staatliche Handeln hierauf zurückführen lassen muss, so wie es Art. 20 Abs. 3 GG formuliert: Bindung an Gesetz (im formellen Sinn) und Recht (Gesetze im materiellen Sinn). Insoweit spricht man auch vom sog. objektiven Recht, d. h. für das Gemeinwesen und alle Bürger und Institutionen geltendes Recht, während man die sich aus der Rechtsordnung ergebende Berechtigung eines Einzelnen als subjektives Recht oder Anspruch bezeichnet (s. a. II-1.2.4). Dabei unterscheidet man einerseits sog. absolute Rechte, die gegen Eingriffe allseitig, d. h. gegenüber jedermann geschützt sind (z. B. Persönlichkeits- oder Eigentums- und andere Sachenrechte) und sog. relative Rechte insb. aufgrund eines Vertrages, die nur bestimmte Personen zu einem Verhalten verpflichten (z. B. aus einem Miet- oder Kaufvertrag die Überlassung der Sache durch den Vermieter bzw. Verkäufer, während der Mieter bzw. Käufer den vereinbarten Preis bzw. die Miete zahlen muss). Insoweit spricht man auch von schuldrechtlichen oder obligatorischen Ansprüchen und Forderungen (vgl. zu den privatrechtlichen Regelungen auch II-1). Der sozialrechtliche (Leistungs-) Anspruch gegen einen öffentlichen Träger wird auch als subjektiv-öffentliches Recht des Bürgers bezeichnet (vgl. 3.4.1).
Und noch eine Begriffsunterscheidung: Unter materiellem Recht versteht man die Rechtsvorschriften, welche das Verhalten der Rechtssubjekte regeln (Inhaltsnormen, insb. auch die Anspruchsnormen, z. B. aus dem BGB). Als formelles Recht werden die Normen bezeichnet, die das Verfahren, z. B. das gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Rechtspositionen, regeln (Prozessrecht, z. B. der ZPO).
1.1.3.1 Verfassungsrecht
Grundgesetz
Lange Zeit – vor der Entstehung des europäischen Gemeinschaftsrechts (s. 1.1.5) – war die grundlegende Rechtsgrundlage in Deutschland das Grundgesetz vom 23.05.1949 als nationale Verfassung der Bundesrepublik (hierzu I-2). Darüber hinaus haben die deutschen Bundesländer aufgrund ihrer Eigenstaatlichkeit jeweils eigene Landesverfassungen. Teilweise geht es in den Landesverfassungen um die Konkretisierung der sozialpolitischen Staatsziele (z. B. das Recht auf Arbeit; Art. 48 Abs. 1 Brandenburg; Art. 171 LV M-V.; Art. 71 Sachsen).
Für die Tätigkeit der Sozialverwaltung besonders bedeutsam sind die Grundrechte (Art. 1 –19, 103 f. GG), die gem. Art. 1 Abs. 3 GG als unmittelbar geltendes Recht zu beachten sind (ausführlich 2.2). Die Verfassungen regeln u. a. auch den Aufbau und die Organisation der Staatsgewalt sowie die Kompetenzen der Staatsorgane. Einklagbare subjektive Rechte räumen diese Verfassungsvorschriften dem Einzelnen nicht ein.
Übersicht 3: Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens bei Bundesgesetzen (Art. 70 ff. GG)
GESETZESINITIATIVE
Gesetzesvorlagen können von der Bundesregierung, dem Bundesrat oder aus der Mitte des Bundestages eingebracht werden (Art. 76 Abs. 1 GG). Die meisten Gesetzesinitiativen – etwa zwei Drittel aller Gesetzesentwürfe – werden von der Bundesregierung vorgelegt. Nach Beratung und Beschluss im Kabinett werden die Gesetzesvorlagen dem Bundesrat zugeleitet, damit dieser in einem sog. „ersten Durchgang“ eine Stellungnahme erarbeiten und ggf. Änderungsvorschläge machen kann. Gesetzesinitiativen des Bundesrates werden über die Bundesregierung an den Bundestag weitergeleitet.
BERATUNG UND BESCHLUSSFASSUNG IM BUNDESTAG
Zentrales Organ der Gesetzgebung ist der Deutsche Bundestag als gewählte Volksvertretung. Dieser behandelt Gesetzesentwürfe in der Regel in drei Lesungen. Am Ende der ersten Lesung steht die Überweisung des Entwurfs an einen oder mehrere Ausschüsse. Im Anschluss an die Beratungen in den Ausschüssen finden die zweite und dritte Lesung statt. Während in der zweiten Lesung hauptsächlich Änderungsanträge vorgebracht werden, ist die dritte Lesung regelmäßig der Schlussabstimmung vorbehalten.
