Thomas Trenczek

Grundzüge des Rechts


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So wird die Regierung als Teil der Exekutive mittlerweile nicht mehr von einem „absoluten Herrscher“ eingesetzt, sondern vom Parlament gewählt, dessen Regierungsfraktionen die Regierung weniger kontrollieren denn stützen. Die Tätigkeit der Exekutive erschöpft sich auch nicht in der reinen Anwendung von Normen, vielmehr haben die Regierung und die sog. Selbstverwaltungsträger auch einen politischen Gestaltungsauftrag, während die übrige Verwaltung eher ausführend tätig ist. Zudem nehmen Exekutiv- und Verwaltungsbehörden auch Aufgaben wahr, die streng inhaltlich zur Gesetzgebung (Erlass von Verordnungen und Satzungen) oder Rechtsprechung (Bußgeldbescheide) gehören, andererseits werden auch die Gesetzgebung (z.B. bei Erlass eines Haushaltsplanes) und die Rechtsprechung (Register, Grundbuch) verwaltend tätig.

      Übersicht 7: Staat und Gewaltenteilung

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      Verfassungsorgane

      ■ der Bundestag (Art. 38 – 48 GG)

      ■ der Bundesrat (Art. 50 –53 GG)

      ■ der Gemeinsame Ausschuss (Art. 53a GG)

      ■ die Bundesversammlung (Art. 54 GG)

      ■ der Bundespräsident (Art. 54 –61 GG)

      ■ die Bundesregierung (Art. 62 –69 GG)

      ■ das Bundesverfassungsgericht (Art. 93, 94 GG)

      Der Bundeskanzler ist zwar im GG erwähnt, er ist aber als Teil der Bundesregierung kein eigenständiges Verfassungsorgan. Besteht zwischen den einzelnen Organen eine divergierende Auffassung über den Umfang ihrer Rechte und Pflichten oder ihrer Mitglieder, kann das BVerfG im sog. Organstreitverfahren (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 63 ff. BVerfGG) angerufen werden. Im Hinblick auf die wechselseitige Kontrolle („Checks and Balances“) und Verflechtungen der Verfassungsorgane spricht man auch von Gewaltenverschränkung, während die durch das Föderalismusprinzip (s. 4.1.2) geprägte Gliederung und wechselseitige Kontrolle von Bund, Ländern und Gemeinden (mittlerweile auch unter Einschluss der EU-Ebene) als „vertikale“ Gewaltenteilung bezeichnet wird.

      Es lassen sich jedoch noch andere, grundlegendere Entwicklungen des Gewaltenteilungsprinzips beobachten. Denn insb. dort, wo (wie in der Bundesrepublik Deutschland) Regierungen im Amt sind, die die parlamentarische Mehrheit hinter sich wissen, gestaltet sich das Wechselspiel zwischen Parlament und Regierung – zumal unter den Bedingungen des aus Art. 21 GG abgeleiteten sog. Fraktionszwangs – mitunter nicht sehr effektiv. Parlamentarische Kontrolle reduziert sich dann häufig auf Minderheitenrechte der parlamentarischen Opposition (z. B. Untersuchungsausschuss, Art. 44 GG; Große und Kleine Anfragen, §§ 100 ff. GO BT; Befragungen der Bundesregierung, § 106 GO BT). Die wirksamste Kontrolle von Regierung und Parlament geht daher heute vom BVerfG aus (hierzu 5.1.1), was zwar unter demokratietheoretischen Aspekten nicht unumstritten ist, sich im Ergebnis allerdings in aller Regel als segensreich für die politische und rechtliche Gestaltung des Gemeinwesens erwiesen hat.

      Der Begriff Demokratie kommt aus dem Griechischen (demos – Volk; kratein – herrschen) und bedeutet „Volksherrschaft“. Der Begriff ist allerdings nicht unproblematisch und wird gerade von sog. populistischen Bewegungen recht schlicht und bizarr ausgelegt. In einer Demokratie hat sich nicht alles der Mehrheit zu beugen (s. u.), denn diese ist zu „monströsen Irrtümern“ fähig. „Eine Demokratie funktioniert nicht ohne Presse- und Versammlungsfreiheit, nicht ohne Oppositionsrechte, nicht ohne den Schutz der Schwachen“ (Janisch 2016a, 4).

      Nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Damit ist nicht gemeint, dass zwingend alle hoheitlichen Entscheidungen durch die Bürger unmittelbar getroffen werden müssen, sondern dass sie einer gesetzlichen Legitimation bedürfen, die sich auf einen Willensakt des Volkes zurückführen lässt. Konkretisiert ist das Demokratiegebot durch das Gebot allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahlen (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG). Man unterscheidet zwischen „unmittelbarer“ Demokratie, in der das Volk in Abstimmungen direkt selbst über eine Frage entscheidet, und der sog. repräsentativen Demokratie, bei der das Volk „abgeordnete“ Volks-Vertreter wählt, die als ihre Repräsentanten in den Parlamenten, den Volksvertretungen, die wesentlichen (gesetzlichen) Entscheidungen treffen. Dem Grundgesetz liegt ein ganz überwiegend repräsentatives Demokratiemodell zugrunde (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG), in welchem nur rudimentär Elemente der unmittelbaren Demokratie vorkommen, die allerdings in den letzten Jahren wieder verstärkt aktiviert werden (z. B. die beiden erfolgreichen Bürgerentscheide im Juli 2010, in Bayern für ein umfassendes Rauchverbot in öffentlichen Räumen und in Hamburg gegen die von der Bürgerschaft beschlossene Einführung der 6-jährigen Primarschule).

      Eine besondere Beachtung finden im Grundgesetz auch die Parteien (Art. 21 GG), die als Vermittler der politischen Willensbildung einen besonderen Auftrag haben. Die Parteiendemokratie geht faktisch zulasten unmittelbarer Demokratieelemente. Dennoch ist, wie auch durch den Ausgang verschiedener Volks- bzw. Bürgerentscheide in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen europäischen Ländern belegt werden kann, allein von der Form unmittelbarer Demokratie nicht notwendigerweise auf eine größere demokratische Substanz der getroffenen Entscheidung zu schließen. Denn auch der unmittelbar entäußerte Volkswille kann, „fiktiv, fehlbar und verführbar“ sein (Offe 1992, 127).

      Minderheitenschutz

      Demokratie ist demnach etwas anderes als ein schlichtes Mehrheitsprinzip. Sie basiert auf der Anerkennung des einzelnen Bürgers als Träger universeller Grundund Menschenrechte (zur UN-Menschenrechtserklärung von 1948 und der EMRK s. 1.1.5). Soweit der Demokratiegedanke mit der Organisation von Mehrheiten und Mehrheitsentscheidungen verknüpft wird, muss beachtet werden, dass das Betätigungsrecht der Opposition gewährleistet ist und der Schutz von Minderheiten gewahrt bleibt (keine Diktatur der Mehrheit). Insoweit ergibt sich aus dem Demokratieprinzip ein besonderer Handlungsauftrag für die Soziale Arbeit, da sie es vielfach mit Menschen zu tun hat, die – aus welchen Gründen auch immer – einer benachteiligten Bevölkerungsgruppe oder Minderheit angehören (z. B. Kinder und Jugendliche, alte, behinderte, einkommensarme Menschen, Migranten und ausländische Bevölkerungsgruppen in prekären sozialen und aufenthaltsrechtlichen Situationen). Hierbei geraten Sozialarbeiter u. U. in ein Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungen: Auf der einen Seite steht der Auftrag des betroffenen Klienten, auf der anderen Seite stehen die Erwartungen des öffentlichen Arbeitgebers, dem sie arbeitsrechtlich und gesetzlich verpflichtet sind. Man spricht hier insofern von einem doppelten Mandat. Das Demokratiegebot verpflichtet die Mitarbeiter öffentlicher Träger, die demokratisch legitimierten Entscheidungen des Gesetzgebers vorbehaltslos (wenn auch nicht blind bzw. kritiklos) zu befolgen. Die sich aus dem doppelten Mandat mitunter ergebenden Konflikte sind nicht immer leicht aufzulösen, sie fordern aber zur demokratischen Teilnahme und damit zur rechtlich-politischen Einwirkung auf die Sozialverhältnisse auf. Die Soziale Arbeit hat einen politischen Gestaltungsauftrag insb. im Hinblick auf die Sicherung eines menschenwürdigen Daseins und die Abwendung bzw. den Ausgleich von Benachteiligungen und Belastungen (vgl. z. B. § 1 SGB I, § 1 Abs. 3 SGB VIII).Auch deshalb muss sich Soziale Arbeit im Interesse ihrer Klienten einmischen und in den öffentlichen Diskurs einbringen.

      staatliches Gewaltmonopol

      In einem Rechtsstaat bildet das Recht die verbindliche Ordnung für das Zusammenleben der Menschen. Die Wortbildung selbst steht mit spezifischen deutschen Entwicklungen des 18. und 19. Jahrhunderts im Zusammenhang. Deshalb führt eine lineare Übersetzung des Wortes in andere Sprachen auch zu keinem sinnvollen Ergebnis. Es besteht aber heute weitgehend Einigkeit darüber, dass im Deutschen mit „Rechtsstaat“ das gemeint ist, was im angloamerikanischen