Axel Kassegger

Energiepolitik und Elektrizitätswirtschaft in Österreich und Europa


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Union ist die Richtlinie vom 18. Jänner 2006 über Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Elektrizitätsversorgung und von Infrastrukturinvestitionen.51 In dieser werden Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Elektrizitätsversorgung festgelegt. Insbesondere geht es um Fragen ausreichender Erzeugungskapazitäten, der Stabilität des Netzes und der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten untereinander.

      Dazu stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Übertragungsnetzbetreiber Mindestbetriebsregeln und -verpflichtungen für die Netzsicherheit festlegen, sie gewährleisten außerdem, dass zusammengeschaltete Übertragungsnetzbetreiber rechtzeitig und effizient Informationen über den Betrieb der Netze austauschen, und verpflichten sie, die Verfügbarkeit angemessener Erzeugungskapazitätsreserven für Ausgleichszwecke zu gewährleisten.

      Die Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht erfolgte in Österreich am 23. Mai 2006 mit dem Energie-Versorgungssicherheitsgesetz 200652.

      Neben der Sicherheit der Elektrizitätsversorgung im täglichen Betrieb sind aus Gesichtspunkten der Versorgungssicherheit selbstverständlich auch der Schutz und die Sicherung der Erzeugungsanlagen, Umspannwerke und Stromnetze selbst von großer Bedeutung, und zwar insbesondere dann, wenn sie der so genannten „kritischen Infrastruktur“ zuzurechnen sind.

      Am 12. Dezember 2006 legte die Kommission53 ihre Grundsätze und Instrumente dar, die zur Umsetzung des Europäischen Programms für den Schutz kritischer europäischer und nationaler Infrastrukturen (EPSKI) erforderlich sind. Das Programm ist unter seinem englischen Namen, European Programme for Critical Infrastructure Protection (EPCIP), besser bekannt. Das Programm sollte unter anderem folgende Komponenten haben:

      • Ein Verfahren zur Ermittlung und Ausweisung kritischer europäischer Infrastrukturen und ein gemeinsames Konzept für die Bewertung der Notwendigkeit, den Schutz derartiger Infrastrukturen zu verbessern.

      • Maßnahmen zur Erleichterung der Durchführung des Programms einschließlich eines Aktionsplans, eines Warn- und Informationsnetzes für kritische Infrastrukturen, der Einsetzung von EU-Sachverständigengruppen zu Fragen des Schutzes kritischer Infrastrukturen, des Austauschs von Informationen sowie der Ermittlung und Analyse von Abhängigkeiten.

      • Unterstützung der Mitgliedstaaten im Bedarfsfall im Hinblick auf die Sicherheit kritischer nationaler Infrastrukturen.

      Der erste Punkt wurde mit der Richtlinie des Rates vom 8. Dezember 200854 über die Ermittlung und Ausweisung europäischer kritischer Infrastrukturen und die Bewertung der Notwendigkeit, ihren Schutz zu verbessern, umgesetzt. Die Richtlinie gibt Parameter für die Bestimmung europäisch kritischer Infrastrukturen vor, fordert die Erstellung von Sicherheitsplänen und die Bestimmung von Sicherheitsbeauftragten und normiert ein entsprechendes Berichtswesen. Interessant sind in diesem Zusammenhang die Definitionen des Rates, was unter einer kritischen Infrastruktur von nationaler und europäischer Bedeutung zu verstehen ist:

      • „Kritische Infrastruktur“: die in einem Mitgliedstaat gelegene Anlage, ein System oder ein Teil davon, die von wesentlicher Bedeutung für die Aufrechterhaltung wichtiger gesellschaftlicher Funktionen, der Gesundheit, der Sicherheit und des wirtschaftlichen oder sozialen Wohlergehens der Bevölkerung sind und deren Störung oder Zerstörung erhebliche Auswirkungen auf einen Mitgliedstaat hätte, da diese Funktionen nicht aufrechterhalten werden könnten.

      • „Europäische kritische Infrastruktur“ oder „EKI“: eine in einem Mitgliedstaat gelegene kritische Infrastruktur, deren Störung oder Zerstörung erhebliche Auswirkungen in mindestens zwei Mitgliedstaaten hätte. Die Tragweite dieser Auswirkungen wird anhand sektorübergreifender Kriterien bewertet. Dies schließt die Auswirkungen sektorübergreifender Abhängigkeiten auf andere Arten von Infrastrukturen ein.