BUNDESRAT
Alle im Bundestag verabschiedeten Gesetze werden dem Bundesrat zugeleitet. In einem sog. zweiten Durchgang sind die Handlungsmöglichkeiten des Bundesrates davon abhängig, ob der Gesetzesbeschluss seiner Zustimmung bedarf oder nicht. Die zustimmungspflichtigen Gesetze können ohne sein positives Votum nicht in Kraft treten. Ob ein Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf, richtet sich nach dem GG (vgl. z.B. Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 79 Abs. 2 GG; Art. 104a Abs. 3, 4, 5 und Art. 105 Abs. 3 GG). Bis zur Durchführung der sog. Föderalismusreform war dies bei über 60% der Gesetzgebungsverfahren der Fall, insbesondere weil die Länder in ihren Verwaltungsaufgaben betroffen waren. Nun soll nur noch etwa ein Viertel bis ein Drittel der Gesetze der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, da die Länder das Verwaltungsverfahren nun selbst abweichend von den bundesrechtlichen Regelungen regeln dürfen (vgl. in Art. 84 Abs. 1 GG). Im Übrigen bedürfen Bundesgesetze, die das Verwaltungsverfahren regeln, weiterhin der Zustimmung des Bundesrates (vgl. z.B. Art. 84 Abs. 1 S. 5, Abs. 2 GG). Ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz kommt zustande, wenn der Bundesrat zustimmt, den Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht stellt, innerhalb der Frist des Art. 77 Abs. 3 GG keinen Einspruch einlegt oder ihn zurücknimmt oder wenn der Einspruch vom Bundestage überstimmt wird (Art. 78 GG).
Aufgrund der Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Union hat das Grundgesetz – wie auch das nationale Verfassungsrecht der anderen EU-Staaten – seine Bedeutung als höchstrangige Rechtsquelle z. T. verloren (zum Recht der Europäischen Union s. 1.1.5).
1.1.3.2 Parlamentsgesetze
Gesetz
Neben dem Verfassungsrecht bilden vor allem die Gesetze die wesentliche Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der Sozialverwaltung und der Sozialen Arbeit insgesamt. Das Parlamentsgesetz ist der Prototyp einer Rechtsnorm. Bei einem „Gesetz im formellen Sinn“ handelt es sich dabei um eine Rechtsvorschrift, die von der Legislative in dem verfassungsmäßig vorgeschriebenen Verfahrensweg erlassen worden ist (im Hinblick auf Bundesgesetze vgl. Art. 70 ff. GG und Übersicht 3).
Hinsichtlich des Inhalts muss ein Gesetz allgemeinverbindliche Regelungen enthalten. Man sagt auch, eine Rechtsnorm ist ein Gesetz im materiellen Sinn (d. h. dem Inhalt nach), wenn es
■ eine verbindliche Regelung
■ für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen
■ gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen enthält.
Die meisten Gesetze sind solche im formellen und materiellen Sinn, da die Parlamente (Bundestag/-rat, Landtage) in großem Umfang von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen, die ihnen im Grundgesetz und in den jeweiligen Länderverfassungen zugestanden ist. Wann der Bund oder ein Land Gesetze erlassen darf, ist in Art. 70 ff. GG und Art. 105 GG abschließend geregelt.
1.1.3.3 Rechtsverordnungen
Auch eine Rechtsverordnung ist dem Inhalt nach eine Rechtsnorm und damit ein Gesetz im materiellen Sinn, denn sie ist eine verbindliche Regelung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen. Der wesentliche Unterschied zu den „richtigen“ (Parlaments-)Gesetzen besteht darin, dass Rechtsverordnungen nicht von der Legislative erlassen werden, sondern von Organen der vollziehenden Gewalt (Exekutive). Um eine Rechtsverordnung zu erlassen, bedürfen diese freilich einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung (Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG), d. h. sie dürfen nur im Auftrag der Legislative tätig werden (vgl. z. B. §§ 6a, 13 SGB II; §§ 47, 109, 163 SGB III; § 17, 28c SGB IV; §§ 35a, 92 SGB V; § 69 SGB VI; § 9 SGB VII; §§ 78g Abs. 4, 94 Abs. 5 SGB VIII; §§ 29 Abs. 2, 40, 60 SGB XII; §§ 55a, 556 Abs. 1, 558c Abs. 5, 577a Abs. 2, 1316 Abs. 1 BGB; Art. 238 EGBGB).
Die meisten Rechtsverordnungen werden zur Durchführung und Ausführung von Gesetzen