Frank Willmann

»Ich bin Trainer, kein Diplomat!«


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wir in FSV Lok Dresden umbenannt wurden, kriegten wir alle eine Anstellung beim Reichsbahnausbesserungswerk Dresden-Friedrichstadt. Ich wurde Diesellok-Schlosser. Ich hab’ eine Diesellok nie von innen gesehen, aber damit das Kind einen Namen hatte, ich mein Geld bekam, wurde das so geregelt.

      Ich mochte Kabinettstückchen. Gerade hier in Dresden, wenn dann der Trainer zu mir gesagt hat: „Spiel einfach“, sollte heißen, unterlasse irgendwelche Tricks, hab ich das nicht gemacht. Weil, dafür hab’ ich ja ein bissel gelebt, eben nicht einfach zu spielen.

      Einmal gegen Erfurt, mein Gegenspieler war ganz früher sogar mal ein Nationalspieler. Ich war’n ganz junger Kerl in Dresden, und der hat bei Erfurt linken Verteidiger gespielt. Gegen den hab’ ich mal so’n Hackentrick gemacht. Über ihn drüber. Als Antwort hat er mich Maß genommen und als ich mich wieder aufrappelte grunzte er: „Na, Kleiner, haste dir weh getan?“ So war das früher üblich. (LACHT) Ich musste nach einer Weile nicht mehr irgendwo arbeiten. Dienstag war mein Studientag, da habe ich aus eigenem Interesse an der Berufsschule des Reichsbahnausbesserungswerks nachmittags dem Sportlehrer assistiert. Dort turnten auch sechzehnjährige Mädchen. Na, das war gefährlich. Jedenfalls hab’ ich schon so’n bissel ins Trainersein reingerochen.

      Kurz darauf musste ich im Rahmen des Studiums ein Praktikum erledigen und abermals Mädchen einer Schulklasse ’ne Stunde im Geräteturnen geben. Ich konnte denen alle Übungen vorturnen, mich konnte man überall hinstellen. Bodenturnen, Stufenbarren, her damit! Musst schon ein bissel wissen, wie es methodisch geht. Das waren wertvolle Erfahrungen, auch als ich dem Sportlehrer aushalf. Ich war immer neugierig: „Wie macht der das?“

      Obwohl für mich immer klar war, dass ich Fußballtrainer werden wollte. Ich studierte insgesamt sechs Jahre.

       NVA UND REGINE

      Im Mai 67 wurde ich zur Nationalen Volksarmee eingezogen. Ich war 24 Jahre alt und als Fußballer auf dem Gipfel meiner Kunst. Das zählte alles nicht, wenn die Friedenswacht rief.

      Kaserne Potsdam. Besser gesagt: Stahnsdorf. Ein Jahr vorher bekam ich das Angebot, zu einer Vorwärts-Mannschaft zu wechseln. Vorwärts hieß die Sportvereinigung der NVA. Wer dort spielen wollte, musste sich mindestens drei Jahre zur Volksarmee verpflichten. Das kam für mich nicht infrage. Ich mochte alles Militärische nicht, wegen der Geschichte meines Vaters. Weil ich mich weigerte, wollte man mir nun den Daumen zeigen. Als ich dem Wehrbezirkskommandeur mit meiner Ablehnung zur Vorwärts-Mannschaft zu wechseln, nach seinem Dafürhalten komisch kam, meinte der zu mir: „Sie werden sehen, was nach Ihrer Weigerung rauskommt.“

      Mir wurde schnell klar, dass sie mich nun beizeiten zum Armeedienst einziehen würden.

      Bei Studierenden wie mir war es eigentlich so: Entweder wurden sie bis zum dritten Studienjahr eingezogen, oder sie konnten zu Ende studieren. Normalerweise. Bei mir war’s anders. In drei Wochen, Ende Mai, hätte ich das dritte Studienjahr abgeschlossen. Nun konnte ich sechs oder sieben Prüfungen nicht mehr ablegen, weil die mich Anfang Mai einzogen. Eigentlich waren die Einberufungen Massentransporte. Ich kam allein an. Warum? Keine Ahnung.

      Mot-Schützen-Regiment, dort hab ich die Grundausbildung absolviert. Nach diesen harten Wochen winkte mir endlich wieder das Glück. Es gab glücklicherweise ’ne Fußballmannschaft um die Ecke. Sie hieß Vorwärts Potsdam. Dort wurden alle guten Spieler zusammengezogen, die sie nicht länger als eineinhalb Jahre verpflichteten. Weil die Potsdamer Soldaten ordentlich abschneiden mussten. Für die Ehre der NVA im Speziellen und der Garnison Potsdam im Besonderen. Auch bei der NVA trieben sich genug Fußballverrückte rum.

      Ich spielte also bei Vorwärts und wurde im späteren Verlauf Spielertrainer der Mannschaft. Das hat mir Vorteile gebracht. Nach der Grundausbildung machte ich noch ein großes Manöver mit und wurde in der Folge für ein Jahr diensthabender Platzwartsoldat.

