gleichzeitig adressiert.
Eine Produktvision soll inspirieren und dabei langfristig auf circa drei bis fünf Jahre ausgelegt sein. Ziel ist, ein klares, positives Bild des Produktes in den Köpfen der Empfänger zu zeichnen, wobei die jeweiligen Vorstellungen nicht übereinstimmen müssen. Die Teammitglieder erhalten ein realistisches Ziel, das aber nicht zwingend erreicht werden muss. Die Produktvision beschreibt keine konkrete Vorgehensweise und auch keinen spezifischen Funktionsumfang. Der Erfüllungsgrad der Vision ist nicht durch Kennzahlen messbar. Es ist außerdem denkbar, dass sich die Vision im Laufe der Zeit verändert, auch wenn dies eine Ausnahme bleiben sollte. So ungewöhnlich oder ambitioniert einige Visionen wirken, so einprägsam sind sie in der Regel auch. In der IT-Branche wird gerne die Vision, die Googles Suchmaschine zugrunde liegt, als Paradebeispiel angeführt: „to provide access to the worlds information in one click“. Diese Vision wird von folgender übergeordneten Mission abgeleitet: „to organize the worlds information and make it universally accessible and useful“. Ein weiteres Positivbeispiel ist Audis Unternehmensvision „Mobilität mit null Emissionen“. Stellen Sie sich vor, das Unternehmen hätte stattdessen die Vision „Sicherstellung der Mobilität trotz vollständiger Vermeidung von Emissionen durch die Umstellung der Fahrzeugflotte auf Elektroantrieb“ gewählt. Eine solche Vision wäre nicht einprägsam und es ist schwierig, sich damit zu identifizieren. In beiden Fällen handelt es sich um Unternehmensvisionen; Produktvision sollten genauso formuliert werden.
Bei der Formulierung der Produktvision können Sie die SHIELD-Kriterien als Hilfestellung verwenden. Dieses Akronym enthält die Anfangsbuchstaben der englischen Begriffe simple, huge, important, engaging, long-term und distributed. Die Produktvision sollte also einfach zu verstehen sein (simple), ein großes Ziel beschreiben (huge), ein bedeutendes Bedürfnis adressieren (important), alle Beteiligten einnehmen (engaging), langfristig ausgerichtet sein (long-term) und allen im Unternehmen bekannt sein (distributed).
Nun stellt sich die Frage, wer für die Formulierung der Produktvision verantwortlich ist. Es ist keine gute Idee, diese Aufgabe dem Product Owner zu übertragen. Stattdessen sollte eine Stakeholder-Analyse gemacht werden, um geeignete Personen mit den benötigten Kompetenzen zu identifizieren.
5.1.2 Von der Produktvision zur Produktstrategie
Nachdem die Produktvision festgelegt wurde, geht es an die ProduktstrategieProduktstrategie (siehe Abbildung 11).
Die Entwicklung der Produktstrategie ist keine strategische Planung im klassischen Sinne. Die relevanten Produktmerkmale kristallisieren sich oft erst während der iterativen Produktentwicklung heraus. Man sollte den Strategieprozess daher damit starten, dass ausgewählte Stakeholder die Zielgruppe des Produkts festlegen. Denn nur die zukünftigen Kunden und Verwender des Produkts können letztlich beschreiben, welchen Nutzen das Produkt für sie hat. Es kann sein, dass hierbei eine Unterscheidung zwischen Kunden und Anwendern erforderlich ist, denn ein Kunde ist nicht notwendigerweise auch der Anwender eines Produkts. Die beiden Gruppen können unterschiedliche Zielvorstellungen haben, die bei der Formulierung der Produktstrategie zu berücksichtigen sind.
Produktstrategie
Wer identifiziert also die Zielgruppe? Welche Stakeholder gehören dazu? In jedem Fall ist der Product Owner einer davon. Neben diesem Hauptakteur gehören auch Vertreter aus dem Marketing, dem Verkauf und dem Service in diese Gruppe. Bei strategisch bedeutsamen Produkten sollte sich auch die Unternehmensleitung an diesem Auswahlprozess beteiligen.
