Anton M. Berger

Station Neun


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leichter, dann zieht sich langsam die Schlinge zu. Du merkst, dass du in der Falle steckst.

      Das Zeug ist brutal. Es nistet sich in deinem Kopf ein. Es gibt keine Flucht, jeder Kampf ist verloren. Es treibt dich vor sich her, bis du nicht mehr kannst. Und es verliert nicht die Lust an dir.

      Zweimal muss ich den Versuch eines Entzuges abbrechen. Ich muss mir Hilfe suchen. Meine Ärztin macht mir klar, dass das die Regel ist bei einem Benzodiazepinentzug. Ohne eine stationäre Aufnahme sei das nicht zu schaffen.

      Ich finde eine kleine Klinik, eine Psychiatrie, im Schwarzwald. Sie nehmen mich auf. Die Lösung heißt, das Medikament langsam „auszuschleichen“. Das braucht Zeit. Für zwölf Wochen wird die Klinik mein Zuhause. Ich fühle mich dort gut betreut. Habe Einzelgespräche mit meiner Therapeutin und Gruppentherapien, mache Sport und nehme an Kunst- und Musiktherapie teil. Der Entzug innerhalb dieses geschützten Rahmens funktioniert. Ich werde auf die Anfangsdosis von 8 Milligramm am Tag eingestellt. Von diesem Wert wird langsam reduziert. Ich fühle mich gut und meine Therapeutin wundert sich noch mehr als ich, dass das Ganze so problemlos funktioniert.

      Wir sind bei der Dosis von 0,5 Milligramm am Tag angelangt. Alle denken schon, ich bin durch, doch beim kompletten Absetzen der Tabletten greift der psychische Entzug. Ich habe optische Halluzinationen: Die Farben des Fernsehbildes werden intensiv, die Gesichter der Schauspieler verzerren zu Fratzen, aus der Mitte des Bildschirms scheinen weiße Strahlen. Ich kann nicht mehr schlafen. Ich habe das Gefühl, dass ich mich auf seltsam unpassende Weise bewege und spreche. Mir wird die Anwesenheit anderer Menschen zum Grauen. Ich verkrieche mich in meinem Zimmer. Ich habe Angst – vor allem vor Menschen, vor den Mitpatienten, der Schwester, dem Therapeuten.

      Ein Anruf meines Bruders. Schon so ein kurzes Gespräch überfordert mich. Mir läuft kalter Schweiß den Rücken runter, es fühlt sich an, als würden kleine Stecknadeln in meine Haut stechen, Millimeter auf Millimeter. Von Tag zu Tag wird es schlimmer.

      Die Therapeutin macht sich Sorgen. Eine Woche vegetiere ich auf meinem Zimmer, nur zum Rauchen gehe ich raus. Es ist nicht zu schaffen. Zusammen mit meiner Therapeutin fällt der bittere Entschluss, wieder auf eine geringe Menge des Mittels zurückzugreifen. Es geht nicht anders. Die Perspektive: Nach längerer Zeit mit einer geringen Menge noch einmal einen Versuch ganz ohne Tabletten zu starten. Mit 1,5 Milligramm am Tag werde ich aus der Psychiatrie entlassen. Ich hadere mit dem Ergebnis. Mein Ziel, das Gift ein für alle Mal loszuwerden, ist nicht erreicht. Das muss ich akzeptieren.

      In der Zeit nach dem Klinikaufenthalt bin ich oft fahrig, bin schnell erschöpft, vor allem mental, nicht körperlich. Ich sehe mich mit Gedanken und Gefühlen konfrontiert, die ich in solcher Intensität früher unterdrückt habe.

      Seit dem Ende des Filmstudiums arbeite ich an einem Drehbuch. Ich setze mich mit unterschiedlichen Dramaturgiemodellen auseinander. Ein Drehbuch ist ein Spiegel für das Leben, so empfinde ich das. Ich bin der Held meiner Geschichte. Angst ist ein zentraler Bestandteil meiner Geschichte. Es wirkt paradox, aber das zu akzeptieren und anzunehmen ist der Ausgangspunkt für die Bekämpfung der Angst.

      Ende Februar 2013. Ich besuche ein Drehbuchseminar in Berlin. Im Zuge eines Rollenspiels werde ich aufgefordert, vor die Gruppe zu treten und eine Situation durchzuspielen.

      Showtime. Sofort beim Aufstehen bekomme ich Panik und keine Luft mehr. Ich zittere, aber ich kann damit umgehen. Ganz bewusst sage ich: „Einen Moment bitte.“ Ich gehe aus dem Raum, um eine Zigarette zu rauchen, um mich zu erholen. Danach gehe ich wieder rein – schließlich hab` ich ja für den Kurs bezahlt.

      Das war vor fünf Jahren. Ich bin erschrocken, als ich diesen Text aus dem Schrank gesucht habe und gelesen habe. Vor fünf Jahren stand ich vor dem Aus, heute stehe ich da wieder. Ich trinke keine zwei Flaschen Wein mehr am Tag, aber bin immer noch Benzodiazepinabhängig. In den vergangenen Jahren gab es keinen Tag, an dem ich dieses Mittel nicht genommen habe. Stetig habe ich die Dosis erhöht.

      Inzwischen arbeite ich seit einem Jahr als Alltagsbegleiter. Die Arbeit mit alten Menschen, oft dement, mache ich sehr gerne. Ich komme damit über die Runden und ich habe noch genügend Freiraum zum Schreiben und Filme machen.

      In diesem Jahr versuche ich auch, zusammen mit meiner Ärztin ambulant zu entziehen. Es ist nicht zu schaffen. Kleine Erfolge, eine Reduzierung der täglichen Dosis, kommen zurück wie ein Bumerang. Ich nehme wieder mehr von dem Zeug. Schlussendlich melde ich mich zu einem stationären Entzug in einem Krankenhaus an. Der Entzug führt mich an den Rand des Wahnsinns.

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