      Der Fußballplatz lag gleich neben der Kaserne. Nun hieß es, fröhlich Unkraut jäten, dem Maulwurf nachstellen, Rasen mähen, Rasen wässern. Wenn meine Mitsoldaten in gewichsten Stiefeln nebst Panzerbüchse und Tamtam aus der Kaserne marschierten, stand ich mit Wasserschlauch und Dreiecksbadehose unterm Regenbogen.

      Ich war ein guter Fußballer, der Regimentskommandeur kannte mich bald persönlich. Hab nachmittags mit der Mannschaft trainiert, und am Wochenende sind wir zu Spielen gefahren. Ich erinnere mich an herrliche Erlebnisse. Wir sind zu unseren Meisterschaftsspielen mit dem Lkw gefahren. In Ausgangsuniform saßen wir hinten auf der Ladefläche. Wir hatten einen Offizier dabei, n’ ganz jungen Offizier, der bei uns mitspielte. Nach den Spielen haben wir regelmäßig einen gebügelt. Wir sind nie pünktlich in die Kaserne zurückgekehrt, jedes Mittel war uns recht, um der Kaserne zu entfliehen. Unser fußballspielender Offizier wurde regelmäßig verdonnert, hielt das aber von uns fern.

      Ich hab in der Armeezeit so viel Alkohol getrunken wie vorher nicht und hinterher auch nicht. Weil du manchmal diesem ganzen Stumpfsinn entfliehen musstest, tat der Alkohol unfassbar gut.

      Die Volksarmee riss mich aus dem Studium … bei der Armee musste ich katzbuckeln, konnte zwar Fußball spielen, aber nicht so hochklassig, wie ich es hätte können. Es hieß, die Zeit rumbringen. Aber manchmal hatte ich trotzdem die Schnauze einfach gestrichen voll. Depressionen quälten mich deswegen nie.

      Weil mein Vater kurz vorher verstorben war, weil meine Mutter Staublunge hatte und Hilfe brauchte, hab ich an den Staatsrat geschrieben. Das hat nix gebracht.

      Ich bin mit meiner Mentalität überall gut zurechtgekommen. Ich hab mich arrangiert. Aber dieser Stumpfsinn! Acht Mann auf dem Zimmer. Von ’nem Fleischer bis zum Opernsänger waren alle vorm Kommiss gleich unmündig. Ein Offizier pfeift vor der Tür. Einer aus dem Zimmer muss vor die Tür und in strammer Haltung rufen: „Zimmer 8!“ Der Offizier brüllt: „Das und das anziehen und Teil 1 und da und Teil 2 dort!“

      Der Soldat geht ins Zimmer und brüllt: „Das und das anziehen, und Teil 1 und da und Teil 2 dort.“

      Du musst dich anziehen und den gewünschten Unfug erledigen. Dieses Nicht-über-dich-selber-Verfügen, das ist mir immer schwergefallen, aber ich hab nicht aufgemuckt. Damit zog man den Kürzeren. Meine Karriere versauen wollte ich nicht.

      Ich hab’se verarscht. Hin und wieder mal. Als ich zum Beispiel draußen als Platzwart jeden Tag Unkraut jätete, hab ich mich an den Kompaniechef gewandt und gesagt: „Ich komme mit der Unkrautvernichtung nicht voran, das ist so viel Unkraut hier, ich brauch ein paar fleißige Hände.“

      Sofort hat der Kompaniechef mir einen Zug Soldaten geschickt. Das hab ich immer wieder getan: „Dort ist sauber zu machen und da und da …“ Und die Soldaten haben Unkraut gezupft und schön saubergemacht. Das war ihnen Labsal, weil sie nicht in der Kaserne waren und sich in ihren Pausen auf meinem feinen Rasen ausstrecken konnten, während die Vöglein sangen und die Sonne ihnen auf die Nase schien. Ich hab mich selbstverständlich hin und wieder ein wenig gesonnt, vielleicht n’ Bierchen zwischendurch getrunken. (LACHT)

      Ich war offiziell in einer Arbeitskompanie, ich konnte nicht studieren, es war nichts zu machen. Am Anfang war ich darüber böse. Wenn ich nach Hause wollte, brauchte ich einen Urlaubsschein. Den ersten Urlaub bekam man nach der Grundausbildung. Das wurde streng kontrolliert.

      Du hattest nie Ruhe. Weder vor fiesen Offizieren noch vor den eigenen Kameraden. Als sozialer Mensch kam ich damit klar.

      Den einen oder anderen mussten wir disziplinieren. Wir hatten einen dabei, der kam aus Köpenick, och’n Fußballer, der hat in meiner Mannschaft gespielt. Kameradenregel war, wenn einer n’ Paket bekommt, dann teilen wir das unter allen auf. Der Köpenicker ging manchmal an seinen Spind und hat sich heimlich von ’ner Wurst was abgeschnitten. Und das haben wir gesehen und ihn getadelt. Als das nicht half, haben wir ihn in seinen Wurstspind gesperrt und Tee von oben in den Spind gegossen.

      Ich hatte viele gute Kumpels, und mit dem Spieß ein gutes Verhältnis zu haben, konnte auch nie schaden. Wenn mein Urlaubsschein erst abends galt, war ich dank des nachsichtigen Spießes längst zu Hause in Meißen.

      68, Prager Frühling. Ich hatte Angst,