Ist die Zielgruppe identifiziert, wird im nächsten Schritt der Produktnutzen aus deren Sicht herausgearbeitet. Dieser wird so lange beschreiben, bis der Mehrwert deutlich heraussticht. Dieser kann sein, dass eine bisher vorhandene Anwenderherausforderung behoben wird oder das Produkt einen zusätzlichen Nutzen für den Kunden schafft. Wenn zum Beispiel die Abarbeitung eines Backoffice-Prozesses zu lange dauert, weil das verwendete IT-System zu langsam ist, würde die Nutzenbeschreibung folgendermaßen lauten: „Performantes IT-System, um Bearbeitungs- und Wartezeiten zu verkürzen“. Das formulierte Ziel sollte erreichbar und flexibel sein. In unserem Beispiel ist das der Fall. Bereits mit der Einführung eines neuen IT-Systems, bei dem die Prozessdauer um eine Sekunde verkürzt würde, wäre das formulierte Ziel erreicht, da jede noch so minimale Verkürzung der Prozessdauer das Ziel erfüllen würde. Die Nutzenbeschreibung ist genauso flexibel, da nicht festgelegt ist, um wie viele Sekunden oder Minuten die Bearbeitungs- und die Wartezeit verkürzt werden soll.
Gänzlich auf Zielvorgaben zu verzichten, ist nicht sinnvoll, schließlich erhofft sich die Zielgruppe durch die Anwendung des Produkts einen signifikanten Mehrwert. Um nachhalten zu können, ob dieses Ergebnis erreicht wurde, sollten die Ziele messbar gestaltet werden. Für jedes Ziel finden dann eine oder mehrere Kennzahlen Anwendung. Die Zielvorgaben sollte man nicht mit absoluten Größen, sondern in Form von Anteilsgrößen definieren. Eine Zielformulierung in Form von absoluten Werten erfolgt, wenn die Product Roadmap mit Inhalt gefüllt wird. Wenn möglich, sollte immer ein Zielkorridor und kein Einzelwert benannt werden. In unserem Beispiel würde man vielleicht im ersten Schritt eine Reduzierung der Bearbeitungs- und Wartezeiten um 5 bis 10 % und im zweiten Schritt um 10 bis 20 % anstreben.
Sobald die Ziele aus der Perspektive der Zielgruppen definiert sind, bleibt die Frage, welche Vorteile sich für das Unternehmen ergeben (siehe Abbildung 12). Daher sind im nächsten Schritt die Business-Ziele festzulegen. Typische Erwartungen an das neue Produkt sind beispielsweise ein höherer Umsatz, mehr Gewinn, Kostenreduktion und die Erschließung neuer Geschäftsfelder. Diese Ziele sind wertvoll und – wie alle Ziele – sollten sie messbar sein, um später prüfen zu können, ob sie erreicht wurden. Ein Zielformulierung könnte lauten: „Umsatzsteigerung durch Klicks auf Werbelinks“. Dies wird messbar durch die Anzahl der Klicks. Wie jedoch mehr Klicks erreicht werden können, dazu gibt das Ziel keine Auskunft. Das ist im ersten Schritt auch gut so. Die Methoden können später festgelegt werden, was Raum für kreative Lösungen gibt.
Inhalte Produktstrategie
Im folgenden Schritt erreichen wir die ersten Ebenen der Backlog Elemente (Initiativen, Features oder Epics). Es geht um die grobe Unterteilung in Hauptfunktionen. Ziel ist es, das Produkt mithilfe wesentlicher Hauptfunktionen zu beschreiben. Diese Features können sich auf funktionale und nichtfunktionale Anforderungen beziehen. In der Regel genügen drei bis zehn Elemente. Bei den Hauptanforderungen sollte auch vermerkt werden, ob es sich um einen Industriestandard oder eine innovative Neuerung handelt. Wünschenswert für einen Produkterfolg sind vor allem die Hauptanforderungen, die ein Alleinstellungsmerkmal am Markt haben oder eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Standard versprechen. Für die Klassifizierung können beispielsweise folgende Unterteilungen verwendet werden:
Innovation (Alleinstellungsmerkmal): Diese Anforderungen sollten unbedingt und frühzeitig umgesetzt werden.
Verbesserung gegenüber Industriestandard: Diese Anforderungen sollten umgesetzt werden
Standard- bzw. Basisfunktion: Diese Anforderungen entsprechen dem Industriestandard oder liegen darunter. Daher sollte geprüft werden, ob und in welchem Umfang sie wirklich benötigt werden.
5.1.3 Von der Produktstrategie zu den Produktzielen
Nachdem nun die Ziele für die verschiedenen Ebenen ermittelt wurden, ist es an der Zeit, über die Erfolgsfaktoren nachzudenken. Beim klassischen Projektmanagement hat man immer die Zieldimensionen Zeit, Kosten und Leistung im Blick. Deren Abhängigkeiten voneinander aufmerksam zu berücksichtigen ist von Bedeutung, da diese drei Größen in direkter Verbindung zueinanderstehen (siehe Abbildung 13).
Magisches