Petra Pliester

Leben als Freigeist


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ehrenamtlich in der Sterbebegleitung engagiert und in diesem Job mehr für die Gesellschaft tut als der Versicherungsvertreter von nebenan.

      ! Wenn Ihr Umfeld ein Interesse daran hat, dass alles so bleibt wie es ist, fällt es sehr schwer, sich selbst weiterzuentwickeln.

      

      100 Jahre sind genug – warum wir neue Lebensmodelle brauchen

      Das eine große Muster, nach dem unsere Gesellschaft sich ausrichtet, stammt aus vergangenen Kriegs- und Nachkriegszeiten, es zieht sich durch die gesamte moderne Geschichte. Die letzte Epoche dieser Art begann in Europa vor cirka 100 Jahren mit dem Ersten Weltkrieg und zog sich bis Mitte der 1950er Jahre durch. Bis heute haben die Weltkriege einen unmittelbaren Bezug zu unserem eigenen Leben. Auch wenn wir selbst nicht direkt daran beteiligt waren, haben Familienangehörige der vorigen Generationen ihre schlechten Erfahrungen und daraus resultierende Verhaltensweisen an uns weitergegeben. Auf diese Weise spüren wir die Auswirkungen der Kriegswirren noch heute, die Erinnerung daran hat sich tief in unser kollektives Bewusstsein eingegraben.

      Wenn Sie heute zwischen 40 und 50 Jahre alt sind, sind Ihre Eltern, um 1940 herum geboren. Deren Eltern wiederum sind alt genug, um den Zweiten Weltkrieg in der Blüte ihres Lebens unmittelbar miterlebt zu haben. Diese Zeit war geprägt vom Mangel an Nahrungsmitteln, Obdach und Kleidung. Die Menschen hatten Angst um ihr Leben, das Misstrauen regierte. Die Regierung wollte das Volk kontrollieren, gleichschalten und für die eigenen Zwecke missbrauchen. Anders zu sein, war gefährlich, es gab keinen Spielraum für individuelle Freiheit.

      Später in der Nachkriegszeit gab es einiges aufzuholen. Die Wirtschaft blühte, man konnte sich etwas gönnen und den zuvor herrschenden Mangel ausgleichen. Es gab das Versprechen, dass der technische Fortschritt und das Wirtschaftswachstum uns alle in den Wohlstand führen würden. Das hat eine Zeit lang funktioniert, und weil es funktioniert hat, haben wir die bewährten Verhaltensweisen von unseren Großeltern und Eltern übernommen.

      Wenn wir heute aber immer noch die gleichen Verhaltensmuster an den Tag legen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre Berechtigung hatten, so stoßen wir auf eine Diskrepanz, da unsere Welt inzwischen ganz anders aussieht. Wir leben nicht mehr im Mangel, sondern kämpfen in vielen Lebensbereichen mit dem Überfluss. Der Vater verwahrte seinerzeit noch jede rostige Schraube und jedes Holzbrett, um daraus später vielleicht noch etwas zu bauen. „Man kann das sicher noch einmal gebrauchen“, ist ein Standardsatz, den Sie bestimmt schon gehört haben. Natürlich machte das in der Nachkriegszeit Sinn. Es gab ja oft nicht die Dinge zu kaufen, die gerade benötigt wurden, oder es war schlichtweg kein Geld im Haus. Heute können wir einfach in den Baumarkt gehen, wo es alles zu erschwinglichen Preisen gibt. Es besteht keine Notwendigkeit mehr, den ganzen Keller mit Material vollzustopfen, um aus dem ganzen Pool irgendwann vielleicht eine einzelne Eisenstange zu verarbeiten.

      Vielmehr stehen wir vor der Aufgabe, aus dem gewaltigen Überangebot sämtlicher Dinge eine kluge Auswahl für uns zu treffen. Wie oft standen Sie schon im Supermarkt vor dem Nudelregal und haben versucht, unter 40 Sorten die richtige zu finden?

      Genauso geht es uns mit all den Informationen, die täglich auf uns einströmen. Im Krieg mussten sich die Menschen um das einzige Transistorradio im Dorf versammeln, um die lebensnotwendige Information zu bekommen, wie weit die feindlichen Truppen schon vorgerückt sind. Informationen waren knapp und schwer einholbar. Heute prasseln dagegen in einem Jahr so viele Informationen auf uns ein, wie vor dem Zeitalter der Industrialisierung insgesamt in zweihundert Jahren verbreitet wurden. Aus einer Vielfalt an Medien erreichen uns Botschaften und Nachrichten aus aller Welt, die oft mit unserem eigenen Leben gar nichts zu tun haben. Hier gilt es, klug zu filtern. Statt immer mehr Besitztümer und Informationen anzuhäufen, müssen wir aussortieren. Alles andere führt zu Erschöpfung.

      Unsere Wünsche und Herausforderungen sind heute ganz andere als in den Generationen vor uns. Trotzdem funktionieren wir noch so, wie es uns antrainiert wurde, nämlich nach den unbewussten Verhaltensmustern von vor 100 Jahren, und damit geht es uns nicht gut. Es ist an der Zeit, dass die jüngeren Generationen erforschen, was sie brauchen, und es äußern.

