Anja Köstler

Mediation


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      Beispiel 2: Im ehrenamtlichen Vorstand des örtlichen Sportvereins hat der langjährige Vorsitzende aus persönlichen Gründen (zeitliche Entlastung) nicht mehr kandidiert. Er steht dem Verein seit einem halben Jahr stattdessen als Schatzmeister zur Verfügung. Seine Nachfolgerin und der konstant gebliebene Stellvertreter haben die Prioritätensetzung und den Arbeitsstil völlig verändert. Nach Ansicht des Vorgängers stehen nun die Rücklagen des Vereins auf dem Spiel. Die letzten beiden Vereinssitzungen sind total eskaliert, und die heftigen Vorwürfe – „Ihr ruiniert den Verein, nur um Eurer persönlichen Vorlieben willen!“ „Du warst schon immer unfähig, zusammenzuarbeiten. Die finanziellen Probleme, die wir jetzt haben, hast letztlich du durch deine unglaubliche Schlamperei verursacht!“ – sind bereits in den innerörtlichen Tratsch gesickert.

      Beispiel 3: In die Familienberatungsstelle kommt ein Paar, das immer häufiger über Trennung nachdenkt. Die zwei Kinder werden von beiden Seiten mit unterschiedlichen Erwartungen konfrontiert und erzogen, sodass nicht nur die Beziehungskonflikte untereinander groß sind, sondern auch der Kontakt zu den Kindern stark problembelastet ist. Der Alltag miteinander sei manchmal kaum auszuhalten. Die Frau hat große Sorge, dass ihr Mann bei einer Trennung die Kinder gegen sie aufhetzt, 9der Mann fürchtet, dass seine Frau die Kinder – wenn sie das Sorgerecht hätte –, völlig „verziehen“ würde.

      In solchen Fällen kann Mediation zu einer guten und sinnvollen Lösung der Probleme beitragen.

      Merksatz

      Mediation ist ein Verfahren, das die Eskalationsspirale bei Konflikten unterbrechen und stoppen kann; sie geht mit den Beeinträchtigungen und Verletzungen, den starken Gefühlen und den dahinter stehenden Bedürfnissen aller Beteiligten auf wertschätzende Art um und schafft einen sicheren Rahmen, in dem gegenseitiges Verstehen möglich wird; erst dadurch wird der Blick frei auf die Gestaltung einer für alle Seiten langfristig wirklich guten Zukunft.

      Wo steht Mediation heute in Deutschland?

      Die Vorstellung, dass bei Konflikten, um sie zu lösen, nicht einer der Beteiligten niedergerungen werden muss, ist noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Es ist nach wie vor kaum denkbar, dass man Konflikte tatsächlich klären kann, ohne in Verteidigungsposition zu gehen, ohne den anderen anzugreifen, indem man Vorwürfe macht und Forderungen stellt. Unsere Sprache ist voller Begriffe, die dies widerspiegeln: Wir leben in einem Wirtschaftskampf, Kampf um Ressourcen, ständigen Verdrängungswettbewerb, einem Krieg der Kulturen und Religionen. Und beruflich werden Durchsetzung, Kampfgeist, Individualität etc. hoch geschätzt.

      Dennoch: Auch in manchen Großkonzernen, denen man sicher nicht nachsagen kann, dass sie ihre Prioritäten im Zwischenmenschlich-Sozialen setzen, ist mittlerweile das Ende der Fahnenstange beim Einsparen von Produktionsmitteln und Arbeitskraft in Sicht, sodass eine Umorientierung einsetzt. Kostenminimierung durch gut gelöste und durch weniger Konflikte ist attraktiv geworden. Führungskräfte und Entscheidungsträger in Unternehmen erkennen höhere Mitarbeiterzufriedenheit und gesteigerte Effektivität in der Kommunikation inzwischen als für den Unternehmenserfolg bedeutende Faktoren an.

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      Mediation in Rechtsprechung und Gesetzgebung

      Rechtsprechung und Gesetzgebung in Deutschland entwickeln zunehmend Offenheit für Mediation und fördern dieses Verfahren entsprechend. Im Bereich Trennung und Scheidung z. B. verstehen sich Familienrichter schon lange als Förderer eines fairen Ausgleichs.

      In der sogenannten „Münchner Erklärung“ haben sich 2008 weit über 100 Familienanwälte verpflichtet, in Familien- und Sorgerechtsverfahren vorrangig mit Mediation zu arbeiten.