      Das österreichische Hochspannungs-Übertragungsnetz der APG und die Erdgasstation Baumgarten sind nach diesen Kriterien jedenfalls „europäische kritische Infrastruktur“ im Sinne der Richtlinie.

      Österreich hat in weiterer Folge bereits im Jahr 2008 mit Beschluss der Bundesregierung vom 2. April 2008 das erste österreichische Programm zum Schutz kritischer Infrastrukturen (Masterplan APCIP 2008) und im Jahr 2014 mit Beschluss des Ministerrats vom 4. November 2014 den neuen Masterplan APCIP 2014 angenommen55, der auch die Bundesländer auffordert, Programme zum Schutz regionaler Infrastrukturen zu erstellen.

      Die Bedeutung der Übertragungsnetze als „europäische kritische Infrastruktur wurde von der Kommission im Jahr 2013 nochmals explizit bestätigt, als sie die bisherigen Umsetzungsergebnisse des EPCIP analysierte und in einem so genannten „Staff Working Docoment“ die weitere Vorgehensweise skizzierte: “The Electricity Transmission Grid and the European Gas Transmission Network are networks without national boundaries, which mean that a failure of one portion of the network could propagate to other areas, potentially involving several countries.”56

      Ein weiterer wichtiger Schritt, dessen Ziel es war, die Versorgungssicherheit im Elektrizitätssektor und Gassektor deutlich zu erhöhen, wurde mit der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. April 2013 zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur57 gesetzt. Mit dieser Verordnung sollte der Bau von Strom- und Erdgasleitungen in gemeinsamem europäischem Interesse („Projects of Common Interest“, PCI) erleichtert werden. In Österreich wurden die detaillierten Umsetzungsbestimmungen zu dieser Verordnung mit dem Energie-Infrastrukturgesetz 201658 beschlossen.

      Von herausragender Wichtigkeit für die Versorgungssicherheit und Stabilität der Stromnetze waren in weiterer Folge die in den Jahren 2016 und 2017 beschlossenen Europäischen Network Codes und Guidelines (NCs/GLs). Aufgrund ihrer Bedeutung wird auf diese Netzkodizes und Richtlinien unten in einem eigenen Kapitel gesondert eingegangen.59

      DIE UMSETZUNG DER NACHHALTIGKEITSZIELE 1997 BIS 2016

      Da die Nachhaltigkeitsziele in der Zwischenzeit in den Mittelpunkt globaler, europäischer und nationaler Interessen gerückt sind und die nachfolgenden Kapitel, die die Entwicklung ab dem Jahr 2016 darstellen, sich ausführlich mit den energiepolitischen Nachhaltigkeitsbestrebungen und deren Interdependenzen mit den Zielen der Versorgungssicherheit und der Wettbewerbsfähigkeit/Wirtschaftlichkeit in Gegenwart und Zukunft beschäftigen, kann an dieser Stelle die Darstellung der Umsetzung des Zieles der Nachhaltigkeit bis 2016 in kurzer Form unter Anführung der wichtigsten rechtlichen und sonstigen Dokumente erfolgen.

      In den Jahren 1996 bis 2000 wurden erstmalig Strategische Grundsatzpapiere der Kommission exklusiv zum Thema Erneuerbare Energien erstellt und fand 1997 die Konferenz von Kyoto statt. Es wurde erstmals ein Ziel quantifiziert, nämlich den Anteil erneuerbarer Energien am Brutto-Energieverbrauch in der EU bis zum Jahr 2010 auf 12 % zu erhöhen.

      • Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Grünbuch vom 20. November 1996, Energie für die Zukunft: Erneuerbare Energiequellen, KOM (96) 576 endg.

      • Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Weißbuch vom 26. November 1997, Energie für die Zukunft: erneuerbare Energieträger, KOM (97) 599 endg.

      • Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Mitteilung vom 1. Oktober 1997, Klimaänderungen: Das Konzept der EU für Kyoto, KOM (97) 481 endg.

      • Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls am 11. Dezember 1997.

      Richtlinien zur Nachhaltigkeitspolitik 2000–2006

      Die Jahre 2000 bis 2006 brachten erste tiefgreifende legislative Maßnahmen im Bereich der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele, wie etwa die Wasserrahmenrichtlinie, die Ökostromrichtlinie, die Emissionshandelsrichtlinie, die KWK-Richtlinie, die Energieeffizienz-Richtlinie und den Start des EU-Emissionshandels-Systems.

      • Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik („1. Wasserrahmenrichtlinie“).60