Bert Alexander Petzold

Friedrich Schiller – Basiswissen #02


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zwischen Goethe und ihm, die ungeachtet aller politischen Instrumentalisierung wirklich sehr besonders war und während dem Sturm und Drang und der Romantik sozusagen im Alleingang eine Rückverortung der deutschen Literaturszene in die Klassik mit sich brachte.

      Schon zu Beginn der Freundschaft 1794 hatten sich beide ausdrücklich zum Ziel gemacht, jene Stürmer und Dränger und Romantiker, die in den Augen beider nicht mehr als Unterhaltungsliteratur fabrizierten, zu Gunsten ihrer Weimarer Klassik zurückzudrängen. Zwischen beiden bestand der Konsens, dass Literatur dem antiken Bildungsideal der „schönen Seele“ dienen sollte, anstatt bloß zu belustigen. Wie ernst sie es damit meinten, bewiesen sie 1796 mit ihren berühmt-berüchtigten „Xenien“ – zweizeilige Schmähgedichte, die nicht weniger als ein Rundumschlag gegen die zeitgenössische Literaturszene waren.

      Natürlich war auch Schiller Kind seiner Zeit und in jungen Jahren Stürmer und Dränger durch und durch. Ganz dieser Phase verschrieben war sein Debüt 1781, „Die Räuber“, welches im Endeffekt einen spektakulären und für die Zeit ganz und gar unkonventionellen Lebenslauf anstieß, der bedauerlicherweise ebenso kurz und von chronischer Geldsorge und gesundheitlicher Fragilität geprägt war wie eben von seiner Genialität.

      Blickt man also heute auf Schiller, war sein später, aber anhaltender Ruhm sicherlich zurückzuführen auf seine Fähigkeit, den Zeitgeist zu lesen und Stücke für die Menschen zu schreiben, die sich aber nicht einfach der Sensationslust unterwarfen, sondern kritisch tiefgreifende Bedürfnisse der Zeit aufarbeiteten, ohne dabei kryptisch zu werden. Gleichzeitig gilt es zu beachten, dass Schiller zu einer historisch immens bewegten Zeit gelebt und gearbeitet hat, die nach seinem Tod nur noch weiter an Fahrt aufnehmen sollte. In dem Sinne reichen die Versuche, Schiller als „kulturelles Kapital“ zu verwenden, von der jüngsten Geschichte Deutschlands bis zum Anfang der 1840er, keine 35 Jahre nach seinem Dahinscheiden.

       2. Familie, Kindheit und Jugend (1759–1777)

      Am 10. November 1759 wurde Johann Christoph Friedrich Schiller in Marbach am Neckar als zweites Kind seiner Eltern Johann Caspar und Dorothea geboren. Das Geburtshaus, gelegen inmitten der ländlichen Neckar-Idylle, ist bis heute in minutiösem Zustand erhalten. Schiller hatte drei Schwestern: die zwei Jahre ältere Christophine, die nach ihm gefolgte Luise und die jüngste, Nanette.

      Die Schillers lebten in bürgerlich-bescheidenen Verhältnissen. Elisabetha Dorothea Kodweiß, geboren am 13. Dezember 1732, war Wirtstochter. Johann Caspar Schiller, geboren am 27. Oktober 1723, war der Sohn eines Schultheißen, einer Art Gemeindevorsteher. Ursprünglich war Johann Caspar ambitioniert zu studieren, doch das frühe Ableben seines Vaters durchkreuzte diese Pläne. Aus der Not heraus folgte ein für die damalige Zeit spektakulärer Lebenslauf.

      Die Arbeit auf dem Feld und die Ausbildung zum Barbier hatten sich schnell als wenig rentabel herausgestellt, weshalb er zum Militär wechselte, wo er als Wundarzt ausgebildet wurde sowie als Feldscher – ein Heilkundiger, der Verwundungen von Soldaten chirurgisch versorgte. Nach seiner Teilnahme am Siebenjährigen Krieg im bayrischen Regiment ließ er sich in Marbach als Wundarzt nieder. Hier lernte er Dorothea kennen, die Hochzeit folgte am 22. Juli 1749, Dorothea war sechzehn, Johann Caspar fünfundzwanzig.

      Seinem Studienwunsch kam der junge Wundarzt durch seine Ausbildung nicht näher, da die feldmedizinische Ausbildung damals keinen akademischen Hintergrund hatte – sie verhalf ihm aber dabei, 1753 als Soldat in die Dienste des württembergischen Herzogs Karl Eugen einzutreten. Im Dienst des Herzogs machte er Karriere bis zum Rang des Offiziers. Nebenbei erarbeitete Johann Caspar zahlreiche Verbesserungen für die Landwirtschaft, weswegen ihm 1775 die Leitung der höfischen Baumschule übertragen wurde. Johann Caspars Arbeit verbesserte den Obstgewinn im gesamten Herzogtum nachhaltig, man kann sich also unschwer vorstellen, dass der Herzog durchaus gut auf die Schillers zu sprechen war. Trotzdem ist mitnichten von einer Art persönlichen Beziehung die Rede, denn die Schillers waren weiterhin nur Kleinbürgerliche.