      In dem ab 01.09.2009 geltenden „Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ ist neu geregelt, dass das Familiengericht ein Informationsgespräch zu Mediation und anderen außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren für die Ehepartner anordnen kann. Dies spiegelt wider, dass der Gesetzgeber den Mehrwert einer konsensualen Streitbeilegung erkannt hat und fördern möchte, wenngleich die Anordnung zur Information über Mediation auch die Gefahr birgt, dass der freiwillige Charakter von Mediation einen merkwürdigen Beigeschmack von Pflicht bekommt.

      Darüber hinaus sind in den letzten Jahren an verschiedenen Orten Deutschlands Richter als gerichtsinterne Mediatoren ausgebildet worden, z. B. in der Sozialgerichtsbarkeit in München, in Mecklenburg-Vorpommern, in Schleswig-Holstein. In Bayern heißen diese Richter Güterichter.

      Die drei großen Bundesverbände für Mediation in Deutschland (Bundesverband Mediation e. V., Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation e.V. und Bundesverband Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt e.V.) und eine Expertenrunde streben in stetigen Gesprächen mit dem Bundesjustizministerium die Verankerung und Qualitätssicherung von Mediation in Deutschland an. Den großen gesetzlich abgesicherten Rahmen setzt dabei die Europäische Mediationsrichtlinie. Sie schafft zwar einerseits „nur“ die Voraussetzungen für die Anerkennung von Mediationsergebnissen bei grenzübergreifenden Konflikten, z. B. bei Familienstreitigkeiten oder in Wirtschaftsangelegenheiten. Andererseits nimmt sie ihre Mitgliedsstaaten in Artikel 4 der Richtlinie in die Pflicht, Voraussetzungen zu schaffen, die staatenübergreifend das nötige Vertrauen in die Mediation und in die Qualität ihrer Durchführung ermöglichen:

      „(1) Die Mitgliedsstaaten fördern mit allen ihnen geeignet erscheinenden Mitteln die Entwicklung und Einhaltung von freiwilligen Verhaltenskodizes 11durch Mediatoren und Organisationen, die Mediationsdienste erbringen, sowie andere wirksame Verfahren zur Qualitätskontrolle für die Erbringung von Mediationsdiensten. (2) Die Mitgliedstaaten fördern die Aus- und Fortbildung von Mediatoren, um sicherzustellen, dass die Mediation für die Parteien wirksam, unparteiisch und sachkundig durchgeführt wird.“

      In Artikel 12 wird weiterhin bestimmt: „Die Mitgliedsstaaten setzen vor dem 21. Mai 2011 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen; …“

      Literatur

      Greger (Hrsg.) (2008): Die Zukunft der Mediation in Deutschland

      Mediation in Forschung und Ausbildung

      Mediation gehört zu den sogenannten ADR-Verfahren. ADR steht für alternative dispute resolution, zu deutsch: Kooperative Konfliktlösung. Hierzu hat sich international ebenso wie an deutschen Lehrstühlen ein breites Forschungsspektrum aufgetan, in dessen Rahmen auch die Wirkungen von Mediation untersucht werden. Diese empirische Forschung und ihre eindeutigen Ergebnisse haben Mediation auch in eher sachorientierten Wissenschaften wie dem Rechtswesen und der Wirtschaft zur Akzeptanz verholfen. In (psycho-) sozialen Feldern wie Training, Beratung, Sozialarbeit und Kommunikationswissenschaften musste Mediation wegen ihrer inhaltlichen Nähe und ihres aus der (psycho-) sozialen Forschung kommenden Verständnisses vom Kommunikations-und Konfliktgeschehen zwischen Menschen nie in diesem Maß um Akzeptanz kämpfen. Inzwischen zeugt von der breiten Anerkennung der Mediation auch, dass sie als Masterstudiengang an verschiedenen Universitäten angeboten wird.

      Merksatz

      Mediation zu erlernen ist für eine Vielzahl von Personengruppen und Berufssparten interessant geworden; in den Ausbildungen finden sich Lehrkräfte neben Personalentwicklern, Architekten neben Vereinsvorständen, ehrenamtlich engagierte Rentner sowie Sozialpädagogen, Berater, Firmeninhaber und Führungskräfte aus Wirtschaft, Verwaltung, Kommunen und sozialen Einrichtungen.

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      Literatur zu Mediation

      Die ersten Titel der mittlerweile umfangreichen Literatur zu Mediation entstanden in den 1970er Jahre in den USA. Das „Harvard-Modell“ von Ury und Fisher gilt nach wie vor als Klassiker der Grundlagenliteratur zur verhandlungsbasierten Mediation, wie sie auch heute noch die Basis für die Wirtschaftsmediation darstellt. Die folgenden Titel gelten als deutschsprachige Grundlagenliteratur zum Thema Mediation.

      Literatur

      Fisher et al. (2004): Das Harvard-Modell.

      Besemer (1995): Mediation – Vermittlung in Konflikten.

      Haynes