofmeisters. Das Gesinde erwartete ihren Herren bereits am Eingang. Von der jungen Frau an seiner Seite nahm allerdings kaum jemand Notiz.

      Das Innere des Hauses wirkte lieblos und kalt, obwohl der Kachelofen eingeheizt worden war. Aus der Küche wurde Fleisch und Gesottenes getragen und aufgetischt. Weinkrüge standen auf der Tafel bereit.

      »Auf uns«, sagte Wilhelm zu seiner Ehefrau und reichte ihr einen Becher Wein, den Katharina in einem Zug leerte. Sie hoffte auf eine baldige Wirkung des Alkohols, um die fürchterliche Situation für sie erträglicher zu machen.

      Im Laufe des Abends wurde die Braut mit dem Schwiegervater bekannt gemacht, was aber auch eine eher kühle Begegnung war. In einem Gespräch erfuhr sie, was für Pflichten in den kommenden Tagen auf sie warteten.

      Gegen Mitternacht ergriff Josef Hofmeister das Wort:

      »Verehrte Gäste, liebes Brautpaar. Ich möchte mich noch einmal bei allen für das zahlreiche Erscheinen bedanken. In ganz besonderem Maße natürlich bei unseren neuen Familienmitgliedern und Geschäftspartnern, den Riesingers. Pastor Widmann hat soeben das Brautbett gesegnet und ihr werdet entschuldigen, dass die frisch Vermählten sich jetzt zurückziehen werden. Möge Katharina ihrem Wilhelm viele Nachkommen schenken! Ein dreifaches Hoch auf das Brautpaar!«

      »Hoch, hoch, hoch!«, rief die gesamte Hochzeitsgesellschaft.

      Als die Türe zu Wilhelms Kammer ins Schloss fiel, pochte Katharinas Herz wie die Paukenschläge eines Orchesters. Ein Talglicht brannte auf dem kleinen Nachtschränkchen, das neben dem Bett stand. Am Ende des Raumes stand eine Kommode, auf der sich eine Waschschüssel und ein Wasserkrug befanden.

      »Zieh dich aus und leg dich hin!«, wies Wilhelm seine Frau an. Mit hochrotem Kopf begann sie, ihr Kleid zu öffnen. Vor Scham hielt sie die Arme vor ihre Blöße. Am liebsten hätte sie jetzt noch einen Becher Wein getrunken, um sich zu beruhigen. Leicht gebeugt, als könne sie damit noch mehr verdecken, huschte Katharina unter die Decke. Ihren Gatten störte es hingegen nicht im Geringsten, sich vor ihr zu entkleiden. Als sie seinen massiven Körper und sein mächtiges Geschlecht sah, wurde ihr angst und bange.

      Das Bett gab unter Wilhelms Gewicht ein Stück nach, als er sich zu ihr legte. Unter einem leichten Ächzen begab er sich über sie. Verkrampft und eingeschüchtert starrte sie an die Decke der Kammer. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihren Unterleib, als er in sie eindrang. Fest presste sie ihren Mund zusammen und schloss die Augen. Tränen rannen über ihre Schläfen in ihre blonden Locken. Sie hatte einmal gehört, dass es auch schön sein konnte. Doch sie war weit davon entfernt, Gefallen daran zu finden. Der Schmerz blieb. Nach einem kurzen Aufbäumen stöhnte Wilhelm kurz auf und ergoss sich in sie.

      Er legte sich neben Katharina, rollte sich in seine Decke ein und es dauerte nicht lange, bis er schnarchend einschlief. Sie fühlte sich benutzt wie ein schmutziger Leinenfetzen. Mehr als Ekel konnte sie ihrem Gatten nicht entgegenbringen.

      Die kommenden Tage verliefen wie erwartet. Ihr Schwiegervater kommandierte das Gesinde und auch Katharina durch das Haus und fand immer wieder Arbeiten, die sofort zu erledigen waren. Wilhelm war nach dem zweiten Tag der Hochzeit wieder zu den kaiserlichen Truppen gestoßen. Die Aussicht auf schnelles Geld durch Plünderungen vertrieben seine Angst, verwundet oder gar im Kampf getötet zu werden. Der Handel mit Tuchwaren war durch den Krieg ohnehin fast zum Erliegen gekommen und warf nur noch Almosen ab.

      Katharina fühlte sich einsam. Unter den Bediensteten war niemand, dem sie vertrauen und ihr Herz ausschütten konnte. Ab und zu schlich sie fort, um sich heimlich mit Simon im Baumhaus zu treffen. So hatte sie zwar jemanden zum Reden, aber helfen konnte er ihr auch nicht.

      So zogen Wochen und Monate durchs Land. Hin und wieder kehrte Wilhelm für ein oder zwei Tage von den Kriegsgeschehen zurück, forderte seine ehelichen Rechte, um anschließend wieder für Wochen zu verschwinden. Katharina war mittlerweile ein Schatten ihrer selbst geworden und funktionierte einfach nur noch.

      Kapitel 6

       Nördlingen, 8. Mai Anno Domini 1648 12 Jahre später

      Wiehernd galoppierte das reiterlose Pferd vom Hallgebäude in Richtung Rathaus. Riesinger war auf dem Heimweg von einer Ratssitzung, als ein brauner Kaltblüter dampfend vor Schweiß auf ihn zuritt.

      »Ho, ho!« Er streckte beide Arme über seinen Kopf, um das wild gewordene Tier zu beruhigen. Tatsächlich verlangsamte es sein Tempo und stellte sich wiehernd auf die Hinterbeine. Als es sich weiter beruhigte, konnte Benedikt die Zügel fassen. Riesinger blickte sich mehrfach um, doch die Straße war menschenleer.

      So führte er das Tier die letzten Schritte zum Apothekerhaus und versorgte es im Stall hinter dem Haus. Der Sattel war aus feinstem Leder gefertigt und mit bronzenen Broschen und Schnallen verziert. Benedikt musste einiges an Kraft aufwenden, um den ungewöhnlich schweren Reitsitz vom Rücken des Pferdes zu hieven.

      »Woher