      Eine solche Reputation wollte bewahrt werden, und so profilierte sich der intelligente Lutheraner in der Erziehung als strenger und rigoroser Vater, der vor allem gegenüber dem einzigen Sohn eine Erwartungshaltung an den Tag legte, die oft nur schwer zu befriedigen war. Vor allem aber wusste er den Wert guter Bildung zu schätzen und war von Anfang an bedacht, Johann Friedrich einmal die beste Lehre zu bieten. Dorothea, die zwar mit ihrer liebevollen Nachsicht mildere Töne in den Haushalt trug, vermochte es nie, als Gegenpol zu Johann Caspars dominantem Einfluss zu agieren. Im Endeffekt jedoch wird der prägnanteste Einfluss weder von der Mutter noch von dem Vater ausgehen, sondern vom Herzog von Württemberg, Karl Eugen.

      Zuerst aber zog die Familie Schiller von der Dauerresidenz in Marbach nach Lorch. Johann Friedrich besuchte zum ersten Mal die Schule und musste bereits mit sechs Jahren Latein lernen. Die Studien beim Pastor Moser waren anspruchsvoll, Johann Friedrich wurde früh mit konsequenter Arbeitsdisziplin vertraut. Mit acht Jahren siedelte die Familie nach Ludwigsburg um. Die Kleinstadt in der Nähe des Schlosses Solitude galt als Haupt- und Lieblingsresidenz des Herzogs. Stuttgart war zwar die Landeshauptstadt, Ludwigsburg aber hatte Karl Eugen nach seinem Geschmack geformt. Hier war auch die militärische Pflanzschule, mithilfe dessen er eine Bildungselite heranzog, die den Prunk seiner Kleinstadt bezahlen sollte.

      Der Lateinunterricht hatte frühe Ambitionen beim jungen Schiller geweckt, er träumte vom Studium und der Professur. Zum Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich in Deutschland durchaus einiges getan. So war es mittlerweile auch für Söhne aus bürgerlichen Familien möglich zu studieren. Gleichzeitig musste das kostspielige Studium üblicherweise aus eigener Tasche bezahlt werden. Die einzige Ausnahme dazu machte das Theologiestudium, für das die Kirche die Kosten trug. Eine Zwickmühle, denn die KlerikerAusbildung kam für Johann Friedrich eigentlich nicht in Frage. Zu diesem Zeitpunkt trat der Herzog in sein Leben.

      Sicherlich auch, weil sich Johann Caspar bereits als so zuträglich für seinen Hof erwiesen hatte, bestand Karl Eugen darauf, dass Schiller seine Pflanzschule besuchte. Schillers Vater sträubte sich, doch als Bürger waren ihm gegenüber dem Herzog freilich die Hände gebunden. Schillers Jugend und Adoleszenz waren mit seiner Aufnahme am 16. Januar 1773 besiegelt – ginge es nach dem Herzog, würde er sein gesamtes Leben im Dienst des Hofes bleiben. Gleichzeitig ermöglichte die Ausbildung an der Pflanzschule Schiller, zuerst Jura und später Medizin anstatt der Theologie zu studieren.

      Johann Friedrichs Beziehung zum Herzog blieb auf Lebzeiten ambivalent. Zum einen war er sich dem Privileg einer vorzüglichen Bildung bewusst, auf der anderen widerstrebte ihm die Fremdbestimmung durch den Herzog bereits von jungen Jahren an.

       3. Schiller schreibt das Drama „Die Räuber“ (1777–1782)

      Zur Zeit der deutschen Kleinstaaterei waren die vielen Fürstentümer, ob groß oder klein, abhängig von einem effizienten Beamtentum, das dementsprechend gut ausgebildet sein musste. Nicht zuletzt also wegen der hohen Nachfrage wurde der eigene Werdegang oft dadurch bestimmt, welche Positionen im Fürstentum unterbesetzt waren. Schillers zukünftiger Freund und Förderer Christian Gottfried Körner, der aus wohlhabenden, gutbürgerlichen Verhältnissen stammte, beschreibt 1785 seine Möglichkeiten:

      „Um diese Zeit musste ich mich für eine der drei Fakultätswissenschaften bestimmen. Theologie würde mich gereizt haben, wenn nicht schon die Philosophie Zweifel in mir erregt hätte. Die unangenehmen Situationen praktischer Ärzte verleidete mir die Medizin. Jurisprudenz blieb allein übrig. Ich wählte sie als Brotstudium.“

      Herzog Karl Eugens Interesse an einer funktionalen Beamtenriege und einer höfischen Bildungselite ging aber nicht bloß von einem Sinn für Staats- und Verwaltungsangelegenheiten aus. In Wirklichkeit steckte sein Hof notorisch in finanziellen Schwierigkeiten.

      Der Hof von Herzog Karl Eugen galt nämlich mit seinem herausragenden Ballett, der italienischen Oper und dem französischen Theater sowie einem ausgezeichneten Orchester als einer der prunkvollsten in ganz Europa. Die damit einhergehenden Unkosten wollte der Herzog decken, indem er die württembergischen Landeskinder, nicht selten unfreiwillig, an seiner Pflanzschule in den verschiedensten