dass mit zunehmendem Alter die Fähigkeit des Immunsystems abnimmt, Antikörper gegen Fremdkörper zu bilden (Abwehr von Infektionen nimmt ab) und dass zum anderen im höheren Alter Autoimmunvorgänge zunehmen (Zunahme chronischer Autoimmunkrankheiten). Diese stehen mit dem Auftreten von seniler Demenz und verschiedenen Gefäßerkrankungen in Beziehung (Platt, 1991).
Das Immunsystem wird durch eine Vielzahl von Genen reguliert, die auf einem einzigen Chromosom liegen und als Histokompatibilitätskomplex (MHC) bezeichnet werden. Diese Gene sind für die Ausprägung verschiedener Komponenten des Immunsystems verantwortlich. Etwa ab der Pubertät kommt es zu einer Abnahme der Lymphozyten in der Thymusrinde und einer Verringerung der T-Lymphozyten im Thymus und im peripheren Blut. Ab etwa dem 30. Lebensjahr nimmt der Serumspiegel der Thymushormone ab, sodass die Adaptationsfähigkeit gegenüber unterschiedlichen Umwelteinflüssen abnimmt, die Infektanfälligkeit zunimmt und es zum Auftreten von Autoimmunphänomenen und -krankheiten sowie zu einer erhöhten Inzidenz von bösartigen Geschwülsten kommt (Platt, 1991).
Da jedoch Altersveränderungen auch in vielen Organismen auftreten, die kein Immunsystem besitzen und darüber hinaus das Immunsystem durch übergeordnete hormonelle Regulation kontrolliert wird, ist die grundsätzliche ursächliche Bedeutung für den Alternsprozess umstritten.
Sonstige biologische Theorien
Im Zusammenhang mit den oben genannten Schadenstheorien werden noch zwei weitere Theorien diskutiert, die vor allem die Wirkung von Stoffwechselprozessen in den Blick nehmen.
Theorie der maximalen Lebensrate
Die Theorie der maximalen Lebensrate (Rubner, 1908) geht davon aus, dass die zum Verbrauch zur Verfügung stehende Energiemenge über die Lebensspanne für jedes aerobe Lebewesen identisch ist, sich die Lebenserwartung eines Organismus also umgekehrt proportional zu seiner massenspezifischen Stoffwechselrate verhält. Untersuchungen zu diesen Thesen werden hauptsächlich an Vögeln durchgeführt, die aufgezeigten Beziehungen sollen aber auch für Säugetiere und den Menschen gelten (Prinzinger, 1990).
Theorie der kalorienarmen Kost
Die Theorie der kalorienarmen Kost sieht ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Energieaufnahme und Lebenserwartung. Untersuchungen an Nagetieren zeigen, dass diese bei einer Kost, deren Kalorienzahl 30 bis 50 % unter denen der Kontrolltiere liegt, länger gesund bleiben und länger überleben als die „wohlgenährten Artgenossen“. Dabei erhöht sich nicht nur das durchschnittliche, sondern auch das maximale Alter (Weindruch et al., 2001).
Die positiven Auswirkungen einer kalorienarmen Kost betreffen in erster Linie die sog. Biomarker, also die Parameter, die sich im Alter ungünstig verändern, wie Blutdruck, Insulin- und Blutzuckerspiegel. Die Hypothese besagt, dass aufgrund der sparsamen ausgewogenen Ernährung (keine Mangelernährung) die Zellteilung in einigen Geweben langsamer abläuft (Krebs tritt seltener auf), der niedrigere Blutzuckerspiegel die Sklerotisierung von Geweben verzögert und die Entstehung freier Radikale eingeschränkt wird, sodass sie weniger Schaden an den Mitochondrien anrichten. Die Übertragbarkeit dieser Befunde auf den Menschen ist allerdings bis heute noch nicht abschließend belegt.
Ende der 1980er Jahre wurden in den USA zwei unabhängige Studien gestartet, um die Effekte einer kalorienarmen Ernährung auf die Lebenserwartung von Affen zu untersuchen – eine am US National Institute on Aging (NIA) in Bethesda, Maryland, die andere am Wisconsin National Primate Research Center (WNPRC) in Madison. Obwohl erste Zwischenberichte auf einen positiven Zusammenhang hindeuteten, konnten die 2012 im Fachblatt Nature veröffentlichten endgültigen Ergebnisse der NIA-Studie diesen nicht bestätigen. Altersbedingte Krankheiten wie Diabetes, Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen schienen lediglich etwas verzögert aufzutreten. In der WNPRC-Studie war hingegen die Überlebensrate der kalorienreduzierten Experimentalgruppe gegenüber der Kontrollgruppe signifikant erhöht. Allerdings wird diese Studie wegen methodischer Besonderheiten in der Fachwelt kritisch diskutiert (Austad, 2012).