      ! Es macht keinen Sinn, die Bedürfnisse einer längst vergangenen Zeit zu bedienen.

      Wir müssen dringend etwas ändern: Statt immer wieder in alten, längst überholten Themen herumzurühren, müssen wir uns dem zuwenden, was wir (er-)schaffen wollen. Es gilt, das Muster aufzubrechen, das von der Familie bis hin zur Gesellschaft alles durchdringt.

      Dafür müssen Sie zunächst das alte Muster erkennen, wenn es Ihnen begegnet. Das mag anfangs schwer sein, denn Sie sind damit aufgewachsen und es ist zu einem Teil von Ihnen geworden. Viele Verhaltensweisen scheinen Ihnen so selbstverständlich, dass Sie sie nicht einmal bemerken, geschweige denn hinterfragen. Kurzum: Sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht.

      Doch es gibt zahlreiche Spuren, die auf das alte oder neue Muster hinweisen. Nachdem Sie dieses Buch gelesen haben, werden Sie sie finden und zu deuten wissen. Die Spuren verdichten sich zu Wegweisern und Sie können sich frei entscheiden:

      ! Folgen Sie dem ausgetretenen Pfad zurück in die alte Welt oder gehen Sie in eine neue Richtung?

      Wenn Sie in einer Situation erkennen: „Hier herrscht das alte Muster“, brauchen Sie keine Energie mehr darauf zu verschwenden. Es macht dann Sinn, die Dinge einfach sein zu lassen. Ein Beispiel: Wer das Buch „Simplify your life“ (vgl. Küstenmacher, Werner Tiki: „Simplify your life“. Frankfurt 2001) gelesen hat, kann sich vielleicht an den Tipp erinnern, seinen Schreibtisch aufzuräumen. Denn: Eine klare Umgebung schafft klare Gedanken. Aus unserer Sicht ist das ein zeitgemäßer und sinnvoller Ansatz. Wenn Ihr Chef aber in dem alten Muster steckt, wird er, sobald er Ihren Schreibtisch sieht, nicht denken: „Was habe ich für einen gut organisierten Mitarbeiter.“ Stattdessen sagt er sich vielleicht: „Oh, der hat ja nichts zu tun“, und wird Sie mit neuen Aufträgen überhäufen, die Sie verzweifelt versuchen, wieder gut zu ordnen, um die Übersicht zu behalten. Und da hätten wir sie wieder, die Endlosschleife. In einem solchen Konflikt aus alt und neu werden Sie sich totlaufen. Sie verlieren eine Menge Energie und Ihr Einsatz führt zu nichts.

      Aber keine Sorge: Es gibt Hoffnung, denn in vielen Bereichen kann man schon neue Verhaltensweisen wirken sehen. Wenn einzelne Personen den Anfang machen und eigene Lebensmodelle entwerfen, können andere ihrem Beispiel folgen. Mit einer ständig wachsenden Anzahl von Menschen, die anders denken, wird sich die Gesellschaft wandeln. Um diesen Wandel einzuleiten, genügen schon 5% der Bevölkerung, vorausgesetzt, dass in allen Gesellschaftsschichten und Berufsgruppen Alternativen zum herkömmlichen Muster vorgelebt werden(Welzer, Harald: „Selbst denken: Eine Anleitung zum Widerstand“. Frankfurt 2013).

      ! Wir alle haben die Macht, etwas zu verändern. Allerdings müssen wir dort anfangen, wo es am unbequemsten ist: bei uns selbst.

      Immer mehr Menschen entscheiden sich dafür, Dinge anders anzupacken. Probieren Sie es selbst aus und schauen Sie, was passiert. Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie bekommen in einem Meeting auf einmal Unterstützung für Ihre Gedanken. Sie stellen fest, dass Ihre vermeintlichen Außenseiter-Ideen wohlwollend aufgenommen werden. Andere lassen sich davon inspirieren und trauen sich, ihre eigenen Ansätze laut zu formulieren. Auf diese Weise befruchten sich die Teilnehmer gegenseitig mit ihren Ideen und Neues kann entstehen. – Welch ein Unterschied zu den Meetings im alten Stil, in denen es hauptsächlich darum geht, sich zu profilieren und möglichst schnell eine Meinung in den Raum zu werfen, sei sie auch noch so undurchdacht. Statt erbittertem Konkurrenzkampf entsteht nun eine Win-Win-Situation, von der alle profitieren und in der sich alle wohlfühlen dürfen.

      Das ist nur ein Beispiel für neue Verhaltensweisen, die aufkommen, wenn Sie sich trauen, Ihrem eigenen Weg zu folgen, dem Weg des Herzens. Auch wenn es Ihnen am Anfang schwer fällt, am Ende wird es sich auszahlen. Sie brauchen mit Ihren Ansichten nicht mehr hinter dem Berg zu halten, verändern Sie Ihr Muster. Legen Sie das auf den Tisch, was Sie wollen und denken.

      

      Alles eine Frage der Energie!?

      In welcher Stimmung befinden Sie sich? Oder anders ausgedrückt: In welcher Energie sind Sie gerade?