Übergreifende Theorien
Die meisten oben beschriebenen genetischen Schadens- und Systemtheorien werden nicht uneingeschränkt akzeptiert. So ist z. B. für die Theorie der kalorienarmen Kost und die Theorie der maximalen Lebensrate unklar, ob die in Tierversuchen und/oder in vitro nachgewiesenen Phänomene auch auf den Menschen übertragbar sind. Einige Theorien, wie z. B. die Fehler-Katastrophentheorie und die Abnutzungstheorie, sind z. T. in Studien widerlegt worden. Sie sind eher von historischem Interesse. Und für wieder andere Theorien, wie z. B. für die Kollagentheorie, die Mutationstheorie und die Theorie der freien Radikale, ist die direkte Verknüpfung mit dem Alterungsprozess (noch) unklar.
Da die verschiedenen Körpersysteme hochgradig integrativ miteinander vernetzt sind, bewirken Altersveränderungen an einer Stelle auch insgesamt ein Ungleichgewicht und verringerte Effektivität des gesamten Systems.
Einbußen im Immunsystem erfordern verstärkte zentralnervöse und hormonelle Kontrollprozesse und machen den Körper empfänglicher für Krankheiten. Das Immunsystem ist seinerseits auf ein funktionierendes Zentralnervensystem und Hormonsystem angewiesen.
Viele Forscher gehen deshalb nun dazu über, Alternsprozesse in ihrer Gesamtheit und auf bestimmte physiologische Organisationsstufen bezogen (z. B. Organ, Zelle) zu beschreiben. Dabei differenzieren sie nicht ausdrücklich zwischen einzelnen Alternstheorien.
Angeborene und somatische Mutationen im Laufe des Lebens (z. B. durch Umweltgifte) können den Elektronentransport in der Atmungskette (Energieproduktion) behindern. Die Folge ist eine verstärkte Bildung freier Radikale (die bei der Atmungskette als Nebenprodukte entstehenden freien Sauerstoffradikale werden aufgrund der größeren Menge nicht alle von Schutzenzymen abgefangen), die die DNA schädigen können. Dies führt dann zu weiteren Mutationen und damit zu einer nachlassenden Energieproduktion. An diesem Beispiel wird sehr schön das Zusammenspiel zweier Alternstheorien, der Mutationstheorie und der Theorie der freien Radikale, deutlich.
Homöostasistheorie
Diese Sichtweise wird in der Homöostasistheorie des Alterns aufgegriffen und mit den zellulären Alternstheorien zusammengeführt.
Homöostasis beschreibt ein dynamisches Gleichgewicht der physiologischen Vorgänge, bei denen geringe Abweichungen auf einer Ebene durch entsprechende Adaptionsprozesse auf anderen Ebenen ausgeglichen werden und dadurch die Funktion stabil erhalten werden kann.
Normale Schwankungen oder kurzzeitige kleinere Abweichungen von der Funktion (z. B. bei Krankheiten) können normalerweise toleriert werden, ohne dass es zu Schädigungen oder Funktionseinbußen kommt. Die Homöostasistheorie besagt nun, dass mit dem Alter, durch die Anhäufung von Veränderungen auf verschiedensten Ebenen und durch eine Verringerung des adaptiven Potenzials selbst, der allostatische Druck zu groß wird. Dies bedeutet, dass größere oder langandauernde Abweichungen von der Norm nicht mehr ausgeglichen werden können und es somit zu bleibenden Veränderungen und Schädigungen kommt.
Abb. 2.4: Zusammenhang zwischen genetischen Theorien, Schädigungs- und Systemtheorien (modifiziert nach Jazwinski, 1996).
Beispielhaft können Alterseffekte auf die Homöostase bei der Temperaturregulation beschrieben werden: Altersbedingt kommt es häufig zu strukturellen und funktionellen Veränderungen der Haut, der Durchblutung und der Muskelmasse. Zusammen mit ebenfalls altersbedingten Veränderungen in den peripher- und zentralnervösen Strukturen zur Messung der Körpertemperatur wird die Temperaturregulation nachhaltig beeinträchtigt. Dadurch erhöht sich die Anfälligkeit für Krankheiten.
Der Zusammenhang zwischen genetischen Theorien, Schädigungs- und Systemtheorien ist in